Bis zu den Anfängen der Industriellen Revolution lagen viele Manufakturen und Betriebe noch inmitten der Städte. Produktion, Verwaltung und der Verkauf der Waren fanden häufig noch an einem Ort statt und die Arbeiter an ihren Maschinen und Werkbänken hatten es am Ende ihres langen Arbeitstages nicht allzu weit zu ihren Bleiben. Als der Platzbedarf der Betriebe gegen Mitte des 19. Jahrhunderts immer größer wurde, begannen viele Unternehmen jedoch an den Stadtrand zu ziehen und den Absatz der Waren in die Geschäfte der Innenstadt auszulagern. Läden und Warenhäuser öffneten ihre Türen, in denen Verkäufer und Händler in eleganter Garderobe arbeiteten und die neuen Produkte der Massenfertigung anpriesen. Große Schaufenster zur Präsentation der Waren und Leistungen schmückten die neuen Fassaden der prosperierenden Städte. Mit dem Wachstum der Verwaltungen begann man separate Büroetagen und Gebäude anzulegen. Die zunehmende räumliche Trennung von Angestellten und Arbeitern, - von Kopf- und Handarbeit -, konnte man nun schon beim Betreten der Betriebe wahrnehmen. Während die Arbeiter durch schwere Tore in die Fabrikhallen strömten, benutzten die Angestellten die separaten, repräsentativeren Eingänge, die auch den Geschäftsführern, höherrangigen Managern und Kunden vorbehalten waren. Fern von den schmutzigen Fabriken, in den noblen Einkaufsstraßen der Innenstadt, eröffneten schöne Geschäfte und edle Unternehmensrepräsentanzen hinter blank geputzten Fensterläden. Anwälte, Ärzte und andere Dienstleister füllten die oberen Etagen der Stadthäuser auf, bis auch die Unternehmen beschlossen, ihre Büros von der Produktion zu trennen und sie in die attraktiven Innenstädte zu verlegen. Hier und dort bildeten sich eigenständige Viertel, in denen sich überwiegend Geschäfte, Dienstleister und Bürogebäude etablierten. Im Jahr 1836 tauchte das erste Mal in einem amerikanischen Stadtregister der Begriff downtown auf. Allmählich kam auch der Begriff des Kontors aus der Mode. Von da an wurde das Wort Büro üblicher, das ursprünglich auf das altfranzösische Wort bure zurückgeht, was soviel wie grober Wollstoff bedeutet. Im Mittelalter hatten Mönche damit ihre Tische bespannt, um darauf besser schreiben und rechnen zu können. Irgendwann wurde daraus das französische bureau, womit man erst Schreibtische und später ganze Schreibräume bezeichnete. 5
Frederick Taylor’s Scientific Management
Tja, wir wissen – und das nicht nur aus der Bibel,
denn auch die Vernunft sagt uns das Gleiche:
Ein Mensch, der sich nicht krümmt und seine Pflicht tut,
selbst wenn sie ihn manchmal langweilt,
der ist nichts weiter als ein – na ja,
der ist einfach nur ein Schwächling. Ein Schlappschwanz!
(aus Sinclair Lewis Babbitt, 1920) 1
Technologischer Fortschritt und Massenfertigung beschleunigten das Wirtschaftswachstum. Binnen kürzester Zeit schossen neue Unternehmen, Fabriken, Geschäfte und Büros wie Pilze nach einem warmen Herbstregen aus dem Boden. Dank neuer Fertigungstechnologien konnte man Produkte zu günstigeren Stückkosten produzieren und die Absatzmenge deutlich erhöhen. Für die Bevölkerung bedeutete dies Wohlstand. Wer Arbeit besaß, erfreute sich an seiner steigenden Kaufkraft und deckte seinen Bedarf an den neusten Produkten und Dienstleistungen. Die Menschen wurden zu Konsumenten, die mehr und mehr kauften und damit wiederum die Produktion anheizten. Produkte wurden standardisiert, normiert und zu immer größeren Stückzahlen abgesetzt.
Dies brachte bald aber auch gewisse Probleme mit sich, denn auf eine Produktion solchen Umfangs waren viele Unternehmen organisatorisch nicht vorbereitet. 2Man besaß kaum Erfahrung bei der Bewältigung großer organisatorischer Abläufe. Organisches Wachstum, die Einführung von Hierarchien und Instanzen waren den Unternehmen und ihren Geschäftsführern fremd. Es mangelte an ausgebildeten Fachkräften, die sich mit den Abläufen in großen Organisationen auskannten, und es mangelte an Managern, die den Weitblick behielten. Viele Mitarbeiter wussten überhaupt nicht mehr, ob ihre Aufgaben sinnvoll waren, welche Rolle sie im System spielten und mit welchen Aufgaben man ihre Kollegen betraute. Abstimmungen untereinander waren fehlerhaft, die Beurteilung der eigenen Arbeitsqualität und die der Kollegen wurde immer schwieriger. Aus Mangel an Durchsicht konzentrierten sich die Arbeiter auf sich selbst und sahen ansonsten den wachsenden Missständen mit zunehmender Gleichgültigkeit entgegen. Effektive Zusammenarbeit war unter diesen Umständen kaum möglich. Die Folgen waren Misswirtschaft, Verschwendung, oft auch Korruption. In einigen Betrieben wuchsen die Probleme und die Unzufriedenheit dermaßen stark an, dass Konflikte zwischen Managern und ihren Untergebenen ausbrachen. Gegenseitige Schuldzuweisungen, Arbeitsniederlegungen und Streiks waren die Folge. Vorgesetzte beschuldigten die Angestellten der Verschleppung und Trödelei , Angestellte hielten ihre Chefs für willkürlich, unfähig und in ihren Aufgabenzuweisungen ambivalent.
In den Büros sah es nicht viel besser aus als an den Fließbändern. Auf den Tischen der Schreibkräfte türmten sich Berge von Papier, Arbeitsprozesse gerieten durcheinander, Verantwortlichkeiten blieben ungeklärt. Die sprunghaft angestiegene Produktion führte in den Betrieben zu enormen Verwerfungen und Ineffizienzen. Früher oder später würden sie dem ein oder anderen Unternehmen das Genick brechen. Es bestand dringender Handlungsbedarf, mehr Effizienz in die einzelnen betriebswirtschaftlichen Prozesse zu bringen. Bloß wie?
Im heutigen Stadtgebiet von Philadelphia, in Nachbarschaft der Philadelphia Universität, liegt der beschauliche Stadtteil Germantown. Mitte des 19. Jahrhunderts war der Bezirk noch eine unabhängige Stadt, gegründet 1683 von einer Gruppe deutscher Siedler; Quaker und Mennoniten, die mit dem Schiff Concord aus Deutschland über den Atlantischen Ozean übergesiedelt waren, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Damals nannten sie den Ort Deitscheschsteddel . Über Generationen kultivierten sie das Land, schufen Grundbesitz, sammelten Vermögen und Ansehen. Franklin Taylor entstammte einer dieser alten Quaker-Familien. Er war ein wohlhabender Anwalt, der eine Kanzlei in Germantown führte, als Mitte des 19. Jahrhunderts gerade das Maschinenzeitalter angebrochen war. Auch seine Frau Emily Winslow zählte zu einer angesehenen Familie, den Delanos, zu denen auch Franklin Delano Roosevelt gehörte. Franklins und Emilys Sohn Frederick kam am 20. März 1856 zur Welt. Seine Eltern förderten ihn mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Junge schien begabt, konzentrationsfähig, den Naturwissenschaften zugetan. Noch in seinen Kindheitstagen begann er damit, zu experimentieren und zu analysieren. Seine Vorliebe für Details und Akribie schien sich hier bereits abzuzeichnen. Als er das Jugendalter erreichte, spendierten ihm seine Eltern einen längeren Aufenthalt in Europa. Dort lernte er die Sprache seiner Vorfahren, dazu Französisch, Latein und Altgriechisch. Um sich auf sein Studium in Harvard vorzubereiten, begab er sich wieder zurück in sein Heimatland auf die Phillips Exeter Academy in New Hampshire, die unweit von Harvard lag. Die schwierige Aufnahmeprüfung bestand er wenig später mit Bravour. Aber sein Glück ließ ihn im Stich, denn bereits kurze Zeit nachdem er sein Studium aufgenommen hatte, sah er sich gezwungen es auch schon wieder abzubrechen. Der Grund dafür waren starke Kopfschmerzen, die ihn während der anstrengenden Lektüre ohne Unterlass plagten; vermutlich die Folge seiner extremen Kurzsichtigkeit.
Nach reiflichem Überlegen entschied er sich 1874 zu einer Lehre als Werkzeugmacher und Maschinist bei der Enterprise Hydraulic Works in Philadelphia. Nach Ende der zweijährigen Ausbildung wechselte er zu Midvale Steel, dessen damaliger Präsident eng mit seiner Familie befreundet war. Unter dessen Protegé gelang ihm der schnelle Aufstieg vom Werkstattschreiber, über den Vorarbeiter- und Meisterposten bis hin zum Leitenden Ingenieur des Werkes.
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