Als Augusta kurz die Toilette aufsuchen mußte, faßte Alder die Gelegenheit beim Schopf.
„Du weißt, wer sie ist und wo sie arbeitet?“fragte er Ethel, sicherheitshalber auf Griechisch.
„Du bist auch kein Unschuldsengel, Jack,“erinnerte Ethel ihn,„und sie tanzt nur noch.“
Er warf ihr einen schrägen Blick zu.
„Sieh mich nicht so an! Mit einem Etepetete-Dämchen könntest Du doch nichts anfangen.“
Alder war zu perplex, um noch etwas zu erwidern, bevor Augusta zurückkehrte.
„Würden Sie mir die Freude machen, mich bald einmal zu besuchen?“fragte er Augusta.
„Gern,“antwortete die.„Wäre ihnen übermorgen Recht?“
„Sicher,“antwortete er und grinste.„So habe ich noch Zeit zum Backen.“
„Das macht wohl besser Doug,“kommentierte Ethel trocken, und alle lachten. Bald darauf brach Alder dann wieder auf. Ethel brachte ihn zur Tür.
„Das hast Du extrem gut gemacht,“lächelte sie, als sie zurückkam. Augusta mußte lachen. Ethel hatte weiter Latein gesprochen und lachte jetzt mit.
„Glauben Sie, ich habe Chancen?“fragte Augusta jetzt.
„Bist Du Dir Deiner Wirkung auf Männer nicht mehr sicher?“fragte Ethel streng.
„Weiß nicht,“antwortete Augusta unsicher.
„Garantien gebe ich nicht,“meinte Ethel ernst,„aber er hat Dich eingeladen. Der Rest hängt an Dir.“Sie blickte Augusta eindringlich an.„Gefällt er Dir überhaupt?“
„Schon,“antwortete Augusta.„Immerhin hat er mich mit mehr Respekt behandelt, als alle vor ihm.“
„Eben,“lächelte Ethel.„Außerdem hat er noch drei respektable Brüder.“
„Danke,“sagte Augusta nur, und machte sich auf den Heimweg.
Ethel ging zum Kamin. Auf dem Sims stand ein Photo ihrer alten Freundin Cassandra Alder.
„Nun, Cassie,“meinte sie,„vielleicht bekommst Du doch noch Enkel.“
Joe Adams betrat die Bank nur zögerlich. Irgendwie fühlte er sich an solchen Orten immer sehr befangen. Was hatte er hier schon verloren?
„Guten Tag, junger Mann,“begrüßte ihn der Bankier, den Adams schon aus dem Laden kannte.„Womit kann ich dienen?“
Es war nur eine Floskel, aber sie verunsicherte den jungen Mann so, daß er nur ein geflüstertes „Hallo.“ herausbrachte. Dann kramte er sein Geld hervor und nahm allen Mut zusammen:„Ich möchte ein Konto eröffnen.“
„Eine kluge Entscheidung,“meinte Beddowes und zählte das Geld, immerhin sieben Dollar.
„Brauchen Sie auch Schecks?“fragte der Bankier. Adams schüttelte den Kopf.
„Vielleicht später,“murmelte Beddowes, füllte die Papiere aus, stellte ab und zu eine Frage und ließ Adams schließlich mehrmals unterschreiben, nachdem er dem jungen Mann genau erklärt hatte, worum es dabei ging. Am Ende bekam Adams ein Kontobuch und verließ die Bank wieder als Inhaber eines Kontos.
„Mein Bruder sieht aus, als habe er gerade ein Gespenst gesehen,“tönte es hinter ihm, als er wieder draußen war. Adams drehte sich um und sah in das Gesicht von Langes Ohr.
„Ich habe gerade ein Konto eröffnet,“berichtete Adams, als ob das alles erklärte.
„Mein Bruder hat klug gehandelt.“
„Und er fragte mich, ob ich Schecks bräuchte.“Adams wußte nicht, wie er das einordnen sollte.
Langes Ohr zuckte mit den Achseln:„Wir sind hier in Clearwater.“Als ob das alles erklärte.
„Gehst Du morgen zur Bürgerversammlung, Joe?“fragte Grand, ohne aufzublicken.
Adams mußte sich setzen. Er war noch nie auf so einer Versammlung gewesen. Manchmal hatte er seine Herrschaft dorthin gefahren und dann stundenlang auf sie gewartet. Nicht im Traum hätte er daran gedacht, selbst teilzunehmen.
„Darf ich denn überhaupt?“fragte er daher vorsichtig zurück.
„Du hast Dich doch beim Bürgermeister angemeldet, oder?“
„Ja, Sir.“
„Also bist Du nach den Regeln dieser gottgesegneten Stadt ihr Bürger.“Grands Ton war so bestimmt, daß Widerspruch ausgeschlossen war.
„Dann gehe ich hin,“antwortete Adams.
„Wenn Du da fertig bist, such‘ bitte das passende Schild für die Tür 'raus,“sagte Grand.„Ich gehe nämlich auch hin.“
Der nächste Nachmittag war sonnig mit ein paar Wolken. Adams und Grand stapften durch den etwa einen Fuß hohen Schnee zum Versammlungsort. Grand mußte seinen Angestellten förmlich durch die Tür schieben. Der junge Mann war starr vor Angst.
Drinnen saßen die meisten Leute schon auf ihren Plätzen. Adams erkannte Langes Ohr, der ihn auf einen Platz neben sich winkte. Als Adams saß, flüsterte der Rote:„Oder möchte mein Bruder lieber bei den Bleichgesichtern sitzen?“
Komische Frage, dachte Adams, aber wenn man es so sah. Er grinste.
An der Wand hing ein Plan, eine Karte von Clearwater. Auch wenn Adams keine Karten lesen konnte, so halfen ihm die Erklärungen des Bürgermeisters doch über die meisten Schwierigkeiten hinweg. Irgendwann hob er die Hand:„Warum das Nebengleis?“
Clayton sah den Frager kurz an. Ein Neuling.
„Dieses Gleis geht zur Mine, um die Erträge gleich vor Ort verladen zu können,“antwortete er.
Der junge Mann wurde mutiger.
„Darf ich?“
„Natürlich.“
Adams ging zur Karte und zeigte auf das Nebengleis.
„Die beiden Gleise liegen ca. 200 Yards auseinander,“fing er an,„was nicht viel ist. Wenn wir den Bahnhof in die stillgelegten Stollen verlegen, sparen wir Gleise und die Bahnhofsbauten.“
Adams atmete tief durch. Er war über sich selbst überrascht.
„Geht das, Ron,“fragte der Bürgermeister nur.
„Grundsätzlich ja,“antwortete Ron Alder,„und es könnte auch billiger sein.“
„Auf jeden Fall ist es wetterfest,“warf jemand ein.
„Und das Gleis liegt auf Fels,“setzte ein anderer hinzu.
„Das stimmt,“bestätigte Ron Alder,„aber wir müßten mindestens 2 Tunnel nach außen durchbrechen und einen stark erweitern. Ich muß das durchrechnen.“
„Wer ist dafür, daß Ron das rechnet, bevor wir einen endgültigen Entschluß fassen?“
Der Antrag des Bürgermeisters ging glatt durch. Die anderen Punkte waren schwieriger.
Als Adams wieder draußen war, klopfte ihm sein Chef auf die Schulter.
„Gut gemacht,“sagte er, als Myrna Jenkins weinend vorbeikam. Sie hatte drinnen gesessen, sich nicht beteiligt, war nur eine stumme Mahnung gewesen. Trotzdem: Einen Sheriff gab es auch diesmal nicht.
„Anscheinend hat man sich schon an Mary-Rose gewöhnt,“brummte Grand.
„Geht das immer so ab?“fragte Adams.
„Bei dem Thema? Immer genau so!“antwortete Grand.
Adams blickte Myrna nach.
‚Ein hübsches Mädchen,“dachte er,‚sogar mit Bauch.‘ Sofort rief er sich aber zur Ordnung. Das konnte nicht gutgehen.
Augusta rutschte unsicher auf ihrem Stuhl hin und her. Sie fühlte sich unwohl, obwohl sie wieder blendend aussah und alle vier Alders sich wie vollendete Gentlemen benahmen. Den Weg zur Ranch hatte sie mit einem Mietpferd auf dem einzigen Damensattel in Clearwater gemacht, und es war so leidlich gegangen. In ihrer Handtasche lag ein kleiner Revolver, den ihr ein Berufsspieler einmal als Pfand da gelassen hatte, um gleich darauf geteert und gefedert aus der Stadt gejagt zu werden. Immerhin hatte sie so eine Waffe.
Man sprach über dies und das, vermied die Peinlichkeiten. Irgendwann setzte Augusta sich ans Klavier und spielte ein paar Lieder. Leider nicht fehlerlos, aber sie hätte das Klavier an liebsten nicht mehr losgelassen.
Zu einer schicklichen Zeit verabschiedete Augusta sich. Jack Alder brachte sie zur Tür, half ihr aufs Pferd und küßte ihr die Hand. Dann ritt sie in die Dunkelheit hinaus. Heute Abend mußte sie tanzen, und sie wollte nicht zu spät sein.
Abends saß Jack Alder dann im Publikum und warf ihr eine Kußhand zu. In aller Öffentlichkeit! Die Leute schauten ihn entgeistert an, aber er scherte sich nicht darum. Auch Barney und die anderen Mädchen wechselten rätselhafte Blicke. Augusta bemerkte sie nicht.
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