„Wieso hatte er Interesse daran?“
„Er erzählte mir später, dass er im Auftrag einer Sicherheitsfirma da war, um sich einen Überblick zu verschaffen.“
„Dann arbeitete er für die?“
„Nein, er ist ein unabhängiger Makler. Ehrlich gesagt, hat es mich nie sonderlich interessiert, und da er nur Andeutungen gemacht hatte, fand ich es klüger, nicht nachzufragen. Ich ging davon aus, er verkaufte oder vermittelte Sicherheitskonzepte an Firmen aller Art.“
„Idealer Job, um die Schwachstellen von eben diesen Firmen auszunutzen. Mir fehlt noch immer der Zusammenhang zur Mülldeponie.“
„Vielleicht wollte er dort etwas entsorgen?“
„Denkbar aber nicht wahrscheinlich. Jedenfalls war nicht erkennbar, dass er Müll dabei hatte, als ich ihn damals aufgespürt hatte. Ich war mir eigentlich sicher, dass er jemanden treffen wollte. Aber warum ausgerechnet auf einer Mülldeponie, wenn es keine direkte Verbindung dahin gibt?“
„Haben Sie denn gesehen, dass er mit jemandem sprach?“
„Er ist ohne Probleme auf das Gelände gekommen, die Sicherheitsleute schienen ihn beinahe durchzuwinken, sie mussten ihn also kennen.“
„Dann war das Sicherheitssystem der Deponie vielleicht von ihm?“
„Macht am meisten Sinn.“
„Welche Deponie war es denn?“
„ KE Wertstoff-Recycling .“
„Und dann hat er einfach angefangen mit Granaten nach Ihnen zu werfen?“
„Nun, als er das Gelände wieder verließ, habe ich ihn am Ausgang aufgehalten. Ich konnte nicht mal ausreden, da warf er schon mit den Eiern. Mitten auf der Straße.“
„Dann wusste er gar nicht, warum Sie hinter ihm her waren?“
„Hatte keine Gelegenheit mehr, das mitzuteilen.“
„Wer weiß, was er dachte, wer Sie geschickt haben könnte.“
Alois nickte nachdenklich. „Wäre denkbar, dass er reichlich Dreck am Stecken hat und eine Menge Leute hinter ihm her sind. Geschieht ihm recht.“
„Ich werde mich hüten, Ihnen zu widersprechen. Aber wenn er denkt, es geht um etwas anderes, dann ist er vielleicht untergetaucht, weit weg, und Sie finden ihn nie?“
„Also, machen Sie sich da mal keine Sorgen, ich kriege den Drecksack. Ich lasse mir nicht einfach so die Augen wegpusten, das merkt der Sack schon noch.“
„Oh, ja richtig. Sie haben wirklich die Implantate genommen? Wie kommen Sie damit zurecht?“
„Gut bisher.“ Er mochte nicht mir ihr darüber reden, es erschien ihm irgendwie zu intim.
Ein leises Summen irritierte ihn kurz. Er sah sich um und entdeckte einen Robosauger, der sich aus der Küche langsam über das Parkett in Richtung des Wohnzimmers bewegte. Früher hatte er diese Dinger nie gehört, bevor sie ihm beinahe in die Hacken gefahren waren. Die Implantate waren wirklich gut. Ein weiteres Geräusch drang an sein Ohr. Dem Robosauger folgte ein fiepender Robohund und wedelte mit dem Schwanz.
„Ich wollte immer ein Haustier“, erklärte die Orkin als müsse sie sich entschuldigen.
„Dann hätten Sie eben verhüten müssen“, sagte er lapidar. Sie schien ihm seine ruppige Art nicht übel zu nehmen.
„Damals dachte ich eben noch, Hiro würde sich auch freuen auf das Kind.“
„Hat er so was gesagt, oder war das reines Wunschdenken Ihrerseits?“
„Er hat es gesagt, aber nun nehme ich an, er wollte nur Zeit gewinnen, um sich aus dem Staub zu machen.“
„Ich nehme an, es besteht kein Zweifel an seiner Vaterschaft?“
„Ich kann Ihnen den Bericht der DNA-Analyse zeigen, wenn Sie mir nicht glauben.“
„Nee, ist schon in Ordnung. Aber den Bericht hätte ich trotzdem gern. Wenn ich seine DNA habe, ist es vielleicht leichter, ihm auf die Spur zu kommen.“
„Ich schicke Ihnen den Bericht auf Ihr eKomm.“
Er nickte und beobachtete weiterhin der Robohund. Der schien das Interesse an dem Staubsauger verloren zu haben und kam nun zu ihm herüber, um an seinem Hosenbein zu schnuppern. Er wedelte mit dem Schwanz und blickte ihn auffordernd an. Alois mochte Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, ePets konnte er nichts abgewinnen. Aber er wusste, wenn er das Ding jetzt nicht streichelte, würde das Fiepen lauter und aufdringlicher. Selma Mommsen schien keinerlei Anstalten machen zu wollen, das künstliche Haustier von ihm zu entfernen. Aber sie hatte ja auch nicht wahrgenommen, dass er ihr schreiendes Rotzbalg nicht ertragen konnte. Widerwillig beugte er sich zu dem knöchelhohen ePet herab und tätschelte kurz das mit Kunstfell überzogene Gehäuse. Es knackte und knisterte, gab ein Jaulen von sich, dann stieg eine kleine Qualmwolke auf und der eHund fiel um. Entsetzt sprang die Orkin auf und eilte zu ihrem Haustier.
„Was haben Sie getan?“
„Nichts, das haben Sie doch gesehen. Nicht meine Schuld, muss ein Kurzschluss gewesen sein.“
„Sie sollten jetzt gehen“, sagte sie und hob betrübt das kaputte Ding vom Boden auf. Bevor sie noch auf den Gedanken kommen würde, er solle den Schaden ersetzen, machte er sich aus dem Staub.
„Cemal, die Knarre, die du mir gestern verkauft hast, die war kaputt. Schau mal, dieser Sensor hier, der ist einfach geplatzt und mir in die Hand geknallt. Ich bräuchte Ersatz. Da war ja wohl Garantie drauf, oder?“
„Ja, das geht natürlich. Hm, tut mir echt leid, Mann, das sollte besser nicht wieder vorkommen, was? Auf seine Waffen muss ein Mann, ähm, Troll sich immer verlassen können.“
„Meine ich auch. Man sieht sich.“
Ein paar Stunden später stand Alois wieder bei Cemal in der Garage.
„Cemal, ich glaube, dir hat da jemand Schrottware untergejubelt. Schau dir das an, der blöde Zoomvisor ist praktisch explodiert. Das war verdammt knapp, das war echt nicht lustig. Stell dir vor, es wäre ein Job gewesen und nicht nur ein Probeschießen im Hinterhof.“
„Mann, das ist aber echt zu blöd, sorry, Mann. Ich gucke es mir gleich mal an. Kannst natürlich Ersatz mitnehmen. Äh...“, machte der Waffenhändler und legte nachdenklich den Kopf schief.
„Was guckst du so scheel, Cemal?“
„Sag mal, Alois, ist dir in letzter Zeit öfter mal was kaputt gegangen?“
„Keine Ahnung, wovon du redest.“
„Na, zum Beispiel der Kaffeeautomat, der immer erst das Getränk rausgibt und dann den Becher? Oder ein Türchip, der dich als einen längst Verstorbenen ausweist? So was? Hm?“
„Herrschaftszeiten! Cemal, jetzt wo du es sagst, ja allerdings. Seit kurzem ist das schon hin und wieder vorgekommen. Nicht ständig, aber schon auffällig oft.“
„Deine Implantate, die sind aber in Ordnung, oder?“
„Einwandfrei.“
„Alter, ich will dich echt nicht verärgern, aber ich glaube, du löst Fehlfunktionen aus.“
„Was? Aber bisher doch nicht. Wieso jetzt auf einmal?“
„Keine Ahnung, Mann. Könnte an deinen Implantaten liegen. Da solltest du mal beim Hersteller prüfen lassen, ob die eine ungewöhnliche Frequenz belegen. Jedenfalls denke ich, du bist besser beraten mit einer alten Waffe, die solche Schnitzer nicht zulässt. Nichts Automatisches.“
„Und an was hättest du da so gedacht? Keulen? Bin ich ein Höhlenbewohner oder was? Ich bin ein hochtechnisierter Troll, Angehöriger der überlegenen Rasse!“
„Tut mir leid, Mann, ich wollte dir echt nicht zu nahe treten.“
„Schon recht. Also, was hast du denn so für antike Waffen?“
„Ähm, ich trau es mich kaum zu sagen.“
„Sag schon.“
„Messer und einen Schlagstock?“
„Ach, verdammt. Nehme ich, was bleibt mir anderes übrig. Und besorg mir einen Bogen.”
„Ein Bogen in Übergröße, geht klar. Kostet aber einiges.“
„Cemal, wann ich meinen Job nicht machen kann, weil mir deine Dreckswaffen um die Cyber-Ohren fliegen, was glaubst du, wen ich dann zur Rechenschaft ziehen werde, was?“
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