Später wurde ich in zwei Runden auf Chemo in Tablettenform gesetzt. Das erste Mal von meinem Arzt für drei Wochen, glaube ich, danach fünf Wochen vom Urologen ordiniert. Mein Körper war in Aufruhr. Viel später suchte ich diesen Urologen auf und verlangte nach einer Erklärung, warum er mir diese Tabletten verschrieb. Er antwortete:„Blasenentzündung.“ Wonach ich ihn fragte:„Haben Sie damals bei mir eine Blasenentzündung diagnostiziert?“ Er schaute in meine Krankenakte hinein und wurde rot im Gesicht. Ich schüttelte den Kopf, stand auf und ging und habe ihn nie wieder gesehen.
Meine armen Nieren. Ich hatte keine Blasenentzündung, aber meine Nieren fingen an auszusetzen und zu schwächeln. Und vielleicht verstehst Du, wie sehr es mich immer noch aufwühlt, wenn ich daran denke, welch eine zusätzliche Belastung die Chemo für meine Nieren war.
Nach drei Wochen Tests in der Rheumaabteilung in Porz bekam ich die Diagnose „Rheumatisches Fieber“ als Folge von Fehlbehandlung, nachdem eine Riesenzyste auf dem linken Eierstock geplatzt war durch den Druck des Ausschabungsmessers und das hatte eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge, die wiederum auch nicht korrekt behandelt wurde.
Wie alle anderen reagierte auch ich erstmals mit Erleichterung, jetzt eine handgreifliche Diagnose zu haben. Was die Rheumatologie nicht begreifen konnte, war die Tatsache, daß der damalige verantwortliche Arzt des Krankenhauses mir nach dem Fehleingriff kein Penicillin gegeben hatte. Das wußten doch alle Mediziner, daß das ein „Muß“ ist. Diese versäumte Behandlung führte zu „Rheumatischem Fieber“, das zu lange unbehandelt war und aufgrund dessen soviel Schaden bei mir anrichtete.
Heute, ohne in vernebeltem Gehirnzustand zu sein, frage ich mich:„Wurde ich als „Testtier/Versuchskaninchen“ für dieses „Wundermittel“ benutzt? Meine Herzklappe hatte Schaden erlitten, und ich mußte immer Herztropfen bei mir haben. Aber wie der gute Rheumatologe sagte, müßte ich zuvor ein bombenstarkes Herz gehabt haben, welches das durchgestanden hat. Bloß habe ich ein Problem für den Rest meines Lebens bekommen und muß jetzt sehr aufpassen.
Dank Hilfe von dem berühmten Heiler Alexander, der mich mehrmals behandelte, habe ich nur noch ganz wenig Herzprobleme und trage auch keine Tropfen mehr mit mir herum. Auch meine gesenkte Nierenfunktion hat er stark verbessert.
Sommer 1989, es ist Ferienzeit. In dem letzten Telefongespräch mit meinem Schwiegervater, kurz vor der Abreise nach Dänemark, teilte er mir mit, daß er uns etwas sehr Wichtiges mitzuteilen hätte, wenn wir kämen. Auf der Fahrt redeten wir im Auto gespannt darüber, was es wohl sein könnte, weshalb er so geheimnisvoll war.
Wie immer hatte mein wohlvorbereiteter Schwiegervater schon den Kaffeetisch gedeckt, als wir bei seinem kleinen Haus ankamen.
Kaum hatten wir unseren Kaffee eingeschenkt bekommen, konnte er nicht länger warten und sagte sehr angespannt, daß er und eine frühere Nachbarin, eine uns bekannte, aber nicht sonderlich sympathische Frau, zusammen in ihr Haus ziehen würden. Wir waren aus zwei Gründen ziemlich verwundert: erstens hatten wir bis dato nichts in dieser Hinsicht erfahren, da er keinerlei Andeutung gemacht hatte trotz unseres engen Telefonkontakts; zweitens, warum ausgerechnet sie. Was sollten wir sagen, völlig überrumpelt: Es ist deine Entscheidung, dein Leben, wir wünschen dir viel Glück.
Wir waren zu diesem Punkt gelangt, als das Telefon klingelte. Die frühere Hofnachbarin, jetzt zukünftige Partnerin, teilte uns mit, daß der frühere Hof meiner Schwiegerfamilie brannte und die Feuerwehr schon unterwegs war.
Wir drei Erwachsenen liefen zum Auto und fuhren so schnell wir konnten dorthin.
Das Feuer war in den Außengebäuden ausgebrochen und hatte das Wohnhaus noch nicht erreicht. Feuerwehrleute hatten mehrere Löschschläuche im Gange. Einige waren damit beschäftigt Tiere, Schweine, aus den brennenden Gebäuden herauszuholen. So ergreifend traurig da zu stehen und zuzusehen, wie brennende Schweine herausliefen, umfielen und mit Wasser abgespritzt wurden. Es wurde ganz klar in meinem Kopf. Es war Schwiegermutter, die tobte. Das machte es für mich noch schlimmer. Was sollte ich bloß mit dieser nicht nur Vermutung machen; ich war mir sicher. Trotz Untersuchungen wurde die Brandursache nie herausgefunden.
Es war brutal zu sehen: schreiende, brennende Schweine. Einige fielen auf dem Hofplatz direkt tot um. Andere mußten sie von ihren Leiden erlösen und sie schnell töten. Dieses Bild vergesse ich nie!
Das Timing war das Entscheidende. In dem Moment wo mein Schwiegervater uns seine Entscheidung über seine neue Partnerin mitteilte, muß der Brand seinen Anfang gefunden haben. In der Landwirtschaft mit Stroh und Heu breitet sich ein Feuer schnell aus. Aber die fehlende Brandursache ist auch ein wichtiger Punkt.
Ich konnte lange niemandem erzählen, was ich so sicher spürte. Später tauchte dann noch ein zusätzlicher Beweis auf, der mir bestätigte, daß mein Gefühl richtig war.
Es war Herbst geworden und unser lieber Opa, mein Schwiegervater, wollte uns schon, wie lange vereinbart, besuchen. Nachdem er Witwer geworden war, kam er in kürzeren Abständen und blieb immer drei Wochen. Kurz vor der geplanten Reise, rief er an und fragte, ob es in Ordnung wäre, wenn er seine neue Partnerin für eine Woche mit zu uns bringen würde.
Nicht daß ich dazu Lust hatte, ganz ehrlich. Mein Leben war anstrengend und gesundheitlich ging es mir auch nicht gut. Aus diesem Grund vermittelte mir eine nette Freundin ein Au-Pair Mädchen, damit ich ein wenig Entlastung bekam.
Nach Feierabend kam mein Mann mit den zwei Gästen an, die er vom Bahnhof abgeholt hatte. Wir setzten uns sofort an den wohlgedeckten Tisch. Das bedeutet bei mir mit Blumen und Kerzen. Nach dem Essen wollten sie zur Ruhe gehen, da sie müde waren nach der langen Reise. Die drei Kinder wurden auch ins Bett gebracht und mein Ehemann saß unten vor dem Fernseher.
Lorena, unser mexikanisches Au-Pair Mädchen, 24 Jahre alt, half mir in der Küche alles aufzuräumen, und wir stellten uns danach an die kleine Theke, welche Küche vom Flur teilte, auf die Flurseite. Wir redeten wie immer über den Verlauf des Tages, woraufhin plötzlich die große Kupferpfanne in der Küche von der Wand hinunterknallte, nicht mehr als drei Meter von uns entfernt. Es „schwirrte“ und wir schauten uns schockiert an. Ich ging zu der Pfanne, sammelte sie auf und schaute nach dem Aufhängenagel.
Dieser Nagel, groß und kräftig, saß gut fest und zeigte wie sonst auch schräg nach oben. Wie war das möglich? Wir waren beide Augenzeugen und bekamen Angst. Sofort fühlte ich ohne den geringsten Zweifel zu haben, daß meine Schwiegermutter am Werk war. Lorena war sehr aufgewühlt. Wir wußten beide, daß es mit unserem nicht so willkommenen Gast zusammenhing. Man hält mich für eine gute Köchin, bin ja sozusagen in der Hotelküche aufgewachsen und habe alles von Schweine partieren bis hin zu Parfait Eis gelernt. Ebenfalls in der dänischen Kirche in Paris habe ich sonntags gekocht. Von zu Hause aus bin ich wohlerzogen worden, was Höflichkeit und Aufwartung betrifft und daß sich Gäste wohlfühlen sollen. Ich kochte besondere Gerichte und unternahm täglich Ausflüge. Möchte hier nicht über die bissigen Bemerkungen erzählen, die ich jeden Tag von unserem Gast zu hören bekam und schlucken mußte, dank meiner Höflichkeit als Gastgeberin.
Die ganze Woche war ein Alptraum. Jeden Tag ging etwas kaputt. Besonders die elektrischen Hilfsmittel: Staubsauger, Spülmaschine, ziemlich viel Geschirr und ich glaube auch, daß die Waschmaschine repariert werden mußte. Als das Wochenende vor der Tür stand, verließ Lorena unser Haus, um bei einem anderen Au-Pair zu übernachten, sodass sie von dem „Bösen“ wegkam, wie sie sagte. Sie hatte Angst zu bleiben.
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