»Nein, Mr Black. Alles in Ordnung«, stotterte Danny hinter mir. Am liebsten hätte ich ihm einen letzten, boshaften Blick zugeworfen, aber ich schaffte es nicht, mich von Logan abzuwenden.
Logans Augen hingen noch einige Sekunden lang mahnend auf Danny und instinktiv wusste ich, wie unwohl Danny sich gerade fühlen musste. Logans kühler Blick durchdrang die Luft wie eine unausgesprochene Drohung und wirkte verdammt einschüchternd, selbst auf mich. In seinen Augen schien ein blauer Sturm zu toben, der sein Gegenüber im Bruchteil einer Sekunde zu Eis gefrieren ließ.
Schließlich wandte Logan sich von Danny ab und sah stattdessen zu mir. Ich erkannte, wie sich seine Gesichtszüge unmerklich aufklärten und der Sturm in seinen Augen abebbte.
»Drea? Ist sicher alles in Ordnung?«, der Ausdruck in seinem Gesicht wirkte beinahe schon sanft, was kurz innehalten ließ. Ich holte tief Luft und nickte leicht.
»Ja, alles okay … Mr Black«, um ein Haar hätte ich ihn Logan genannt. Ich spürte wie meine Wangen sich färbten und beschämt sah ich zu Boden. Ich musste meine Gefühle schleunigst unter Kontrolle bekommen, bevor noch jemand Verdacht schöpfte.
Logan nickte und drehte sich dann zu den restlichen Schülern um, die das Schauspiel aufmerksam beobachtet hatten. Ich musste an das letzte Mal denken, als alle Aufmerksamkeit auf mich gerichtet war und Madison mich derart niedergemacht hatte. Heute schien sie es zum Glück nicht für nötig zu halten, sich einzumischen. Der Denkzettel in Form von Nachsitzen, den Logan ihr verpasst hatte, schien wohl seine Wirkung nicht verfehlt zu haben.
Immer noch starrten mich einige Schüler an und tuschelten sich etwas ins Ohr. Offenbar war ich innerhalb einer Woche zum Gesprächsthema Nummer eins der Schule geworden. Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ich war keines dieser Mädchen, wie Madison, die sich nach der Aufmerksamkeit anderer sehnten und immer im Mittelpunkt stehen wollten.
Ich fühlte mich wohler, wenn ich unbemerkt und unsichtbar blieb. Mit gesenktem Kopf folgte ich den anderen in den Klassenraum und vermied die Blicke meiner Mitschüler, insbesondere den Dannys. Nur bei Poppy, deren Augen ich immer wieder auf mir spürte, hob ich den Blick. Sie schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln und drückte unter dem Tisch kurz meine Hand. Ich entspannte mich etwas, konnte mich jedoch nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren und betrachtete stattdessen die kleinen Regentropfen, die an der Scheibe herabliefen.
Als es endlich klingelte, sprang ich auf und verstaute schnellstmöglich meine Bücher in der Tasche. Ich wollte nur noch hier raus. Weg von Danny, weg von dem Getuschel meiner Mitschüler und weg von…
»Drea? Würden Sie bitte noch für eine Minute hier bleiben?«
Die Stimme hallte durch den Raum. Logan.
»Natürlich, ja«, erwiderte ich mit krächzender Stimme und trat widerwillig nach vorn zu seinem Pult. Der Rest des Kurses verließ langsam, schleppend den Raum. Meine Nervosität unterdrückend, krallte ich meine Hände in die Jacke, die ich mir über den Arm geworfen hatte und wartete ungeduldig, bis alle in ihre Pause gegangen waren. Die letzte, die zur Tür hinaus ging, war Poppy.
Als ich zu ihr rüber sah, umspielte ein wissendes Grinsen ihre Lippen. Sie würdigte mich jedoch keines Blickes mehr und schloss die Tür hinter sich. Stille erfüllte den Raum und ich fühlte, wie sich Spannung in der Luft aufbaute. Ich wagte kaum zu Logan zu schauen, wusste jedoch, dass es keinen Sinn hatte, ihn zu ignorieren.
»Du hast gestern etwas bei mir vergessen«, hörte ich ihn sagen. Ich sah auf, als er mir meine Tasche entgegenstreckte. Natürlich, ich hatte die Tasche mitsamt meinem Handy und Geldbeutel bei ihm liegen lassen. Das hatte ich völlig vergessen.
»Oh ja. Daran habe ich gar nicht mehr gedacht«, ich nahm sie entgegen. »Danke schön.«
Plötzlich hatte ich das Gefühl eines Déjà-vus. Ich fühlte ich mich an unsere erste Begegnung zurückerinnert, mit dem einzigen Unterschied dass es an diesem Tag meine Ausgabe von Sturmhöhe gewesen war, die er mir zurückgegeben hatte. Bei dieser Erinnerung schlich sich unwillkürlich ein Lächeln auf meine Lippen.
Er erwiderte es.
Mein Herz begann zu flattern.
Ich musste hier raus.
Schleunigst wandte ich mich zum Gehen, da ich annahm, die Tasche war der einzige Grund, weshalb er mich hatte sprechen wollen. Doch er hielt mich noch einmal zurück.
»Drea?«
Ich blieb stehen und sah ihn über die Schulter hinweg an. Logan ging um den Pult herum und lehnte sich lässig dagegen. Ein Kribbeln breitete sich in meiner Magengegend aus, während mich seine Augen musterten.
»Ja?«, meine Stimme klang mehr wie ein Piepsen und ich räusperte mich.
»Geht es dir denn gut?«, fragend sah er mich an. »Ich meine wegen dem Vorfall vor dem Unterricht.«
»Oh, wegen Danny«, entgegnete ich und sah zu Boden. Sollte ich ihm davon erzählen, dass Danny mich mit ihm gesehen hatte und sich deshalb so aufgeführt hatte? Schließlich hatte Logan ja auch etwas mit der Sache zu tun. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte Danny Logan erkannt.
Ich konnte es ihm nicht verschweigen.
»Ehrlich gesagt, hat Danny mich gestern in deinem Auto gesehen, als du mich nach Hause gefahren hast.«
Logan verschränkte die Arme vor der Brust und kniff aufmerksam die Augen zusammen, doch sein Blick wirkte nach wie vor undurchdringlich. Wenn ihn meine Nachricht beunruhigte, so ließ er sich nichts anmerken.
»Er hat sich vorhin nur so benommen, weil er eifersüchtig war. Aber du musst dir keine Sorgen darüber machen, er weiß nicht, dass es dein Wagen war«, als die Worte raus waren, fühlte ich mich sogleich besser. »Er hat dich nicht erkannt.«
»Ich verstehe«, erwiderte Logan lediglich. Er senkte seinen Blick, als würde er nachdenken. Doch gleich darauf klärte sich seine Sicht wieder und er ging um das Pult herum, um seine Tasche zu packen.
»Ich hoffe, Sie konnten ihren Freund beruhigen«, Logan sah nicht einmal auf, als er mit mir sprach. Stattdessen widmete er sich unbeirrt seinen Unterlagen, die er in die Tasche gleiten ließ.
Mit einem Mal wirkte er wieder distanziert und unerreichbar, die Intensität in seinem Ausdruck war verschwunden und vor mir stand nicht mehr Logan, sondern Mr Black. Ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, ihm zu erklären, dass es sich bei Danny gar nicht um meinen Freund handelte. Ich wusste nicht weshalb, aber etwas tief in meinem Innern zwang mich förmlich dazu, ihm zu widersprechen.
»Danny ist nicht mein Freund. Wir waren einmal ein Paar, aber das ist vorbei. Ich bin … mit niemandem zusammen.«
Logan hielt mitten in der Bewegung inne und auch ich erstarrte plötzlich. Meine Worte hatten sich nicht wie eine Berichtigung angehört. Sie klangen mehr wie eine Botschaft, als wollte ich Logan klar machen, dass ich zu niemandem gehörte, dass ich frei war… dass ich zu haben war. Logans Augen richteten sich unverwandt auf mich.
Er sog scharf die Luft ein und mit einem Mal war die distanzierte Maske wie weggeflogen. Ich erwiderte den Blick aus seinen eisblauen Augen, die zu glühen begannen und wusste instinktiv, dass er wieder einmal dasselbe gedacht hatte wie ich; welche Schülerin klärte ihren Lehrer schon ungefragt über ihren Beziehungsstatus auf? Mit diesem einfachen Satz hatte ich ihm gerade mehr oder weniger zu verstehen gegeben, dass ich ihn attraktiv fand.
Meine Wangen färbten sich Rosa und Spannung lag wie ein unsichtbares Feld zwischen uns in der Luft. Mein Atem kam nur noch stoßweise und ich bekam weiche Knie. Ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Einige Sekunden lang sahen wir uns einfach nur an und ich war mir absolut sicher, dass auch er das Prickeln, das in der Luft lag, spüren musste.
Es konnte gar nicht anders sein.
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