Er schloss die Haustür hinter sich ab. Auf der Straße war es nicht kühl aber ein Wetter, das sich nicht entscheiden konnte. Eine Diva, es war warm doch sobald der Wind blies kroch ihm die Kälte in den Mantelkragen und fuhr den Rücken hinab. Wenn er ein Taxi brauchte, war natürlich keines in Sicht. Die Straßen waren wie ausgestorben und er musste bis zum Three Nuns Hotel an der U-Bahn Station Aldgate marschieren. Wo alle Londoner Taxichauffeure in einer langen Kolonne schwarzer Fahrzeuge vor dem erleuchteten Hotel versammelt schienen. Anstatt zu arbeiten, lümmelten sie im Inneren ihrer Autos und lasen in den Zeitungen. Minuten später fuhr das Taxi unter dem Blutmond über London durch den regen Stadtverkehr. Der Fahrer ein unrasierter Bursche dessen kratziger wallisischer Dialekt bei jedem zweiten seiner Worte durchklang hupte, drängelte schnitt und redete die ganze Zeit über das Rennen von Ascot, vom zweiten Lauf. Seine Platzwette hatte ihm 20 Pfund gebracht. Sie fuhren, der Fahrer schien es sehr eilig zu haben vom Osten der Stadt durch die City nach Westminster. Die Autoscheinwerfer schnitten sich kurz später durch die dunkelgrüne Stille, kultivierter Gartengestaltung, die den Regents Park zu einem der beliebtesten Parks der Stadt machten. Das Taxi fuhr auf der äußeren Ringstraße, über einen Pfad auf den Inner Circle zu Queen Marys Gardens, den am sorgfältigsten gepflegten Teil des Parks der vor vielen Jahrzehnten Queen Mary zum Ausreiten diente. Die hellen Flecken der Birkenbaumstämme am Wegrand leuchteten weiß auf, wenn die Autoscheinwerfer sie anstrahlten, als ertappte sie das Licht mitten in einer flüchtigen Bewegung. Das Taxi fuhr schnell die Pneus schossen rote Steinchen umher und die knirschenden Räder näherten sich dem Polizeikordon. Das Taxi hielt in der Nähe des großen Schwanenteiches rechts vom Ring grauer Basaltstatuen berühmter Engländer, die keiner mehr kannte bis auf Isaac Newton den Westmore der Kretin für Admiral Nelson gehalten hatte. Seine Statue beherrschten die Parklandschaft die 166 ha großen Grünflächen mitten in Westminster. Thomas kannte jede Ecke des Parks wusste aber nicht, was Dockland die Hafenpolizei also Inspector Westmore mit einem Park in Westminster am Hut hatte. Der Park und seine Leichen fielen in den Zuständigkeitsbereich der Westminster Polizei. Thomas lehnte sich auf der Rückbank nach vorne, gab dem Fahrer ein Pfund und stieg die Türe hinter sich laut zuknallend aus. Aufgebaute Scheinwerfer, betrieben von einem in einem Lieferwagen untergebrachten Dieselaggregat zeichneten viereckiges Licht zwischen Weg und Dickicht. Constables krochen mit ihren Stablampen in den Händen durch das Gebüsch neben dem Spazierweg. Vom Regents Kanal her, der Grenze des Parks drang das aufgeregte Gebell der Spürhunde. Thomas zählte allein hier mehr als ein Dutzend Männer in Uniformen, wer wusste, wie viele im Park verteilt waren, schien eine große Sache zu sein. Inspector Wilson der Head of CID Dockland trat durch den Polizeikordon auf ihn zu und tippte sich an die Krempe seines schwarzen Filzhutes. Thomas schüttelte dem Chiefinspector die Hand und versuchte die Angelegenheit die hier gerade vorging einzuschätzen. Es hatte mit der Sache vom Januar zu tun, sagte Westmore am Telefon. Er hatte seine Ermittlungen angestellt, die Parkbesucher befragt hatte sich auf die Lauer gelegt hatte die Westminster Constables nach Fällen von Tierquälerei gelöchert doch er konnte nicht das Geringste ermitteln, der Schwanenmörder war ihm unbekannt geblieben. Er sah hoch an den Himmel, an dem der blutrote Mond hing, als hätte ihn der Mörder zur Illuminierung seiner Tat dort hingehängt.
»Was ist los Wilson sind die Westminster Bullen mit der Leiche hier überfordert und haben ausgerechnet den größten Stümper der britischen Polizei zu Hilfe gerufen?«
Wilson schmunzelte mit den Augen und fluchte. »Der Head of CID Westminster, hat mir den Mordfall in die Akten geschmuggelt. Die haben hier vor zwei Stunden eine Frauenleiche gefunden«, sagte er. Der Chiefinspector deutete nach vorne: »Westmore wartet da hinten auf dich.«
Thomas nickte: »Das hier ist Westminster, was immer passiert ist, es ist nicht meine Sache. Ich bin hier, weil ich ein bescheuerter Philanthrop bin.«
Wilson sagte, um Thomas Lamento abzukürzen. »Eine Leiche und die gehört uns Kumpel, man ich liebe den Regents Kanal.« Er zog den Rotz hoch und spuckte aus. »Die Leiche lag innerhalb der verfickten zehn Meter des Ufergebietes.« Wilson klopfte Thomas auf die Schulter. »Am Kanal und damit Wasserpolizei! Es ist ja nicht so das Dockland nicht im verfickten Märchenland liegt und wir nicht genug mit unseren eigenen Leichen um die Ohren haben. Nein wir müssen überall hin, wo es verfluchtes Fließwasser gibt und uns jetzt auch noch um die Ufergebiete kümmern.«
Thomas machte das Gesicht eines Mannes, dem es egal war, er bedachte den Freund mit einem Lächeln, das so bedeutungslos war, dass es einen wütend machen konnte. Aber Wilson kannte den Blick. Wilson hätte denselben Blick im Gesicht gehabt, wenn er erleichtert mit einem Mordfall nichts zu tun haben brauchte. Mordfälle waren in seinen Augen in erster Linie zuerst Papierkram, Unmassen an Bestimmungen, Regeln, Vorschriften, Protokolle. Thomas trabte ihm hinterher durch die Reihe Polizisten.
»Da wären wir.«
Wilson wies mit einer einladenden Handbewegung zu dem Polizeiwagen vor dem roten Telefonhäuschen auf dessen Motorhaube Inspector Westmore ausgebreitet lag. Westmore sah aus als nehme er ein Sonnenbad. Er hielt eine Karte und wirkte so als könne er den Plan nicht lesen. Westmore schien mit sich und der kaputten Welt im Einklang zu sein. Die Erschöpfung zeigte sich einzig an den dunklen Schatten unter seinen Augen. Er war untersetzt und gebaut wie ein Ringer. Er trug einen zerknitterten Anzug und aus der Jackentasche schaute ein Flaschenhals heraus. Westmore sah aus, wie einer der Kerle die Polizisten jagen, er hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Ganoven als mit einem Inspector der Londoner Hafenpolizei. Die Ähnlichkeit mit einem der Gangster vom Hafen, Verbrechervisagen denen nichts heilig war beschränkte sich nicht nur auf die äußerlichen Gemeinsamkeiten. Das runde unrasierte stupide Gesicht oder die zu eng beieinanderstehenden blauen Augen oder seine Blumenkohlohren, der blonde Stoppelhaarschnitt. Westmore rauchte wie ein Schornstein im Winter. Rauchte, selbst wenn er irgendeiner Familie über einen Verlust zu informieren hatte. Paffte, stieß den blauen Qualm in den Flur der Trauerhäuser und sagte lapidar, tja Ihr Mann Misses der wird nicht mehr kommen, jetzt sind Sie eine Miss ich meine er ist tot, Verzeihung Miss. Schönen Tag noch. Westmore trank im Dienst auch jetzt lugte der Hals einer kleinen Flasche Hunters Mans Whisky aus seiner Anzugtasche. Er war ungehobelt war korrupt, er war aber ein richtig guter Bulle, wenn der Fall ihn berührte.
Westmores spöttische Augen richteten sich auf Thomas. Nachdem es ihm nicht gelang, den Plan zusammenzufalten zerknüllte er ihn, kletterte von der Motorhaube und warf das Papierknäuel durch das heruntergekurbelte Autofenster auf den Rücksitz und spuckte die Zigarettenkippe auf den Boden.
»Tut mir leid, Mister Woolfe«, log Westmore und kam auf Thomas zu gewatschelt. »Weil du an dieser Schwanensache dran warst Kumpel, ist was für dich. Sieh mich nicht an als hätte ich dir einen Korb gegeben!«, Westmore kniff Thomas in die Wange. »Eins und eins macht ... «, Westmore hob zwei Finger vor Thomas Augen. »Oder?«
Er deutete mit dem Kinn zum 10 Meter entfernten weißen Tuch, dass zwei Constables straff hielten, um die Leiche den Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen und hinter dem sich ein Pathologe zu schaffen machte. Das groteske Schattentheater hinter dem von starken Scheinwerfern angestrahlten weißen Tuch zeigte einen Mann, der über einem Körper hockte. Thomas blickte sich um. Eingehüllt in eine Decke, den Rücken gegen ein Hansom Cab ohne Pferde gelehnt stand ein junges Paar. Die Frau war niedlich der Mann hatte eine Allerwelts Visage, die er nach fünf Minuten vergessen würde. Der Kutscher, blass im Gesicht als hätte man ihm aus dem Kanal gefischt, stand mit einer Tasse in den Händen neben zwei Constables er schien unter Schock zu stehen. Er sah wirklich wegen den Schneidezähnen wie ein Biber aus. Thomas stieß einen Stoßseufzer aus, drehte die Augen hoch zum Blutmond.
Читать дальше