„Aber sicher“, sage ich, während Jo neben mir schnaubt.
„Kann man ja schlecht verbieten“, grummelt sie vor sich hin.
Ganz toll! Eben noch war ich dankbar, dass die Verbindung zwischen mir und Jo nach vierzehn Jahren doch nicht ganz abgerissen ist und dann kommt dieser Nicholas Lyle und macht alles zunichte. Einfach nur mit seiner Anwesenheit. Nichts als Ärger mit den Männern! Jo denkt vermutlich gerade, dass ich eine absolute Zimtzicke geworden sein muss, wenn ich mich mit jemandem wie Nicholas abgebe, der bei ihr in Ungnade gefallen sein muss, weil er ihren Kreditantrag abgelehnt hat.
„Heute ist Pubquiz-Abend, wusstest du das?“, frage ich in der Hoffnung, ihn mit dieser Information zu vertreiben. Schließlich ist das ja nichts für jeden und er scheint auch keinem Rateteam anzugehören.
„Ich weiß“, antwortet er jedoch gutgelaunt. „Ich komme gerne hierher und sehe zu. Noch lieber würde ich auch mal mitmachen, aber ich habe noch keine Teammitglieder gefunden.“
„Was kein Wunder ist, wenn man es sich mit jedem im Ort verscherzt.“ Jo flötet jetzt nicht mehr, stattdessen faucht sie richtiggehend, um ihrem Unmut Luft zu machen.
„Ich bin privat hier, da möchte ich ungern über Geschäftliches reden“, meint Nicholas souverän.
„Nun, dann sollten Sie sich daran gewöhnen, dass in Sheemore das eine wie das andere immer zusammengehört. Hier ist es üblich bei einem Bier im Pub über Geschäftliches zu sprechen.“
„Ich halte das so, wie ich denke, dass es richtig ist.“
„Ihr Pech, wenn Sie dann niemals Freunde finden. So wird’s dann auch nichts mit dem Rateteam.“
Demonstrativ verschränkt Jo, die zu meiner Rechten sitzt, die Arme und wendet den Blick ab, um eingehend die Blechschilder an der Wand neben sich zu studieren, die sie sicherlich schon auswendig kennt. Ich sitze ziemlich hilflos zwischen den Beiden und sehe, wie sich Nicholas‘ Miene verfinstert.
„Man muss sich an die Gepflogenheiten in einer Kleinstadt erst gewöhnen, nehme ich an“, werfe ich ein. „In Manchester ist sicher einiges anders.“
„Das kann man wohl laut sagen.“
Er prostet mir mit seinem dunklen Belhaven Ale zu, das Pete vor ihn auf den Tresen gestellt hat und sieht dann zu Jo, doch die würdigt ihn keines Blickes. Ich schnappe mir meinen Wein, stoße mit ihm an und nehme dann einen viel zu großen Schluck. Eine lästige Angewohnheit in letzter Zeit. Meine Mitmenschen könnten aber auch rücksichtsvoller sein und mich nicht immer unangenehmen Situationen aussetzen, dann wäre das gar nicht nötig.
„Wir könnten doch ein Rateteam bilden“, schlage ich plötzlich vor und deute auf Nicholas, Jo und mich.
Mit einem Ruck dreht sich Jo zu mir und reißt die Augen weit auf, wie ein Reh im Licht eines Autoscheinwerfers.
„Echt jetzt?“
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, meint Nicholas zögerlich.
„Papperlapapp!“, rufe ich und fuchtele mit den Armen wild herum.
Ich sollte langsamer mit dem Wein machen. Ich habe unter Alkoholeinfluss komische Ideen und sage altmodische Worte wie ‚Papperlapapp‘. Aber jetzt gerade finde ich meinen Vorschlag grandios. ‚Grandios‘ ist vermutlich auch so ein Wort…
„Nicholas kennt hier niemanden und ich bin auch erst wieder neu nach Sheemore gezogen. Und du, Jo, warst noch niemals beim Pubquiz-Abend. Also haben wir alle kein Team und sollten uns zusammentun.“
„Ich wollt nur zusehen, aber selbst mitzumachen ist natürlich lustiger“, sagt Nicholas achselzuckend und setzt dann hinzu: „Meine Freunde nennen mich übrigens Nick.“
Ein Typ mit einem Mikrofon taucht auf und begrüßt die Leute zum Quizabend. Lautes Johlen ist die Antwort, die Stimmung wird immer aufgeheizter.
„Jedes Team bekommt einen Zettel, auf dem es die Antworten eintragen kann. Wo sind die Teams? Dann gehe ich jetzt rum und teile die Zettel an euch aus.“
Wieder lautes Gejohle. Es verspricht ein lustiger Abend zu werden. Und plötzlich möchte ich auch ein Teil davon sein. Ich sehe zu Jo und erkenne an ihrem leuchtenden Blick, dass es ihr ebenso geht. Sie sieht Nick schräg an und scheint abzuwägen.
„Na gut“, gibt sie schließlich nach. „Das könnte Spaß machen. Auch wenn ich dafür mit ihm spielen muss, ist es noch besser, als nur zuzusehen. Wer bitte kommt nur zum Zusehen zum Pubquiz?“
Sie schüttelt den Kopf, als wäre das wirklich die blödeste Idee, die jemand nur haben kann.
Ich kichere und nehme noch einen großen Schluck Wein, während Nick die Hand hebt, um zu signalisieren, dass wir auch einen Zettel brauchen. Es imponiert mir, dass er Jos spitze Bemerkungen einfach so wegsteckt. Ich wäre vermutlich schon empört aufgestanden und gegangen.
„Versuch‘ wenigstens etwas netter zu sein, Josephine Graham. Ich weiß, dass dir das schwerfällt, aber du müsstest dir dafür kein Bein ausreißen“, flüstere ich ihr zu.
„Entschuldige“, raunt Jo zurück. „Mag ja sein, dass du von seinem guten Aussehen geblendet bist, aber dieser Typ ist geschäftlich wirklich eine Plage. Mal sehen, ob er privat anders ist. Er trennt das ja so vorbildlich.“
Als wir beide daraufhin kichern, wirft uns Nick einen Blick zu, der eindeutig besagt, dass er seine Entscheidung bereut, mit uns zu spielen. Doch zu spät, schon bekommen wir einen Zettel und ich zücke einen Stift, den ich irgendwo in den Untiefen meiner Handtasche versteckt hatte.
„Wie wollen wir uns nennen? Die, die nicht zusammenpassen? Oder, nein, ich weiß was Besseres. Kraut und Rüben!“
Am nächsten Tag hämmert mein Kopf, als würde einer von Schneewittchens Zwergen mit der Spitzhacke darin sitzen und bereits am Frühstückstisch frisch und munter nach Erz oder anderem Gestein suchen.
„Du siehst nicht gerade wie das blühende Leben aus, Anna“, meint Dad, als er mir eine große Schüssel Porridge hinstellt.
Ich könnte würgen, wenn ich sie nur ansehe und der Geruch der warmen Haferflocken tut sein Übriges. Energisch schiebe ich sie weit von mir.
„Bloß kein Essen, Dad.“
Mein Kopf ist so schwer, dass ich ihn am liebsten auf den Küchentisch legen würde.
„Scheint ja ein netter Abend gestern mit Jo gewesen zu sein. War Kayleigh auch im Pub?“
„Nein“, antworte ich einsilbig.
„Seltsam.“ Dad reibt sich über das stoppelige Kinn. „Du weißt aber, dass Jo und Kayleigh jetzt befreundet sind?“
„Hm.“
Mehr bringe ich nicht zustande. Ich kann über seine Worte auch nicht wirklich nachdenken.
„Ich meine, ich weiß, dass du dich mit Kayleigh MacDuff nicht gut verstanden hast, als ihr in der High School wart, aber die Dinge haben sich geändert. Jo und Kayleigh sind mittlerweile beste Freundinnen, soweit ich von Jos Eltern weiß.“
„Dad, bitte.“ Ich halte mir den Schädel und sehe ihn gequält an. „Jo ist erwachsen und kann machen was sie will. Und ganz davon ab, haben wir Kayleigh MacDuff weder gesehen, noch von ihr gesprochen.“
„War gestern nicht Pubquiz-Abend?“, setzt Dad seine Inquisition fort.
Von draußen höre ich, wie Nathan und Emma sich einen Ball zu kicken. Es ist ein bewölkter Tag und der Regen nieselt nur so auf die Erde hinab.
„Seit wann geht Emma raus, wenn es regnet?“, lenke ich vom Thema ab.
Dad setzt sich mit zu mir, zieht eine Kaffeekanne zu sich heran und schenkt uns zwei Tassen ein. Das Aroma des frischgebrühten Kaffees breitet sich dampfend im Raum aus, ein Geruch, der mir nicht unangenehm ist und sogar den Zwerg mit der Spitzhacke in meinem Kopf für einen Moment von seinem Tun abbringt.
„Das ist doch kein Regen. Es fisselt nur ein bisschen vom Himmel runter, das spürt man nicht mal.“
„Ja, klar, das sagen du und ich. Aber Emma…“
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