Eine Träne lief langsam über seine Wangen und er musste mit weiteren kämpfen.
„Als Mensch ging ich hinein, um Tage später unter enormen Schmerzen und als Monster dieses Haus wieder zu verlassen. Meine geliebte Familie habe ich erst Jahre später wiedergesehen. Doch dieser Anblick hat mir fast das Herz gebrochen. Aber seitdem ich nur noch mit Vampiren zu tun habe, kommt mir manchmal der Gedanke, dass ich ihn zwar dafür hasse, was er mit mir gemacht hat, aber auch, dass ich nie wieder das elende Schicksal der Sterblichkeit erleben will.“
Nachdem Angel einige Male tief durchgeatmet hatte, hatte er sich wieder so weit beruhigt um endlich einen Zug von seiner halb abgebrannten Zigarette zu nehmen. Nur um sie dann wieder zwischen Mittel und Zeigefinger der linken Hand ruhen zu lassen.
Nachdem er nicht noch einmal seine Gedanken laut äußern wollte, dachte er jetzt in sich hinein an das Mädchen.
Sie ist den weiten Weg aus Finnland hierhergekommen, um nach noch nicht mal einen einzigen Tag alles wieder hinzuwerfen.
Mit großen Worten sagte sie mir, dass sie einen Neuanfang im Vatikan wollte. Anscheinend wollte sie zwar wirklich einen Neuanfang, ihr war aber egal auf welche Art und Weise das passierte.
Mist, eigentlich hätte ich ihr nichts von den Vampirclubs erzählen dürfen, wenn die anderen Vampire das wüssten, wäre das mein Ende.
Es ist uns nämlich verboten, uns vor den Menschen zu offenbaren, oder gar andere Vampire oder deren Verstecke auszuplaudern. Aber dieses Mädchen, sie hatte mich mit ihren Gerede so wütend gemacht, dass ich es einfach ausspuckte ohne groß nachzudenken.
Sie spielte außerdem mit dem Tod indem sie mich auf Knien anbettelte, sie zu verwandeln und somit unsterblich zu machen.
Ich kenne solche Menschen zur genüge. Diejenigen, die uns nicht hassen oder verachten, wollen so sein wie wir und würden auch alles dafür tun, damit ihr Leben ewig währt.
Egal, das Mädchen war Geschichte. Sie würde unweigerlich, nachdem sie erfahren hätte, dass es uns wirklich gibt, ihren Tod entgegengehen. Wenn ich bedenke, dass sie noch nicht mal offiziell aufgenommen worden war, und somit gehörte sie also auch gar nicht wirklich zum Vatikan.
Nicoletta war zwar noch nicht tot und doch war es für ihn an der Zeit, diese flüchtige Begegnung zu vergessen.
Er drückte nun den aufgerauchten Stummel der Zigarette auf dem Geländer des Balkons aus, aber nur um sich gleich wieder eine neue anzuzünden.
Angel beschäftige aber immer noch eine bestimmte Frage: „Wieso habe ich mich nur so einfach als das, was ich bin, vor ihr enttarnt?“
Vielleicht war es ja Neugierde, weil er wissen wollte wie sie reagieren würde, oder er wollte sie nur testen, schließlich musste es einen Grund dafür geben, dass ihr alle den Rücken kehrten. Doch war der Grund nun erstmal egal, er musste das alles vergessen, es ging ihn nichts mehr an.
Man hatte ihn in der laufenden Woche für keinen Auftrag eingeteilt und diese freie Zeit musste er nutzen um sich mal richtig auszuruhen.
Schließlich war er auch gerade erst vor ein paar Tage von seinem Auftrag in Berlin zurückgekehrt, wo er die Welt von einem ihrer größten Monster befreit hatte.
Auch wenn er seine Arbeit gerne tat, gab es doch auch diese Zweifel in seinem Inneren und das Missfallen darüber, dass die Vampire in dieser kleinen Festung richtig ausgenutzt wurden. Seine Artgenossen waren zwar die Einzigen, die im Vatikan über alles Bescheid wussten und hatten demzufolge eine hohe Verantwortung zu tragen, aber zu welchem Preis, sie waren gezwungen ewig im Vatikan ihrer Arbeit nachzugehen.
Sie waren alle Mitglieder der Spezialeinheit „refugium angelorum“, sie ist aber auch schlechthin als die Rote Garde oder als die Monsterjägergarde bekannt. Doch trug diese Einheit noch einen weiten Namen, sie war die Blutgarde, welche allein dem Papst unterstellt war, aber auch selbst- und eigenständig agierten konnten.
Ihre Hauptaufgaben bestanden hauptsächlich darin, übernatürliche Wesen, welche sich mit ihren Missetaten in die Öffentlichkeit drängen, zu jagen, aufzuspüren und zu töten.
Die restlichen menschlichen Soldaten des Vatikan teilten sich weiter in verschiedene Einheiten ein, doch jede war der ranghöchsten Roten Garde untergeordnet.
Die Rote Garde war also die Einheit die am höchsten stand, während die Schweizer Garde diejenige war, die den niedrigsten Rang hatte.
Sie war die Einzige, die nicht nach Farben benannt worden war. Ihre Angehörigen hatten nur die eine Aufgabe und zwar den Papst unter Einsatz ihres eigenes Lebens zu beschützen.
Über ihr wiederum stand die Braune Garde, sie war für den Schutz aller Bewohner des Vatikan zuständig.
Danach folgte die Weiße Garde, sie war eine Armee, die außerhalb des Vatikan agierte, ihre Aufgabenbereiche waren es in Katastrophen- oder Kriegsgebieten im Namen Gottes beim Wiederaufbau zu helfen. Ein weiterer ihrer Bereiche war es, im Kriegsfall oder Ausnahmezustand die italienischen Streitkräfte, auch bezeichnet als Forze Armate Italiane, zu unterstützen.
Zu guter Letzt gab es noch die Schwarze Garde, sie waren eine speziell ausgebildete Einheit die die Blutgarde unterstützte. Diese Spezialeinheit, konnte auch mit entsprechenden Befehlen allein, also ohne die Vampire, agieren.
Nachdem Angel sich die Hierarchie des Vatikan noch einmal vor Augen geführt hatte, kehrte er in die Wirklichkeit zurück, doch hatte diese Ablenkung nichts genutzt, er musste immer wieder an alles Denken, was heute passiert war. Er versuchte die Tränen nicht wiederaufkommen zu lassen, aber es war zwecklos.
„So ein Mist! Wieso machen mich Worte mehr fertig als körperlicher Schmerz.“
Tom, der sich eigentlich mit den anderen in die Stadt geschlichen hatte, um dort seinen Spaß ohne die Spielverderbern vom Vatikan zu haben, hörte in der Dunkelheit nur ein leises Wimmern.
Er fragte sich, ob er es sich in seinem etwas angetrunkenen Zustand nur eingebildet hatte, doch dann vernahm er es erneut. Diesmal machte er sich so seine Gedanken, wer wohl so mies drauf war, dass er allein vor sich hinweinte.
Nachdem er den Ursprung des Geräusches gefunden hatte, machte er sich auf den Weg dorthin. Er sprang ohne Anstrengungen auf den Balkon des trauernden Vampirs.
Angel bemerkte ihn und wandte sich von ihm ab. Er versuchte mit einem Lachen seine Tränen zu verbergen. „Na, hattest du keine Lust mehr dich zu amüsieren. Ich nehme euch das übrigens krumm, dass ihr mich heute im Stich gelassen habt.“
Tomoyuki wollte seinen Freund nicht bloßstellen und tat unwissend.
„Aber du warst doch nicht allein, Mike war doch bei dir.“
Angel, der plötzlich nicht mehr wusste, wieso er überhaupt geweint hatte, antwortete gefasster als zuvor: „Der ist dann auch, allerdings erst später am Abend, verschwunden.“
Tom wollte aber nun doch wissen was in dem anderen Vampir vorging.
„Was ist passiert, du siehst echt fertig aus. Hat jemand etwas Hässliches zu dir gesagt, oder hat dir jemand wehgetan?“
Der Junge schüttelte den Kopf, ihm war das Thema sichtlich unangenehm, er wollte eigentlich nicht antworten, aber er wusste, dass das nichts helfen würde, Tom würde doch nicht locker lassen.
„Wieso interessiert dich das, du bist zwar schon seit 80 Jahren bei uns, aber grundlegend müsstest du mich doch abgrundtief hassen. Ich habe versucht dich zu töten und habe darüber hinaus noch dein gesamtes Leben zerstört.“
Tom stützte sich mit den Armen auf die Brüstung des Balkons und blickte nachdenklich in den Himmel.
„Du hast vielleicht versucht mich umzubringen, aber wie ich damals drauf war, habe ich das förmlich provoziert. Vielleicht hatte ich den Tod sogar verdient und das du mein Leben zerstört hast, stimmt auch nicht. Ich war damals allein und völlig verstört.“
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