Plötzlich schwieg sie und auch Angel erwiderte nichts, sondern dachte sich nur: Was die für Sorgen hat. Okay, es ist schon traurig, dass ihre Mutter tot ist und dass sie abhängig von Gras ist, aber der Rest ist doch nur Firlefanz. Die müsste mal unsere Probleme haben.
Es ist zwar schön, dass sie endlich den Mund hält, aber irgendwie ist sie so traurig, ich würde sie ja trösten, aber ich weiß nicht wie. Sie glaubt, dass sie alles verloren hat. Vielleicht stimmt das sogar. Eins muss man ihr aber zu gute halten: Sie hatte zwar Fehler gemacht, war aber mutig genug um sie sich einzugestehen. Allerdings leider zu stolz um sie zu bereinigen.
In diesem Saal voller Feiernder, auf dem der Papst mit einem Glas alkoholfreien Sekt mit einem seiner Berater anstieß, war die Stimmung ausgelassen. Die einzig dafür bestellten Musiker spielten einen fröhlichen Song der zum tanzen animieren sollte.
Auch wenn die Anderen die Musik genossen, war die Stille, die nun zwischen dem Mädchen und dem Vampir herrschte, so erdrückend, dass schließlich sie das von ihr hervorgerufene Schweigen selbst wieder brach.
„Wie heißt du eigentlich. Also ich bin Nicoletta und komme, wie ich schon gesagt habe, aus Finnland.“
Angel, der jetzt eigentlich Trauer und Tränen ihrerseits erwartete, antwortete schon leicht gelangweilt: „Ich bin Angel und komme aus Tokio. Ich schätze, wenn du jetzt hier bleibst, werden wir wohl Kollegen werden.“
Sie lächelte: „Das ist echt cool, du scheinst wirklich mal ein Kerl zu sein, der in Ordnung ist. Also ich gehe jetzt bald auf die Schwesternschule und mein Aufgabebereich nebenher ist noch das Waschen der Wäsche und Küchendienst und für was bist du eingeteilt, oder bist du wirklich ein Vollstrecker wie der Typ gesagt hat?“
Angel lächelte zurück: Sie will tatsächlich mit mir flirten, sie weiß noch nicht mal annähernd auf was sie sich bei mir einlässt.
„Ich bin Mitglied der Spezialeinheit und nebenbei bin ich noch beratend tätig.“
Nicoletta erschrak und ihre Nackenhaare sträubten sich.
„Ich habe schon von den anderen Nonnen gehört, dass es hier im Vatikan eine Spezialeinheit mit Vampiren und andere Monster gibt. Sag mir, du bist doch schon länger hier und du bist bestimmt auch in so einiges eingeweiht, ob es sie wirklich gibt? Die Vampire meine ich.“
Angel grinste und schüttelte mit dem Kopf.
„Ein paar Stunden erst hier und die Kleine will gleich alles wissen. Ja es stimmt, es gibt hier Vampire und andere Monster, wie du sie nennst, und ich bin einer davon.“
Das Mädchen staunte: „Du bist ein waschechter Vampir, aber du bist noch so verdammt jung.“
Der Junge wurde jetzt langsam flapsig.
„Was hat das Ganze denn damit zu tun wie alt ich aussehe. Wir sind ohnehin alle unsterblich, da spielt das Alter doch keine Rolle. Außerdem bin ich schon über hundert Jahre alt, also nicht mehr so jung.“
Das junge Mädchen, hörte gar nicht mehr richtig zu, denn seit dem Moment als Angel sich als das geoutet hatte was er war, musste sie unaufhörlich, an ihren größten Wunsch denken. Diesen teilte sie der begehrten Person auch gleich mit.
„Ich träumte schon lange davon, wie es wäre unsterblich zu sein und ewig zu leben, doch bis jetzt hielt ich das nur für den unerfüllbaren Traum eines kleinen Kindes. Doch er könnte noch heute wahr werden, wenn du ein hundertjähriger Vampir bist, ist es für dich doch kein Problem, Andere zu erschaffen, die so sind wie du. Erfülle mir meinen Wunsch und mach mich zu einer deinesgleichen.“
Sie kniete sich vorsichtig vor ihm hin, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen und begann zu flehen. „Bitte, bitte ich tue alles was du von mir verlangst. Verwandle mich!!“
Währenddessen hefteten sich nun alle Blicke der Anwesenden auf das eigenartige Schauspiel.
Der Vampir, dem das Geschehen anwiderte, sah sie jetzt nur noch mit einen abfälligen Blick von oben herab an und wurde wütend.
„Steh wieder auf und lass den Mist. Ich würde niemals jemanden verwandeln. Wieso sollte ich denn dann ausgerechnet dich verwandeln und wieso um Himmelswillen, willst du überhaupt ein Vampir werden? Gerade heulst du hier noch rum, dass dein Leben ein einziges Desaster ist und jetzt willst du, dass dieses auch noch ewig andauert!“
Sie kniete immer noch vor dem jungen Mann, ohne sich darum zu scheren, dass sie von allen unverhohlen angestarrt wurde.
„Du musst das auch nicht verstehen. Ja, ich hasse mein Leben, besonders weil ich mich so einsam und missverstanden fühle, aber ganz ehrlich. Ich habe mehr Angst vor dem mich zu erwartetenden Tod als vor der Einsamkeit. Glaube mir, ich würde alles tun um zu bekommen, was du hast.“
Der Junge setzte nun ein teuflisches Lächeln auf und kniete sich vor ihr auf den weißen Marmorboden. Er nahm ihr Kinn in seine linke behandschuhte Hand und zwang sie, in seine strahlenden blauen Augen zu blicken.
„Wenn du ein Monster werden willst, dann geh in irgendeine größere Stadt. Suche dann einen Club, der nach einem übernatürliches Wesen benannt wurde. An so einem Ort findest du andere Vampire, die dir das geben, was du hier von niemanden erhalten wirst. Dort hast du bestimmt auch das Glück, dass jemand auf dein Angebot eingeht. Du hast jetzt sowieso wieder genug Zeit, weil ich dich nämlich ganz eigenmächtig rauswerfe. So etwas wie dich, der nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist, hat im Dienst der Kirche nichts zu suchen.“
Sie stand auf und zog sich die Nonnenhaube vom Kopf: „Wenn ich dort unsterblich werden kann, ist es mir egal, ob ich hier arbeite oder nicht. Sobald ich einer von euch bin, kann ich doch ohnehin alles tun wonach mir ist. Zeit habe ich dann auch genug. Der Tod wird mich niemals ereilen und ich werde ewig jung sein.“
Angel erwiderte nichts mehr darauf, er schüttelte nur noch angewidert den Kopf und lief wortlos an ihr vorbei. Allerdings konnte er sich schließlich einen bestimmten Kommentar doch nicht verkneifen. „Du bist einfach nur erbärmlich.“
Der Vampir verließ nun endgültig die Feier, wo er nun nachdem Mike verschwunden war, der einzige Vampir war.
Der junge Mann ging einen fast endlosen Gang, der mit rotem Samtteppich bespannt war, entlang um auf sein Zimmer zu gelangen.
Dort angekommen entledigte er sich seines schwarzen Anzuges und des weißen Hemdes, welches er bis eben noch getragen hatte, um sich eine bequeme Jeans und ein weißes Shirt und eine graue Stoffweste anzuziehen.
Nachdem das erledigt war, begab er sich auf seinen Balkon und zog eine Zigarette aus der Schachtel, die er in der linken Tasche seiner Jeanshose trug, und steckte sie sich in den Mund.
Er knöpfte die Stoffweste zu und zog aus der selben Tasche der Jeans ein silbernes Sturmfeuerzeug mit dem eingravierten Wappen seiner Familien, einem dreiköpfigen Hund, welcher dem Höllenhund ähnelte, ließ es aufschnappen und zündete seine Zigarette an.
Während er sie in der linken Hand, zwischen Mittel- und Zeigefinger ruhen ließ, begann er zu lachen wie ein Geisteskranker.
„Ich würde alles darum geben, wieder ein Mensch zu sein und die, die will ein Vampir werden. Ich wollte niemals so werden, wie ich jetzt bin. Das ich jetzt ein Monster bin, ist nur die Schuld von Salomone. Ich hasse ihn dafür, was er mir angetan hat, irgendwann wird er dafür bezahlen, was er mir angetan hat, das schwöre ich.“
Er sah sich den dunkel geworden Nachthimmel und die darin hängenden leuchtenden Sterne an.
„Wenn ich nur an den Tag zurückdenke, an dem ich das geworden bin, was ich bin. Ich wollte nur in einem Club etwas trinken und vielleicht mit einem hübschen Mädchen etwas Spaß haben. Das hatte ich dann auch, aber dann entschied ich mich dummerweise in meinem angetrunkenen Zustand dafür, in einem vermeintlichen Hotel zu übernachten, weil ich mich für nicht mehr fähig hielt allein nach Hause zu kommen.“
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