Nur der Gutsherr von Rahmede merkte nicht, dass etwas nicht richtig war, oder er wollte es in seiner Gier nicht merken.
Wie immer versperrte er höhnisch grinsend den Weg und winkte den Kaufmann mit einer arroganten Handbewegung vom Wagen.
Dieser stieg herab und kam gemessenen Schrittes aber leicht hinkend auf ihn zu gelaufen.
Am Gürtel bemerkte der Gutsherr einen prall gefüllten Beutel, sodass er frohlockend und anerkennend durch die Zähne pfiff.
„Drei Goldstücke und ihr könnt passieren“, sprach er den Hinkenden an.
„Habt ihr das gut überlegt?“, erwiderte flüsternd der Kaufmann.
„Ihr habt Recht, fünf, weil ihr es seid“, grinste der Beutelschneider unverfroren.
„So meint ihr das wirklich ernst?“, fragte der Fremde und diesmal lag etwas Drohendes in seiner Stimme.
„Sehe ich aus, als ob ich spaße?“, meinte daraufhin unverschämt und mit kalter Stimme der Gutsherr. „Freilich seht ihr so aus, als könntet ihr auch fünfzehn zahlen“, fügte er hinzu.
„Also bleibt ihr dabei und überlegt es euch nicht noch ein….“, hob der Kaufmann an, als ihn der Gutsherr barsch unterbrach und rief: „Schluss jetzt mit dem Geschwätz, zwanzig Goldstücke oder ihr kehrt um und ich jage euch die Hunde hinterher.
Damit streckte er die Hand aus.
„Nun gut“ murmelte der Kaufmann und zählte dem Gutsherrn jeden einzelnen der zwanzig Goldtaler in die Hand.
Dieser grinste hochmütig und meinte abschätzig: „Na also, geht doch…“.
Mit diesen Worten ließ er den Wagen passieren.
Als er sich jedoch ein letztes Mal umdrehte, um dem Wagen hinterher zu schauen, war dieser wundersamerweise schon verschwunden.
„Seltsam“, dachte er bei sich, aber die Verwunderung wich schon bald wieder der Freude über den unerwartet hohen Gewinn, den er gemacht hatte und der schwer seine Rocktasche füllte.
Als er aber in die Tasche griff und sich auch am Anblick der Münzen ergötzen wollte, hatte er nichts als schwarze Graberde in der Hand.
Verwirrt und nun auch etwas verängstigt, begab er sich daraufhin in sein Haus, wo er sich bald darauf zu Bett legte, weil er sich elend fühlte.
Nachts dann, als der Vollmond den Himmel erleuchtete, wachte er in Schweiß gebadet auf, weil ihn die Hand fürchterlich schmerzte.
Als er sein Talglicht entzündet hatte und einen Blick auf seine Hand gewagt hatte, erschrak er, weil sich die Fingerkuppen tiefschwarz eingefärbt hatten und so lang er auch schrubbte, die Finger wurden nicht mehr rein.
An Schlaf war nun nicht mehr zu denken und als er früh am nächsten Morgen auf seinem Pferd nach Altena eilte, war die Schwärze schon fast bis zur Hälfte die Hand hinaufgekrochen.
In Altena suchte er den Bader auf, der war zu der Zeit so etwas wie ein Arzt. Dieser schlug erschrocken das Kreuzzeichen und sagte, er könne ihm nicht helfen.
Als er in seiner Verzweiflung schließlich den Scharfrichter auf der Burg anflehte, ihm die Hand mit dem Beile abzuhacken, war die Hand bis zum Gelenk schwarz und verdorrt.
Der Scharfrichter wollte sich zunächst weigern, weil ihm die Sache nicht geheuer war, ein Beutel Münzen brach schließlich aber seinen Widerstand.
Er hackte dem Gutsherren die Hand mit Stumpf und Stiel ab und dieser eilte, die Wunde nur notdürftig mit einem schmutzigen Lappen verbunden halb wahnsinnig vor Schmerz und Angst aus der Stadt und wurde dort nie wieder gesehen.
Die Hand aber lag blutig und verschrumpelt im Stroh vor dem Hauklotz des Scharfrichters und niemand wagte sie zu berühren, bis schließlich ein Wagen mit Jongleuren, Feuerspuckern und einem Zauberer in die Stadt kam.
Dieser Zauberer erklärte sich gegen eine hohe Summe Geldes bereit, die Hand zu beseitigen und so gelangte sie in den Besitz der Schausteller.
Den Gutsherren aber vermeinte ein Altenaer Kaufmann später einmal beim Jahrmarkt in Paderborn vor dem Dom betteln gesehen zu haben, aber ganz sicher war er nicht gewesen.
Der Gutshof in der Rahmede ist heute schon lange verfallen und die Rahmeder heutzutage sind auch nicht mehr gierig und lassen Fremde daher freundlich passieren…
Altena, Stadtteil Mühlenrahmede 
Warum Dünnebrett Dünnebrett heißt
In Lüdenscheid, am Fuße des Dickenberges liegt der Ortsteil Dünnebrett.
Nun gibt es sicher viele Orte mit seltsamen Namen, aber warum Dünnebrett Dünnebrett heißt, darüber weiß ich zufälligerweise bescheid:
Einst lag am unteren Ende des Dickenberges ein kleiner aber schmucker Hof, in dem ein reicher, rundbäuchiger, rotwangiger aber auch sehr geiziger Bauer mit seiner ebenso runden Frau und seinen beiden runden Kindern wohnte.
Mitten durch den Hof plätscherte der Rahmedebach, der zwar weder besonders tief, noch besonders reißend war, trotzdem aber durchschritten werden musste, wenn ein Mitglied der runden Bauernfamilie in den jenseitigen Gemüsegarten wollte.
Irgendwann, nach langem Hin und Her, Abwägung von Kosten und Nutzen und schließlich erheblichen Magenschmerzen angesichts der bevorstehenden Ausgabe, entschloss sich der Bauer, einen Steg bauen zu lassen.
Nasse Schuhe und feuchte Hosen, so hatte er schlau gedacht, waren auf Dauer nämlich auch nicht billig.
Daher beauftragte er einen Schreinermeister aus Oberrahmede damit, ihm die Kosten für ein solches Bauwerk zu errechnen.
Als jener am nächsten Tag auf den Hof kam, begutachtete, Maß nahm und schließlich zehn Kreuzer für den Bau veranschlagte, da fing das dicke Bäuerlein an zu jammern und zu wehklagen. Es raufte sich die Haare und knirschte mit den Zähnen, fiel bettelnd auf die Knie und zog schließlich seinen Geldbeutel hervor.
„Sieh nur“, wehklagte er, „wie dünn der Sack ist, ich kann dir unmöglich zehn Kreuzer geben, höchstens fünf und auch dann werden meine armen Kinder die nächste Zeit hungern.“ Und er sah zu seinem Sohne, der geistesgegenwärtig eine dick mit Speck belegte Schnitte hinter seinem Rücken versteckte und mit vollen Backen und nach Atem ringend dem Schreiner zunickte, sehr bemüht, hungrig auszusehen.
Der Schreiner war genervt vom im ganzen Tal als Kniepsack bekannten Bauern, da dieser aber beim Verhandeln hart blieb und immer jämmerlicher heulte und klagte, willigte er schließlich ein, den Steg für fünf Kreuzer zu errichten.
Am nächsten Tag begann er seine Arbeit und war auch bald fertig mit dem Brücklein.
Der Bauer begutachtete das Werk und gab dem Schreiner dann sehr widerwillig seinen Lohn.
Hernach schickte er zunächst seine runde Tochter über den neuen Steg, dann seinen runden Sohn, dem die runde Bäuerin folgte.
Ganz am Schluss machte sich der Bauer selbst, welcher von allen am rundesten war auf den Weg und als er gerade in der Mitte war, da tat es ein lautes Knacksen und die Brücke brach entzwei.
Der Bauer aber landete in der Rahmede und kam bis zu den Ohren patschnass auf seinem runden Hinterteil zu sitzen.
Der Schreiner indes, welcher sich hinter einem Baum versteckt hatte, sprang hervor, hielt sich den Bauch, der nicht annähernd so rund war, wie der des Bauern vor Lachen und rief:
„Siehste, du Kniepsack, für den dünnen Geldbeutel gibt’s auch nur das dünne Brett!“
Brücke über die Rahmede in Dünnebrett, aus gutem
Grunde aus Stein…
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Читать дальше