Gefahr einer erneuten Gewaltherrschaft? Wohl kaum.
Viele Faktoren müssen zusammenkommen, damit der Nährboden entsteht, der eine Diktatur gedeihen lässt. Davon sind wir weit entfernt, die heutige Bundesrepublik ist nicht vergleichbar mit der Weimarer Republik.
Die Deutschen dachten damals trotz wirtschaftlichem und politischem Chaos nicht an Krieg und Gewaltherrschaft, obwohl Hitler seine Pläne in „Mein Kampf“ veröffentlicht hatte.
Man nahm ihn nicht ernst.
Viele Bürger meinen heute, die Aufbereitung der NS Zeit sei abgeschlossen, wobei vielleicht diese erst jetzt mit großem zeitlichen Abstand umfassend möglich ist!
So etwas passiert nie wieder!
Was eigentlich?
Ist heutzutage jedem klar und bewusst, was damals geschehen ist – und warum? Und wie das Erstarken radikaler Kräfte in Zeiten der Krise vermieden werden kann?
Da es zu den genannten Entwicklungen kommt, darf dies bezweifelt werden. Es ist zunächst unerheblich, welche Ideologie hinter der Gewalt steht, und ob sie von innen oder von außen kommt.
Müssen sich Grausamkeiten der Geschichte immer wiederholen? Reicht es nicht, dass sich alle mit der Geschichte beschäftigen und erkennen, dass Gewalt und Krieg nie Lösung sind, sondern immer größtes Leid und Elend verursachen, die dunkelsten Seiten des Menschen aktivieren?
Aber so einfach ist das nicht.
In der heutigen sehr komplexen Zeit sind viele Menschen verunsichert. Sie haben das Gefühl, die vielfachen Einflüsse, die ihr Leben bestimmen, nicht mehr im Griff zu haben. Einige von ihnen machen denselben Fehler, der auch von früheren Generationen gemacht wurde. Wegen diffusen Existenzängsten sucht man sich einen Sündenbock und verfällt dem Hass. In den vergangenen Monaten richtete sich der Hass gegen Islamisten; und friedliche Muslime wurden sogleich mit in einen Topf geworfen.
Viele Menschen in Deutschland verstehen den Islam nicht. Statt sich mit dieser Kultur auseinander zu setzen, entwickeln sie lieber eine lähmende Angst.
Es sind sehr komplexe, vielschichtige und unübersichtliche Zeiten. Globale Einflüsse bestimmen unser Leben. Was tun?
Einfache Lösungen für schwierige gesellschaftliche Herausforderungen gibt es nicht. Erstaunlich, dass doch viele Menschen danach streben.
Ein Blick nach innen, ein Innehalten wäre ein Anfang.
Die Geschichte zeigt, dass raffinierte Manipulatoren Individuen und vor allem Massen in beliebige Richtungen steuern können. Insbesondere in Krisenzeiten! Dazu lieferte Hitler ausführliche Hinweise und ‚Techniken’. Es hilft aber der gesunde Menschenverstand, um dem Widerstand zu bieten. Ebenso die Verantwortung des Einzelnen für sich, seine Lieben und die Gesellschaft. Skrupellose Menschenfänger arbeiten nicht nur mit plumpen Parolen, sie versuchen das Unbewusste anzusprechen und Emotionen zu erzeugen. Gut, wenn man vorbereitet ist und seinen Standpunkt in einer gerechten und friedlichen Welt, die Hass und Ausgrenzung keine Chance bietet, gefestigt hat. Dann ist es unmöglich für einen Hetzer, das Böse zu aktivieren.
Man braucht eigentlich nur darüber nachzudenken.
Ein Massenmörder, der größte Verbrecher, der sich an der Menschheit vergangen hat, ein skrupelloser Diktator schrieb über seine Motive ein Buch, bevor er zuschlug.
Eine historische Rarität mit der sich ein jeder beschäftigen sollte.
Vorgeschichte - Das UnBuch
Wie kam ich zu „Mein Kampf“, dem UnBuch?
An einem wunderschönen Frühlingsmorgen vor vielen Jahren schlenderte ich über einen Flohmarkt irgendwo in Österreich. Ich erinnere mich nicht mehr, wo es war. Seltsamerweise ist mir der Geruch dieses Frühlingssamstages noch in der Nase, als wenn es gestern gewesen wäre. Die Geräusche des Marktes, die Farben der Waren, der Geschmack der frischen Luft, die Stimmen der Menschen, alles ist präsent. Aber der Ort bleibt wie gelöscht. Ein breiter Fluss ist mir im Gedächtnis geblieben. Es musste die Donau gewesen sein, wobei es sich nicht um Wien handelte. Es kommen viele Städte in Frage. Eigentlich ist der Ort unerheblich, aber irgendwie zermartert man sich gerne das Hirn, wenn einem einfache Begriffe nicht einfallen. Manchmal gehe ich dann das Alphabet durch und habe bei dem entsprechenden Anfangsbuchstaben eine Eingebung. Oder die Erinnerung kommt wieder, wenn man nicht mehr darüber grübelt. In diesem Fall funktioniert beides nicht. Wie gesagt, der Ort ist nicht das Entscheidende.
Ein typischer Flohmarkt, viel Ramsch, ein paar wirklich bemerkenswerte Antiquitäten, auch billige Jeans, wer weiß woher, wurden angeboten. Und Schallplatten! Schon längst hatte die CD die schwarzen Scheiben verdrängt, aber Liebhaber wollen nie auf den typischen Klang von in Vinyl gepresster Musik verzichten. Ich schaute mir die bunten Hüllen an. Alles war dabei, von Abba bis Zappa, und ich dachte wohlig an meine Jugend. Damals waren wir begeistert von den Bands, die in den Siebzigern Rockgeschichte schrieben.
„Mogst a Scheibn heern?“, fragte der Verkäufer in breitem Wienerisch. Er sah selbst aus wie aus den Siebzigern, lange Haare, buntes Hemd, Parka, Schlaghosen.
„I hob an Plottnspüiler und Strom hob i a!“ (Der Leser aus Wien möge mir diese Schreibweise verzeihen).
„Ja, gerne, spiel mal die von Uriah Heep.“
„Do, host an Headphone!“
Ich ließ mir die harten Klänge in den Kopf dröhnen. Mit einigem Gekratze zwar aber extrem cool.
„Danke, leider habe ich keinen Plattenspieler mehr.“
„Konn i Dir a verkaufn,“ war seine prompte Antwort.
„Nein danke, lass mal, bin mit den CDs ganz zufrieden.“
Heute habe ich wieder einen Plattenspieler.
Es waren die neunziger Jahre. Aus beruflichen Gründen lebte ich im schönen Wien. Ich wunderte mich jeden Tag mehr, wie sehr Österreich auch für einen Piefke Ausland war. Als ich in die Alpenrepublik kam, war ich von der Illusion beseelt, aufgrund zahlreicher Skiurlaube und der gemeinsamen deutschen Sprache auf alles vorbereitet zu sein. Weit gefehlt! Mit der Sprache konnte man zwar die Tageszeitungen verstehen, aber wenn der Einheimische es darauf anlegte, egal ob Wiener, Tiroler oder Kärntner, hatte man keine Chance. Aber meistens waren sie nett und höflich und bemühten sich, dass ich sie verstand. Dennoch waren sie irgendwie anders. Ich hatte das Gefühl, sie nahmen bei aller Melancholie das Leben leichter. Sie stießen niemanden vor den Kopf, gingen aber dennoch ihren eigenen Weg. Durchaus bewundernswert.
Ich schlenderte langsam weiter. Kaufte mir bei einer sehr alten Frau einen Kaffee aus der Thermoskanne und genoss die behagliche Atmosphäre des Flohmarktes.
Elektrogeräte aller Art für Küche, Werkstatt und Badezimmer interessierten mich nicht so sehr. Ebenso wenig die Klamotten. Bei den Möbeln sah es schon anders aus. Wunderschöne Schränke und Kommoden, gut erhalten, preislich eher am oberen Ende. Es war aber nicht der richtige Tag für einen Möbelkauf, dachte ich.
Dann erspähte ich mehrere Telefonapparate in verschiedenen Farben mit Wählscheibe und ein paar Schreibmaschinen. Schön nostalgisch, aber benutzen will man so etwas doch nicht mehr. Obwohl die Schreibmaschine heute eine Renaissance erleben soll. Da e-mails von jedem Verfassungsorgan beliebig mitgelesen werden, muss das gute alte Briefgeheimnis wieder her. Ein mit Schreibmaschine geschriebenes Dokument im verschlossenen Briefumschlag darf selbstverständlich nicht geöffnet werden. Da wäre die NSA ganz schön aufgeschmissen!
So ging ich weiter ohne Ziel, meinen Kaffee aus dem Pappbecher schlürfend und kam an einen Bücherstand. Alt lag neben fast neu. Taschenbuch neben Ledereinband. Romane, Erzählungen, Reiseführer, Koch- und Kinderbücher, Comics, die Bibel neben... was war das? Ein roter Einband, Format wie ein Gebetbuch, das ich noch aus meiner Kindheit als Messdiener kannte. Es war schon reichlich abgegriffen, die Ränder der Seiten vergilbt. In verblassten goldenen Lettern waren zwei Worte auf dem Einband zu lesen: Mein Kampf.
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