Ruckartig schoss mein Kopf nach oben.
» Bitte w as ?«, kam es entsetzt über meine Lippen, während sich meine Augen vor Schreck weit öffneten. Dads Worte erreichten meinen Verstand, jedoch fühlte es sich an, als würde mein Hirn sie nicht richtig verarbeiten können.
»Aber ...«, setzte ich bereits an, allerdings wollte einfach kein vollständiger Satz über meine Lippen kommen.
»Drea, ich weiß, dass du das jetzt vielleicht noch nicht einsiehst, aber Logan Black ist nicht der Richtige für dich. Du denkst, dass du verliebt bist, aber das bist du nicht. Eine solche Schwärmerei hat jeder schon einmal erlebt. Das hat doch keine Zukunft.«
»Wie kannst du so etwas sagen?«, empört sprang ich von meinem Stuhl auf, sodass er laut über dem Boden nach hinten schlitterte. Wut stieg in mir auf und mein Herz begann vor Aufregung immer heftiger zu schlagen.
»Drea«, mein Dad wirkte genervt. »Bitte setz dich wieder«, er deutete mit einem auffordernden Nicken in Richtung des Stuhls ihm gegenüber. Doch daran, seiner Bitte nachzukommen, war in diesem Moment gar nicht zu denken. Alles was ich empfand, war unbändiger Zorn, der mich innerlich beinahe zerriss. Wie konnte Dad sich anmaßen über meine Gefühle für Logan zu urteilen? Er hatte nicht die geringste Ahnung davon, was ich für Logan empfand, wie sehr er mich in den vergangenen Wochen unterstützt hatte, mir dabei half, mich selbst wiederzufinden.
Es mochte sein, dass ich mit meinen achtzehn Jahren noch nicht einmal halb so viel Lebenserfahrung wie mein Dad gesammelt hatte und viele Dinge erst noch lernen musste. Aber einer Sache war ich mir absolut sicher und da konnte auch niemand versuchen, mir etwas anderes einzureden. Noch bevor ich mich stoppen konnte, hatten die Worte meine Lippen bereits verlassen.
»Ich liebe ihn.«
Und in diesem Moment begriff ich, dass es die Wahrheit war. Ich liebte Logan. Aus tiefstem Herzen. Er war es, der mir in den dunkelsten Stunden der letzten Monate beigestanden hatte. Seine rettende Hand hatte mir geholfen, wieder das Licht zu finden. Und trotz der Tatsache, dass er so lange gegen die Gefühle zwischen uns angekämpft hatte, war es mir gelungen, einen Weg zu finden, auch seine Mauern niederzureißen, eine Seite von ihm kennenzulernen, die er bisher niemandem offenbart hatte. Zwei verletzte Seelen, die einander gefunden hatten und sich ineinander verliebt hatten. Zwei Seelen, die versuchten, einander zu heilen.
Aus diesem Grund machte es mich unglaublich wütend, dass Dad mich und meine Gefühle nicht ernst nahm, dass er über sie sprach, als könnten sie morgen schon wieder Geschichte sein.
Ein Räuspern riss mich zurück in die Gegenwart. Für ein paar Sekunden starrte Dad mich einfach nur stumm an, ehe er sich mit den Händen über das Gesicht rieb.
»Drea, du weißt nicht, wovon du da sprichst. Du bist doch noch…«
»Nein«, fiel ich ihm augenblicklich wieder ins Wort. »Ich weiß, was du sagen willst, Dad. Du willst mir sagen, dass ich noch gar keine Ahnung davon habe, was Liebe wirklich bedeutet, dass ich mir nur einbilde, in ihn verliebt zu sein. Aber weißt du was?«, fragte ich, wobei ich den spitzen Unterton meiner Stimme nicht unterdrücken konnte. »Rede dir das ruhig ein, damit du dich besser fühlst, aber ich weiß, was ich tief in meinem Herzen fühle und ich werde mit Logan zusammen sein, ob es dir passt oder nicht. Selbst wenn das heißt, dass wir bis zu meinem Abschluss warten müssen. Er ist es mir wert!«
Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und wandte mich zum Gehen. Es hatte keinen Sinn weiterhin mit meinem Dad darüber zu diskutieren, wenn er keinerlei Verständnis für mich übrig hatte. Doch Dads Stimme in meinem Rücken hielt mich augenblicklich davon ab.
»Drea, ich habe dir versprochen, es nicht der Schulleitung zu melden und ich halte mein Versprechen. Aber sollte ich herausfinden, dass ihr in irgendeiner Weise weiterhin in Kontakt steht, dann werde ich meine Entscheidung überdenken. Das ist mein voller Ernst.«
»Du drohst mir also?«, ich drehte mich zu ihm und starrte ihn wutentbrannt an. Wie konnte mein eigener Dad mir so etwas antun?
»Wenn es sein muss, Drea«, der Blick aus seinen braunen Augen war eiskalt, gefühllos. In diesem Moment war er mir so unglaublich fremd und unwillkürlich begann ich mich zu fragen, ab welchem Punkt unser Gespräch wohl diese feindselige Richtung eingenommen hatte.
»Du kannst jetzt vielleicht noch nicht erkennen, dass ich nur das Beste für dich möchte. Aber du wirst es noch, Drea.«
Ein abfälliger Laut kam über meine Lippen, während ich Dad wieder den Rücken zukehrte und bereits nach dem Türknauf griff. Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, was ich als nächstes sagte, hatten die Worte bereits meine Lippen verlassen.
»Mom hätte niemals so mit mir gesprochen«, mit diesen Worten wandte ich mich eilig zum Gehen. Tränen brannten in meinen Augen und mein Puls raste. Ich riss die Tür des Arbeitszimmers auf und verließ fluchtartig den Raum, um seinen verletzten Gesichtsausdruck nicht ertragen zu müssen - denn ich wusste genau, dass meine letzten Worte ihn zutiefst trafen.
Er hielt mich nicht zurück, was mich nur noch mehr darin bestätigte, wie sehr ich mit meiner Aussage ins Schwarze getroffen hatte - und fast bereute ich es sogar.
Natürlich verstand ich Dads Beweggründe und es tat mir furchtbar leid, dass unser Gespräch in solch eine falsche Bahn geraten war. Ich konnte nachvollziehen, dass er sich große Sorgen um mich und meine Zukunft machte. Aber was ich nicht verstehen konnte, war die Tatsache, dass er mich nicht einmal angehört hatte, dass er nicht einmal versucht hatte, mich und meine Gefühle zu verstehen. Und das war es, was mich verletzte.
Dies war wieder einmal einer dieser Momente, in welchen ich meine Mom schmerzlichst vermisste. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie noch hier wäre. Sie hätte genau gewusst, was zu tun war. Vor allem aber hätte sie mir zugehört und versucht, einen Weg zu finden. Sie war noch nie die Art Mensch gewesen, die andere vorschnell verurteilten. Sie war der genaue Gegenpol zu meinem Dad gewesen.
Langsam aber sicher bahnten die Tränen sich nun einen Weg über meine Wangen und erschöpft ließ ich mich gegen die Wand neben Dads Arbeitszimmer sinken. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Leben wieder völlig aus den Fugen geraten. Gerade als ich geglaubt hatte, dass es endlich besser werden würde, stellte sich mir das Schicksal erneut auf üble Weise in den Weg, als wäre mir das Glück nicht vergönnt.
Meine Gedanken überschlugen sich, während ich aufgewühlt darüber nachdachte, wie es nun weitergehen sollte. Allerdings wusste ich auch ohne große Überlegungen, was als nächstes zu tun war. Denn egal, was mein Dad soeben gesagt oder womit er mir gedroht hatte, ich musste ganz dringend mit Logan reden...
Lustlos spielte ich mit dem Bleistift in meiner Hand und starrte gedankenverloren auf das weiße Blatt vor mir. Nicht ein einziges Wort hatte ich zu Papier gebracht - und das, obwohl ich morgen einen Aufsatz mit mindestens tausend Wörtern abgeben musste, wie Poppy mir mitgeteilt hatte. Trotz der Tatsache, dass dieses Essay von Jane Austen handelte, herrschte in meinem Kopf völlige Leere.
Ich seufzte und stützte mein Kinn auf der Hand ab.
Natürlich wusste ich genau, woher diese fiese Schreibblockade in meinem Kopf herrührte. Nämlich von niemand Geringerem, als derjenige, für den ich diese Arbeit schrieb.
Logan Black.
Allein an seinen Namen zu denken, tat so furchtbar weh, dass mein Herz sich anfühlte, als könnte es wie Glas in tausend Splitter zerbrechen. Ohne es verhindern zu können, wanderte mein Blick in Richtung meines Handys, das vor mir auf dem Schreibtisch lag. Zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag. Und obgleich mir klar war, dass der Bildschirm sicherlich keine neue Nachricht anzeigen würde, da ich vor genau einer Minute schon einmal drauf geschaut hatte, musste ich dennoch einen erneuten Blick wagen.
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