Sein gestählter Körper schreckte die meisten von vornherein ab, sodass Viktor noch nicht einmal sein Können unter Beweis stellen musste. Als Dämon ersten Ranges, hatte er sich aufs Töten spezialisiert und sich als erster Kommandant des Herrn der Verdammten Reiche einen Namen gemacht.
Nun, zumindest bevor er an Kassathors Tore geklopft und um Einlass gebeten hatte. Damals wusste ich nicht, wer er war und es interessierte mich auch nicht. Zacharias dagegen kannte ihn dafür um so besser. Von Anfang an war er dagegen gewesen Viktor in meine Dienste zu stellen, doch ich sah dessen Kraft und Stärke und als Verbannte konnte man davon niemals genug bekommen.
Warum Viktor die Verdammten Reichen verlassen hatte und vor allem, wie das überhaupt möglich war, war mir ein Rätsel. Viktor sprach nicht darüber und beantwortete keine meiner Fragen über die Zeit in den Verdammten Reichen. Schlussendlich gab ich es auf und begnügte mich damit, dass er mir seine Treue schwor und sich für meinen sowie Kassathors Schutz einsetzte.
„Viktor so lange nur ich es bin, die sich an dir vorbei schleicht, ist alles Bestens“, entgegnete ich und strich durch meine Haare, die schon fast wieder getrocknet waren.
„Ihr hättet ihn sehen sollen Herrin. Er schlich wie ein schlecht gelaunter Ehemann vor der Küche herum und hielt mich vom Arbeiten ab“, beklagte sich Leah, die sich an Viktor vorbeischob und mir den Weinbecher reichte.
Über ihrem Arm trug sie trockene Kleider, die sie neben mich auf den Boden legte.
„Ich bin ein Dämon Nonne! Also steht mir schlechte Laune zu.“
Leah funkelte ihn böse an und trat hinter mich um meine halbtrockenen Locken zu entwirren.
„Ich bin keine Nonne mehr! Die Götter verweilen nicht an einem Ort wie diesen“, meinte sie leise.
„Nun, zumindest die weißen Götter tun es nicht. Was die wilden Götter betrifft, so würde ich dafür nicht meine Hand ins Feuer legen“, entgegnete Viktor.
„Hier ist kein Platz für Götter, weder für die einen noch für die anderen, außer natürlich, ich würde euch alle hinauswerfen.“
Viktor zog die Augenbrauen zusammen und seine dunkelbraunen Augen schweiften kurz zu Rias. Ein sonderbarer Ausdruck lag darin, doch ich konnte ihn nicht richtig deuten.
„Es reicht, wenn du den Hund nach draußen bringst. Dorthin wo Hunde hingehören.“
Ich spürte, wie plötzlich eine gewisse Spannung in der Luft lag und wie Rias seinen Kopf in Viktors Richtung drehte. Seine bernsteinfarbenen Augen brannten sich regelrecht in Viktors und keiner der beiden, schien nachgeben zu wollen.
Ich nahm einen Schluck von dem schweren, süßlichen Wein und stand auf. Ohne groß auf Viktor, Leah und Rias zu achten begann ich aus meinem klammen Kleid zu schlüpfen.
„Warum geht ihr nicht beide raus und lasst mich alleine?“, fragte ich teilnahmslos.
„Herrin!“
„Leah ich warne dich! Ich will nichts über Moral und Schamgefühl hören“, warnte ich sie und Leah schloss sofort ihren Mund.
Als ehemalige Nonne sprühte sie nur so davon über und versuchte jedes Mal, wenn sich die Gelegenheit bot, an meine gute Seele zu appellieren.
Glücklich schlüpfte ich in mein trockenes Kleid und zog mir die langen, warmen Strümpfe bis über die Knie hinauf. Meine weißen Locken waren bereits getrocknet und entspannt langte ich erneut nach meinem Becher. Die Spannung in dem großen Saal nahm immer weiter zu und ich seufzte innerlich. Es war nicht gerade förderlich für meine niedergeschlagene Stimmung.
„Hört auf ihr beiden!“
Viktor strich sich durch sein kurzes, braunes Haar und wandte schließlich mit einem genervten Brummen den Blick ab. Was auch immer zwischen den beiden vorgefallen war, es war Vergangenheit. Hier in Kassathor hatte es keine Bedeutung.
Ein leichter Schauder jagte über meine Haut, als ich an die wilden Götter dachte und unwillkürlich strich das Bild des versiegelten Tors in der Eingangshalle durch meine Gedanken.
„ Du hast das Tor selbst versiegelt, warum jagt es dir jedes Mal aufs Neue so eine Angst ein?“
„ Ich weiß es nicht. Es hat etwas an sich das ich nicht greifen, nicht in Worte fassen kann. Es ist schwer zu beschreiben. Genauso wie das, was auch immer zwischen dir und Viktor vorgeht. Warum kannst du dich nicht mit ihm vertragen?“
„ Warum sollte ich? Er ist derjenige der nichts besseres weiß, als mich jedes Mal aufs Neue zu reizen.“
Ich verzog leicht verärgert den Mund, denn ich wusste, wenn Rias schmollen wollte, dann war es besser ihn sich selbst zu überlassen.
„Meisterin?“
„Hmm?“, ich wandte mich mit fragendem Blick Viktor zu.
„Warum ich eigentlich nach dir gesucht habe ist der Grund, dass meinen Männern und mir zufällig ein Bote in die Arme gelaufen ist, der sich am alten Wachposten herumgetrieben hat.“
„Ein Bote am alten Wachposten?“
„Ja.“
„Und er ist euch zufällig in die Arme gelaufen?“
„Ja.“
Viktors unbewegliche Miene verriet mir alles, was ich wissen musste. Bestimmt waren seine Männer auf dem Weg gewesen ihren Schandtaten nachzugehen und durch diesen kleinen Zwischenfall am Wachposten, waren sie davon abgekommen, was wiederum bedeutete, dass sich heute Nacht viele schlecht gelaunte Dämonen in Kassathor herumtrieben.
Der alte Wachposten war schon seit Jahren verlassen. Er war aufgegeben worden, als man sicher sein konnte, dass die magische Barriere ausreichend war, um mich hier gefangen zu halten. Außerdem waren zu viele Tote zu beklagen gewesen. Viktor und seine Männer hatten sich einen Spaß daraus gemacht, jeden einzelnen von ihnen abzuschlachten.
„Was für ein Bote?“, fragte ich daher lauernd und nippte an meinem Wein.
Viktors Augen wurden schmal und ich merkte, wie sich Rias hinter mir anspannte.
„Er war auf der Suche nach dir.“
„Was?“, hauchte ich und trat einen Schritt auf Viktor zu.
Ungewollt sammelte sich ein Bruchteil meiner schwarz schimmernden Magie an meinen Fingerspitzen und strömte in einem unsichtbaren Wind, in kleinen Wirbeln, um mich herum. Mein Herz schlug immer schneller und ein sonderbares Gefühl bereitete sich in mir aus.
Leah schlug sich eine Hand vor den Mund und verfolgte angstvoll, wie die schwarzen Fäden sich immer weiter ausbreiteten. Noch ging keine Gefahr von ihnen aus, doch es war nur eine Frage der Zeit.
Ich hörte, wie sich Rias erhob und keinen Augenblick später spürte ich sein weiches Fell an meinen Fingerspitzen. Die Magie ebbte bei seiner Berührung langsam ab und ich fühlte wie sich mein Herzschlag beruhigte.
„Danke“, murmelte ich leise und krallte meine Hand in Rias Fell.
„Herrin geht es euch gut?“, fragte Leah und bemühte sich sichtlich, sich wieder zu entspannen.
„Ja, es ist alles in Ordnung. Vielleicht könntest du mir noch etwas zu essen bringen?“, fragte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
Leah nickte knapp, schnappte sich die klammen Kleider vom Boden und beeilte sich meiner Bitte nachzukommen. Mit schnellen Schritten verließ sie den Thronsaal. Es glich einer Flucht und ich konnte es ihr nicht verübeln. Dass Leah mich selbst nach all den Jahren, die sie nun schon hier war, noch immer fürchtete, war verständlich. Sie alle fürchteten sich und ich war mir sicher, dass es sich nie ändern würde.
Ob Sira auch Angst vor mir hatte? Vor meiner Magie?
Ich hatte mir diese Fragen schon oft gestellt und konnte sie nie beantworten. Die Antwort darauf würde in der Vergangenheit begraben liegen.
--¤-¤-- Zacharias --¤-¤--
Das Feuer wärmte mein nasses Fell und vertrieb zu einem gewissen Teil meine schlechte Laune. Ich verstand Ellysa nicht. Warum ging sie jedes Mal bei diesem Wetter hinaus auf den Friedhof?
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