Veit Beck
Fatebug
Tödliches Netzwerk
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Titel Veit Beck Fatebug Tödliches Netzwerk Dieses ebook wurde erstellt bei
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Impressum neobooks
Inmitten des Grauens stand Strecker grinsend in der Ecke. Obwohl er einen derartigen Tatort trotz seiner vielen Dienstjahre noch nicht gesehen hatte, konnte er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er konnte sich seinen jungen Kollegen, Max Lohr, lebhaft vorstellen, wie der sich vor der Tür die Seele aus dem Leib kotzte, mitleidig belächelt von den Beamten der Streife und der Spurensicherung. Vielleicht kam ja auch noch der Dienststellenleiter vorbei und konnte sich persönlich davon überzeugen, was er da für ein Weichei eingestellt hatte. Die Tat war grauenvoll genug, um großes Aufsehen zu erwecken. Da sollte sich der Verantwortliche schon ein Bild machen, bevor er von der Presse aufgerieben wird.
„Ich bin jetzt soweit fertig“, riss der Pathologe Dr. Marx Hauptkommissar Strecker aus seinen Gedanken. „Nein, ich kann ihnen noch nicht sagen, woran das Opfer letztlich gestorben ist. Sie haben die Leiche ja selbst schon gesehen. Da gibt es einfach zu viele Möglichkeiten. So einen Fall hatte ich noch nie. Und will ihn auch nicht mehr haben. Der Tod ist vor ca. 24 Stunden eingetreten. Mehr kann ich ihnen hoffentlich nach der Autopsie morgen sagen. Geben sie meinen Assistenten Bescheid, wenn sie die Leiche abtransportieren können. Ansonsten gehört sie jetzt erst einmal ihnen.“
Dann drehte Dr. Marx sich um und ging hinaus zu seinem Wagen.
„Einen schönen Abend noch“, knurrte Strecker hinter ihm her.
Er holte tief Luft und wollte sich gerade der Leiche zuwenden, als tatsächlich der Dienststellenleiter, Kriminalrat Brandt, zur Tür hereinkam. Er ging auf Strecker zu um ihn zu begrüßen, stoppte aber abrupt, als er die Leiche sah. Er schlug die Hände vor das Gesicht und stammelte ein „oh Gott“ oder Ähnliches. Kopfschüttelnd trat er noch näher an die Leiche heran und umrundete einmal den ganzen Tisch auf dem der Täter sein Opfer fixiert hatte.
„Das darf nie an die Presse. Wenn das rauskommt, haben wir für die ganze nächste Woche die Titelseiten aller Zeitungen sicher und Heerscharen von Reportern am Hals. An die damit verbundene Panik der Öffentlichkeit will ich gar nicht denken müssen. Also kein Wort zur Presse. Schweigen aus ermittlungstaktischen Gründen und auf eine baldige Pressekonferenz verweisen. Sorgen Sie dafür, dass das alle Anwesenden erfahren und sich tunlichst daran halten. Ich bekomme spätestens morgen Mittag einen Bericht. Lassen Sie sich von Frau Meier-Uhland einen Termin geben“.
Genauso wie er über den Anblick des Opfers die Begrüßung vergessen hatte, verschwand er grußlos in die Nacht.
Strecker atmete tief durch und trat einige Schritte näher an die Leiche heran. Mittlerweile hatten die Kollegen der Spurensicherung die Fundstelle mittels mehrerer auf Stativen befestigter Scheinwerfer gut ausgeleuchtet. Jetzt konnte er das ganze Grauen sehen. Er hatte Mühe den Brechreiz zu kontrollieren.
Um die Leiche würden sich die Pathologen kümmern. Gott sei Dank. Strecker konzentrierte sich auf den Raum.und den darin befindlichen Gegenständen. Womit auch immer der Mörder gearbeitet hatte, er hatte es nicht zurückgelassen. Einzig der Tisch, auf dem das Opfer mit vier Kabelbindern an Händen und Füßen fixiert war, war eindeutig als mit der Tat in Verbindung stehendes Objekt zu identifizieren. Es handelte sich um einen Metalltisch mit Rollen und Bügeln zum Schieben an den beiden schmalen Seiten. Theoretisch hätte die Tat auch an einem anderen Ort vollbracht und der Leichnam auf dem Tisch hereingerollt worden sein. Jedoch führte nur eine, aus vereinzelten Flecken bestehende, Blutspur von der Eingangstür zum Tisch beziehungsweise dem Blutsee von zirka zwei bis drei Metern Durchmesser, der den Tisch umgab. Zur zweiten Tür, die in den linken Nebenraum führte, gab es keine Spuren. Sie war verschlossen. An der hinteren Wand, außerhalb der Blutlache, stand ein Metallschrank, dessen Türen teilweise geöffnet waren. Er barg somit wahrscheinlich keine hilfreichen Geheimnisse mehr.
„Das war sicher einmal eine Art kleine Werkstatt“, murmelte Strecker vor sich hin. „Eine kleine Werkstatt in einem ziemlich verlassenen und heruntergekommenen Industrieareal. Hierhin kam niemand und wenn, dann mit wenig guten Absichten“.
„Draußen wartet noch der Zeuge, der die Leiche gefunden hat“, rief sein Kollege Lohr von der Tür aus in den Raum. „Wollen Sie noch mit ihm sprechen?“
„Nein, das können sie erledigen. Der wird sowieso nichts Wesentliches gesehen haben. Denken sie aber daran, ihn zu fragen, was ihn hierher getrieben hat und wann er davor das letzte Mal hier war“.
„Der hält mich wirklich für einen absoluten Anfänger“, dachte Max Lohr.
Wie zur Bestätigung gab ihm Strecker gleich noch weitere Empfehlungen für die nächsten Schritte. „Machen Sie ein Foto von dem Toten und gehen sie die Vermisstenanzeigen durch. Papiere, Kleidungstücke oder sonstige Dinge, die uns bei der Identifizierung helfen könnten, sind ja offensichtlich nicht vorhanden“, sagte er, unterstützt durch eine Kopfbewegung, die Lohr zu dem nackten Leichnam blicken ließ. „Und kein Wort und kein Bild an irgendjemanden außerhalb unseres Teams. Auch nicht an den Kriminalrat. Wenn sie etwas zu sagen haben, sagen sie es mir. Wir sehen uns morgen früh.“ Dann war er weg.
Lohr wagte sich nun zögerlich etwas näher an die Leiche heran. Sofort meldete sich die Übelkeit wieder, aber dieses Mal war nichts mehr vorhanden, was seinen Magen noch hätte verlassen können. So etwas hatte er sich nicht im Entferntesten vorstellen können. Es gab Aspekte an seinem Beruf, die er definitiv nicht brauchte. Er holte sein Mobiltelefon aus der Jackentasche und machte jeweils ein Foto vom Gesicht des Opfers, soweit dies erfassbar war und fotografierte anschließend noch den ganzen Körper. Zudem schätzte er die Größe und das Gewicht ab. Dann verließ auch er den Raum.
Draußen vor der Tür wartete immer noch der Zeuge. Die Befragung erbrachte die mageren, seitens Hauptkommissar Strecker bereits prognostizierten Erkenntnisse.
Der junge Mann gab an, einen Spaziergang gemacht und plötzlich Harndrang verspürt zu haben und vom Weg zur Halle gegangen zu sein, um sich an der Wand zu erleichtern. Dabei wäre ihm ein komischer Geruch aufgefallen, der aus der leicht geöffneten Tür herausgeströmt kam. Er hätte die Tür etwas weiter geöffnet, mit seinem Feuerzeug etwas Licht gemacht, den Körper entdeckt und sofort die Polizei angerufen. Nach einer knappen Viertelstunde wäre ein Streifenwagen gekommen, er hätte die Beamten auf die Tür hingewiesen und seitdem, wie von den Beamten gewünscht, hier gewartet.
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