Unwillkürlich schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen.
»Entschuldigung angenommen«, gleich darauf hob ich allerdings mahnend den Zeigefinger in die Höhe. »Aber nur, wenn du meine auch annimmst.«
Allmählich zeichnete sich nun auch auf Lukes Gesicht ein Lächeln ab.
»Aber natürlich, komm her, kleine Schwester«, mit weit ausgebreiteten Armen kam er auf mich zu und ich erhob mich, um seine Umarmung zu erwidern. Es tat gut, den Streit mit meinem Bruder endlich beiseite legen zu können. Die Sache mit Adam hatte lange genug zwischen uns gestanden und ich war froh darüber, sie endlich abhaken zu können.
Nachdem wir uns lange im Arm gehalten hatten, teilte Lukas mir mit, dass er wieder nach unten ging, um Dad noch bei einer Firmenangelegenheit zu helfen. Kurz bevor er jedoch mein Zimmer verlassen konnte, hielt ich ihn noch einmal zurück.
»Hey Luke, was ist eigentlich mit dir und Poppy los? Ich erinnere mich daran, dass ihr im Krankenhaus ziemlich feindselig miteinander umgegangen seid«, erwartungsvoll hob ich die Brauen und warf ihm einen auffordernden Blick zu.
Lukas seufzte laut, ehe er sich wieder zu mir umdrehte und einen ertappten Gesichtsausdruck aufsetzte.
»Naja …«, er schürzte die Lippen. »Es ist gut möglich, dass ich ihr von meinem Kuss mit Joanna erzählt habe und es ist auch gut möglich, dass Joanna mich in der Nacht, in der du ins Krankenhaus kamst, begleitet hatte.«
»Wow«, ich riss die Augen weit auf und räusperte mich. »Ich kann definitiv verstehen, dass Poppy angepisst war.«
»Na und wenn schon, was interessiert es sie denn überhaupt?«, verärgert zog er die Brauen zusammen. »Sie hatte die Sache zwischen uns beiden doch beendet!«, entrüstet verschränkte er die Arme vor der Brust.
»Ja, aber so unmittelbar nach der Trennung schon mit einer Neuen vor ihren Augen aufzutauchen, ist nicht gerade die feine englische Art, meinst du nicht?«
»Ich hatte doch keine Ahnung, dass sie auch im Krankenhaus war! Als Logan mich anrief, hatte er sie mit keinem Wort erwähnt!«, Lukas fuhr sich in einer gehetzten Geste durchs Haar. Er schien mit dieser Situation völlig überfordert zu sein, was mich beinahe schmunzeln ließ. In letzter Sekunde zwang ich mich jedoch dazu, ernst zu bleiben.
»Okay, und was läuft jetzt mit Joanna?«, fragte ich stattdessen und wackelte verschwörerisch mit den Brauen. Lukas rollte lediglich mit den Augen.
»Wir verstehen uns gut, das ist alles, was du wissen musst, Drea.«
»Hallo?«, enttäuscht warf ich die Arme in die Luft. »Mehr Details, bitte!«
Lukas stöhnte ergeben.
»Ach ich weiß auch nicht. Sie ist irgendwie so humorvoll und lustig. Und sie ist unglaublich intelligent. Man kann sich richtig gut mit ihr unterhalten, auch über wichtige Themen. Ernsthafte Themen«, seine Augen starrten plötzlich ins Leere, als wäre er in Gedanken ganz woanders.
»Das hört sich an, als wärst du verliebt«, trällerte ich und zog meinen Bruder mit einem breiten Grinsen auf. Das schien ihn sofort aus seiner Trance zu reißen.
»Was? Nein!«, widersprach er sofort kopfschüttelnd, doch die Vehemenz mit der er dies verneinte, strafte seine Worte Lügen.
»Aber«, räumte er sogleich ein. »Ich mag sie sehr.«
»Und was ist mit Poppy?«, wollte ich daraufhin wissen und war in Gedanken bereits bei meiner besten Freundin. Zwar war ich mir mittlerweile absolut sicher, dass Poppys Herz für Timmy schlug, doch konnte ich mir gut vorstellen, dass es Poppy dennoch verletzt hatte, selbst wenn es sich dabei nur um ihren Stolz handelte.
»Ich weiß nicht. Ich schätze, die Sache mit Poppy ist Geschichte. Ich habe sie wirklich gerne gehabt. Das tue ich auch immer noch. Aber das, was ich momentan mit Joanna habe, ist irgendwie anders, auf gewisse Art und Weise erwachsener. Wir sind auf einer Wellenlänge. Sie passt viel besser zu mir, als Poppy. Ich glaube auf längere Sicht hin wäre das mit Poppy auch nicht gut gegangen«, erklärte er kopfschüttelnd.
»Ich verstehe«, erwiderte ich. Und das tat ich wirklich. Poppy war eben Poppy. Wild, ungestüm und impulsiv. Vielleicht waren die beiden einfach zu gegensätzlich. Poppys Temperament passte wohl nicht zu Lukas’ ruhiger Art. Wenn es nicht sein sollte, dann hatte das Schicksal womöglich andere Pläne für die beiden.
»Die Blacks scheinen es uns wohl angetan zu haben, was?«, erwiderte ich sarkastisch und sah meinem Bruder tief in die Augen. Er verstand meine Anspielung sofort und auf seinem Gesicht erschien ein trauriges Lächeln.
»Es tut mir leid, Drea, dass die Sache zwischen dir und Logan so unglücklich verlaufen ist«, während mein Bruder die Worte aussprach, konnte ich erkennen, dass er sie ernst meinte. Das überraschte mich. Lukas hatte bislang nicht gerade den Eindruck vermittelt, dass er die Beziehung zwischen Logan und mir guthieß.
»Woher eigentlich der Sinneswandel, Luke? Ich dachte du hältst von dieser Verbindung zwischen Logan und mir nicht viel?«, manifestierte ich meine Gedanken und zog verwirrt die Brauen zusammen. Ich war wirklich gespannt auf seine Antwort.
»Drea«, begann er. »Ich weiß, dass du das nicht hören möchtest und meine Antwort wird dir nicht gefallen, aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass eure Beziehung falsch ist. Und das liegt nicht daran, dass ich es dir nicht gönne oder weil ich denken könnte, dass Logan nicht genug für dich empfindet, denn mir ist spätestens im Krankenhaus bewusst geworden, dass er das tut«, Lukas hielt kurz inne und bei seinen letzten Worten wurde mir unwillkürlich warm ums Herz. »Mir geht es lediglich darum, und da muss ich Dad leider recht geben, dass es einfach zu gefährlich für deine Zukunft ist. Ebenso für Logans.«
»Du hattest recht«, grimmig verzog ich das Gesicht. »Deine Antwort gefällt mir nicht.«
Lukas setzte dieses ich-hab’s-dir-doch-gesagt-Lächeln auf, welches mein Aggressionspotenzial sofort in die Höhe schießen ließ.
»Aber hey«, sogleich nahm sein Gesicht wieder gelassenere Züge an. »In ein paar Monaten hast du deinen Abschluss und dann interessiert das kein Schwein mehr«, er warf die Hände in die Luft.
»Denkst du das wirklich?«, ich runzelte die Stirn angesichts Lukas’ Vermutung. »Dad hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass er diese Beziehung niemals dulden würde. Er hat mir sogar gedroht, Luke!«, noch immer fassungslos darüber schüttelte ich den Kopf. Lukas dagegen schien nicht sehr überrascht zu sein, was wohl daran lag, dass er ebenfalls ein Gespräch mit Dad hinter sich hatte.
»Er wird darüber hinwegkommen, Drea, du bist volljährig und wenn du erst einmal deinen Abschluss hast, dann zeigt er vielleicht etwas Nachsicht.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, hielt ich zweifelnd dagegen und hob die Brauen.
»Das wird schon!«, Lukas warf mir ein letztes aufmunterndes Lächeln zu, ehe er sich verabschiedete und verschwand.
∞
Als ich am nächsten Morgen aufstand, war die Nervosität groß. Endlich würde ich die Gelegenheit bekommen, mit Logan zu sprechen. Zwar hatte ich absolut keine Ahnung, wie es nun mit Logan und mir weitergehen sollte, aber ich war mir sicher, dass wir irgendeinen Weg finden würden. Wir mussten einen Weg finden. Eine andere Option kam überhaupt nicht infrage.
In der Schule angekommen, entdeckte ich auch schon Poppy, die bereits auf dem Parkplatz auf mich wartete. Einen Tag nachdem ich ins Krankenhaus gekommen war, hatte sie gemeinsam mit Logan wieder zurück nach Mount Rainier fahren müssen, was Poppy allerdings nicht davon abhielt, mich mehrmals täglich anzurufen. Nicht einmal das schlechte Netz dort oben hatte sie abhalten können und so war es dazu gekommen, dass Poppy seit langer Zeit die erste Person gewesen war, der ich in grober Ausführlichkeit von meinen schlimmen Erlebnissen mit Adam erzählte. Obwohl die Erinnerungen daran sehr schmerzten, tat es unfassbar gut, mich meiner besten Freundin endlich anzuvertrauen.
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