Ich war mir jedoch sicher, dass Dad zu mir stehen würde, selbst wenn ich mich dazu entschieden hätte, auf eine Anzeige zu bestehen, was sein Verhältnis zu Tante Carolyn womöglich zerstört hätte. Dads Liebe zu seinen Kindern war bedingungslos, auch wenn er sie nicht immer offen zeigte. Allein der Gedanke daran, gab mir Kraft.
Ich beschloss, Dad erst einmal alleine zu lassen und erhob mich von dem Stuhl. Doch Dad schien noch etwas auf dem Herzen zu haben, denn gerade als ich Anstalten machte zur Tür zu gehen, hielt er mich zurück.
»Drea, da ist noch etwas worüber wir uns unterhalten müssen.«
Ich hielt mitten in der Bewegung inne. Mein Herzschlag beschleunigte sich und in meinem Magen begann sich ein ungutes Gefühl auszubreiten. Ich ahnte bereits, worüber Dad mit mir sprechen wollte. Die ganze Zeit hatte ich den Gedanken daran verdrängt, versucht ihn zu ignorieren, so zu tun, als wäre all das nicht passiert. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis Dad mich auf dieses eine Thema angesprochen hätte.
Ich nahm einen tiefen Atemzug, um mich dem, was nun auf mich zukam, zu stellen und drehte ich mich zu Dad um. Diesmal hatte sein Gesicht einen anderen Ausdruck angenommen. Von der Traurigkeit, die ihm zuvor noch anzusehen war, fehlte jegliche Spur.
Stattdessen strahlte Dad nun eine so heftige Ernsthaftigkeit aus, dass es mir die Kehle zuschnürte. Und dann sprach er das Thema an, vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte.
»Ich muss dich das jetzt fragen, Drea«, er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, ehe er weitersprach.
»Hattest du Sex mit deinem Lehrer?«
Geschockt starrte ich ihn an.
Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht, wenngleich diese Frage mehr als berechtigt war. Kurz darauf spürte ich auch schon, wie mir allmählich das Blut ins Gesicht schoss und ich bis zu den Haarwurzeln errötete.
»Dad! Ich...«, peinlich berührt schüttelte ich hastig den Kopf. »Wie kannst du nur so etwas fragen?«
»Das war kein Nein «, der Blick aus Dads braunen Augen war kalt, beinahe schon gefühllos. Doch wenn es um die eigenen Töchter ging, kannten Väter wohl keine Gnade. Besonders meiner nicht. Schon bei Danny hatte es Ewigkeiten gedauert, bis er es überhaupt einmal für nötig hielt ihn zu begrüßen, wenn er zu Besuch kam.
Ja, es war nicht selten, dass sobald die Töchter zum ersten Mal einen Freund mit nach Hause brachten, die Väter sich nur zu gut an ihre eigene S turm-und-Drang-Zeit erinnerten. Eine wilde Jugend, die ersten aufkeimenden Gefühle für das andere Geschlecht... Die Angst davor, dass die Tochter mit einem Jungen zusammen war, der gerade in derselben Entdeckungsphase steckte, bescherte jedem Vater wohl die ersten grauen Haare.
»Ich erwarte eine Antwort, Drea.«
»Dad!«, meine Wangen glühten. »Natürlich nicht!«
Nun ja, was nicht bedeutete, dass ich es nicht versucht hätte… fügte ich gedanklich an, aber das musste ich meinem Dad ja nicht auf die Nase binden. Es war ohnehin schon ungemein peinlich, mit ihm darüber zu sprechen. Es war mir sogar so unangenehm, dass ich ihm nicht einmal in die Augen schauen konnte. Dennoch spürte ich unentwegt seinen bohrenden Blick, als könnte er auf diese Weise herausfinden, ob ich die Wahrheit sagte oder ob ich log.
Unwillkürlich überkam mich ein schlechtes Gewissen. Obwohl ich, wenn man es genau nahm, ja ehrlich zu ihm war, denn ich hatte nicht mit Logan geschlafen. Allerdings verschwieg ich Dad die Tatsache, dass wir mehr als einmal die Gelegenheit dazu gehabt hätten. Wenngleich ich mir sicher war, dass Dad sich seinen Teil bereits denken konnte. Immerhin hatte er ja bereits mit Logan gesprochen. Ein Gespräch, von dem ich nach wie vor nicht wusste, welchen Ausgang es wohl genommen hatte.
Dad seufzte.
»Drea«, begann er nun in einem gefährlich ruhigen Tonfall. »Ich habe in den letzten zwei Tagen sehr lange überlegt, ob ich mich mit der Schulleitung in Verbindung setzen soll oder nicht...«, noch ehe Dad weitersprechen konnte, sprang ich aufgebracht vom Stuhl.
»Dad! Das kannst du nicht tun! Logan hat nichts Verbotenes getan! Er ist ein guter Mensch und ich schwöre dir, dass nichts Körperliches zwischen uns vorgefallen ist!«
Dad musterte mich aufmerksam, bevor er wieder zu sprechen begann.
»Weshalb hat er mir dann in dem Gespräch vor zwei Tagen gestanden, dass er sich in meine Tochter verliebt hat?«, Dad sah mich ungerührt aus ernsten Augen an. Mir dagegen verschlugen seine Worte unwillkürlich die Sprache. Wie erstarrt stand ich vor ihm und erwiderte seinen Blick aus großen Augen.
Logan hatte meinem Dad gesagt, dass er sich in mich verliebt hatte?
Dads Aussage traf mich mitten ins Herz und ließ mich für einige Sekunden lang einfach nur wortlos dastehen. Und während ich noch versuchte, Dads Worte zu verarbeiten, begann er schon wieder weiter zu sprechen.
»Nun ja, dein Lehrer hat mir ebenfalls bestätigt, dass bisher noch nichts Sexuelles zwischen euch vorgefallen ist und ich hoffe sehr, dass ihr beide ehrlich seid, Drea. Die Konsequenzen eines solchen Handelns wären fatal.«
»Es ist die Wahrheit. Ich verspreche es dir«, erwiderte ich, als ich allmählich meine Stimme wiederfand. Doch der Schock über Dads Worte hatte ich noch immer nicht verkraftet. Benommen ließ ich mich wieder zurück auf den Stuhl sinken. Allerdings war später noch genügend Zeit, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Es gab nun Wichtigeres. Ich musste nämlich einen Weg finden, meinen Dad davon abzubringen, sich mit der Schulleitung in Verbindung zu setzen. Fieberhaft überlegte ich nach einem schlagkräftigen Argument.
»Dad, Logan ist anständig und einer der besten Menschen, die ich kenne. In den letzten Monaten ging es mir wirklich schlecht. Moms Tod, die Trennung von Danny und dann die Sache mit ... Adam «, ich schüttelte gequält den Kopf. »Logan war für mich da und es ist ... es ist einfach passiert. Wir hatten das nicht geplant! Bitte, Dad, bitte rufe die Schule nicht an. Er hat das nicht verdient. Ich flehe dich an!«
Für ein paar Sekunden herrschte Stille zwischen uns. Voller Hoffnung bohrte sich mein Blick in Dads Gesicht, der nachdenklich das Whiskeyglas in seiner Hand hin und her schwenkte. Zu gern hätte ich in diesem Moment einen Blick in seinen Kopf geworfen, um herauszufinden was er dachte.
Mein Dad war kein Unmensch, so viel stand fest. Im Innern seines Kerns besaß er einen sehr sanftmütigen und liebevollen Charakter. Aber er besaß auch noch eine andere Seite. Eine Seite, die konsequent und knallhart sein konnte, die ohne jeglichen Skrupel alles tun würde, um die Familie zu beschützen.
Ungeduldig wartete ich darauf, dass er endlich wieder zu sprechen begann.
»Ich weiß, dass du eine schwierige Zeit hinter dir hast und es war auch sehr nobel von deinem Lehrer, dir in dieser schwierigen Zeit beizustehen. Daher habe ich mich dazu entschieden, es der Schulaufsicht nicht zu melden«, setzte er schließlich an und sogleich fiel mir ein Stein vom Herzen. Hoffnung keimte in meinem Innern auf. Hoffnung, dass diese komplizierte Situation womöglich doch noch ein gutes Ende nahm.
»Aber nur unter einer Bedingung«, fügte Dad abschließend noch hinzu, während er langsam von seinem Glas aufblickte und mich direkt ansah. Die Anspannung in meinem Innern kehrte sofort wieder zurück.
»Alles was du willst, Dad«, entgegnete ich übereilt. Egal was es sein mochte, ich würde alles daransetzen, dass Logan seinen Job nicht verlor und wir eine echte Chance bekamen, zusammen sein zu können.
»Hier geht es nicht nur um seine Zukunft, Drea, sondern auch um deine. Und ich werde nicht zulassen, dass du sie dir zerstörst. Ich habe die letzten zwei Tage lange darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass du von dieser Sekunde an keinerlei außerschulischen Kontakt mehr zu Logan Black haben wirst. Sollte es nichts mit der Schule zu tun haben, so werdet ihr nicht ein einziges Wort mehr miteinander wechseln und ich untersage dir jegliche Versuche, erneut Kontakt zu ihm aufzunehmen. Ist das klar?«
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