1 ...7 8 9 11 12 13 ...54 „Er war bereits wegen Verrats verhaftet, soweit ich weiß,“ sagte Graf. „Euer neuer Präsident Nasini hat ihn wieder freigelassen.“
„Wieso?“
Graf zuckte mit den Schultern.
„Die Wege des Schicksals sind oft verworren, und ab und zu fehlen auch noch Kanaldeckel,“ antwortete er nur. „Was war mit deiner Schwangerschaft?“
„Ich habe das Kind bei einem Autounfall in Arequipa verloren.“
„Das tut mir leid!“ sagte Rupert Graf spontan, und Roxana war überzeugt, dass er das ehrlich meinte.
„Der Unfall hat mir eine Entscheidung abgenommen, die ich alleine nicht in der Lage gewesen wäre, zu fällen,“ antwortete Roxana. „Es war entsetzlich, ein Kind von Garcia auszutragen, das bei einer Vergewaltigung gezeugt worden war. Andererseits hätte ich mich niemals zu einer Abtreibung durchringen können. So war es wohl das beste.“
Rupert Graf sah sie eine Weile stumm an, und seine nächste Bemerkung ließ Roxanas Augen sich erneut mit Tränen füllen:
„Das kleine Wesen konnte schließlich nichts dazu, unter welchen Umständen es angefertigt worden war.“
Roxana Torreblanca nahm schnell einen Schluck Champagner, bevor Rupert Graf ihre Rührung feststellen konnte.
„Ich bin froh, dass meine Eltern und mein Bruder frei sind. Außerdem wird mein Bruder Vater. Die Tochter des Indios, der ihn aufgenommen hat, erwartet ein Baby. Meine Eltern sind hin- und hergerissen zwischen Entrüstung und Stolz. Mein Bruder ist erst neunzehn.“
„Ihr scheint ein recht fruchtbarer Verein zu sein!“ rief Rupert Graf fröhlich und hob erneut sein Glas. „Dann ist ja zumindest der Fortbestand der Familie Torreblanca gesichert!“
„Warum freut dich das so?“ wollte Roxana wissen.
„Na, damit ist wenigstens einer da, um die Schulden abzuarbeiten, die euer Land aufnimmt, damit mein Vertrag bezahlt werden kann!“
Roxana musste lachen. Doch dann fragte sie, wieder sehr ernst:
„Was fällt dir wegen Garcia ein?“
„Was soll mir zu dem Kerl einfallen?“ fragte Graf zurück.
„Wie kann man ihn überführen?“
„Zeig ihn an! Vergewaltigung, Amtsmissbrauch, was weiß ich, was es in eurem Land an Straftatbeständen gibt. Ich gebe dir nicht allzu viele Chancen. An deiner Stelle, wenn du ihn wirklich fertigmachen willst, gewinne sein Vertrauen zurück und lass dir erzählen, was er alles angestellt hat. Nimm es auf Band auf. Hinterlässt er Nachrichten auf deinem Handy? Überspiel´ die auf einen PC und sammele sie! Kennst du einen Menschen namens Enrique Pato?“
Roxana spürte, wie ihre Ohren heiß anliefen. Gott sei Dank trug sie ihr Haar offen! Graf fuhr fort:
„Wenn du ihn nicht kennst, stelle ich gern den Kontakt her. Er zumindest scheint dich zu kennen. Auch Pato hat ein Hühnchen mit Garcia zu rupfen. Tut euch zusammen! Macht ihn gemeinsam fertig!“
„Wie? Kannst du uns dabei helfen?“ Roxana hoffte, sie hätte damit offengelassen, ob sie Pato kannte.
„Garcia ist mir nur im Zusammenhang mit dir bewusst geworden. Während meiner Verhandlungen hier war er lästig, weil er oft irgendwo herumlungerte. Ich habe nie mit ihm gesprochen. Ich wüsste beim besten Willen nicht, wie ich euch helfen könnte!“
Einen Moment lang blickten sie einander stumm an.
„Rupert, ich bin eigentlich nicht hergekommen, um mit dir über Garcia zu sprechen. Darf ich die Nacht über hierbleiben?“
„Ich bin sehr müde. Die letzten Tage waren anstrengend. Ich fürchte, du wirst enttäuscht sein.“
„Ich wäre froh, wenn ich einfach bei dir liegen dürfte.“ Sie sah ihn hoffnungsvoll an.
„Gut,“ sagte Rupert Graf. „Ich zahle eben die Rechnung. Aber beschwere dich nicht, wenn ich schlafe wie ein Stein.“
„Du riechst wie Garcia,“ murmelte Roxana eine halbe Stunde später, als sie sich im Bett an seinen Rücken schmiegte.
„Wieso das?“ fragte Graf verwundert.
„Er roch immer nach einer bestimmten Seife oder einem bestimmten Parfum. Es ist jedoch ein eher weiblicher Duft. Ich glaube, seine Frau benutzt diese Seife, und er riecht danach.“
Rupert Graf schnüffelte an sich herum.
„Ich rieche nichts. Doch da ich weder mit Garcia noch mit seiner Frau je etwas zu tun hatte, kann das nur das Duschgel hier im Hotel sein. Ich habe, bevor du kamst, noch eine Dusche genommen. Oder soll ich nachsehen, ob er sich im Kleiderschrank versteckt hat? Soweit ich mich erinnere, ist er klein genug, um in einer Schublade Platz zu finden.“
Roxana musste kichern.
„Wenn, dann sollten wir ihn dort einschließen und verhungern lassen.“
Lima, 4. Oktober
Enrique Pato besaß inzwischen zwei Büros.
Eines hatte er im Gebäude der PIP, das andere im Präsidentenpalast an der Plaza de Armas. Auch wenn dort seine Ausstattung erheblich besser war als bei der PIP, hielt er sich lieber an seiner alten Arbeitsstätte auf. Einer der Hauptgründe hierfür war, dass dort sein Computer stand, den er fast so liebte, wie er eine Frau hätte lieben können. Üblicherweise ging er morgens in das PIP-Gebäude, verbrachte den Nachmittag im Palast, und fuhr abends in sein Büro in der PIP zurück, um seinen Rechner noch einmal abzufragen.
Im Palast hatte er nicht viel zu tun. Alle paar Tage musste er Nasini Bericht erstatten, aber dafür hätte er nicht das Büro dort benötigt.
Heute hatte Enrique Pato gleich mehrere Gründe, sich zu wundern.
Der erste Grund war ein Anruf Roxana Torreblancas, die um ein Treffen mit ihm bat. Sie verabredeten sich für den folgenden Montag zum Mittagessen.
Ebenso überrascht war er, als er den Anruf der Mutter von Charo Velasques erhielt, die sagte, sie würde sich sehr freuen, wenn er sie und Charos Vater einmal besuchen wollte. Beide seien sie sehr dankbar dafür, dass er Charo hatte so gut medizinisch betreuen lassen, auch wenn das Leben ihrer Tochter nicht hatte gerettet werden können. Auf jeden Fall wollten sie sich bei ihm bedanken und ihn zu einem Abendessen einladen.
Was Enrique Pato jedoch völlig verblüffte, war ein Anruf, geführt aus dem Haus von General Carlos Garcia.
Enrique Pato hatte, nachdem ihm Garcia damals ständig in die Quere gekommen war, dessen Privatanschluss an sein Abhörsystem angeschlossen. Niemals waren jedoch von diesem Anschluss Telefonate geführt worden, die auffällig gewesen wären. Das Telefon wurde mehr von den Kindern und von der Frau Garcias benutzt. Um die Kontrolle zu vereinfachen, hatte Pato eine Reihe von Begriffen in den Computer eingegeben, die dafür sorgten, dass lediglich das Gespräch aufgezeichnet wurde, in dem eines dieser Worte genannt worden war. Dies geschah jedoch so gut wie nie. Zweimal war in Gesprächen einer der Suchbegriffe gefallen, aber das war schierer Zufall und hatte mit dem eigentlichen Anlass nichts zu tun gehabt. Ein Mal war der Name Roxanas gefallen, als die Frau Garcias gegenüber einer Freundin erwähnt hatte, sie vermute, ihr Mann sei so schlecht gelaunt, weil seine Gespielin ihn rausgeschmissen habe. Auf die Frage der Freundin an Garcias Frau, ob sie denn wisse, wer diese Liebschaft war, hatte Garcias Frau geantwortet: „Ich vermute, es ist seine Mitarbeiterin Roxana Torreblanca. Er hat sie mehrmals mit zu Veranstaltungen genommen.“
Bei der Nennung des Namens Roxana hatte der Rechner sich eingeschaltet.
Nachdem Garcias störende Rolle bei den Bemühungen um das Geschäft geringer geworden und nach der Festsetzung gemeinsam mit dem französischen Attaché völlig zum Erliegen gekommen war, hatte Enrique Pato schon ein paar mal daran gedacht, die Überwachung von Garcias Telefon gänzlich einzustellen. Nur, er hatte dies dann wieder vergessen. Da aber Garcia ohnehin in Kürze eine Dienstwohnung bekommen sollte, hätte sich dieses Problem von selbst erledigt.
Der Rechner hatte das heutige Gespräch automatisch aufgezeichnet und, dank des Sprachcomputers, bereits in ein jetzt auf Patos Tisch liegendes Protokoll ausgedruckt. Der Computer, immerhin nur eine Maschine, war in der Lage, das gesprochene Wort niederzuschreiben, und hierbei den Anrufer und den Angerufenen zu unterscheiden. Jeder Satz des Anrufers war zu Beginn mit einem großen F für Frage versehen, jeder Satz des Angerufenen mit einem A für Antwort. Außerdem druckte der Rechner die Nummer aus, die Garcias Wohnung angewählt hatte oder die von Garcias Wohnung aus angewählt worden war. Als besondere Draufgabe nannte der Rechner zudem noch den zu der Nummer gehörenden Namen des Anschlusses, soweit dieser dem Computer aus anderen überwachten Telefonaten bekannt war oder wenn Name und Nummer in der riesigen Zentraldatei der Anschlüsse, auf die Patos Rechner Zugriff hatte, gespeichert war.
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