1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 „ Das ist die Berliner Luft Luft Luft,?
so mit ihrem holden Duft Duft Duft,
wo nur selten was verpufft pufft pufft ...“
Das muß noch zu Zeiten vor der Motorisierung geschrieben worden sein. Einen holden Duft stelle ich mir anders vor, als diesen Trabi-Gestank. Das spüre ich wohl als Hamburger ganz besonders. Bei uns treibt der Wind den blauen Dunst schnell von mir weg. Hier scheinen sie wirklich immun zu sein gegen diesen blauen Qualm. Hier am Alex bin erst mal weg von diesen Trabiwolken. Ich stand kurz vor einer Kotzattacke. Nun sitze ich hier und fühle mich gerade voll im Arsch. Und dann dieses Grau überall, davon wird mir gerade auch nicht besser. Schade, der Alex ist echt traurig anzuschauen. Hier ist Beton allgegenwärtig. Das MZG am Bahnhof Alexanderplatz heißt soviel wie Marathon-Zech-Garage und ist zum Abfüttern des Publikums gedacht. Danach ist mir aber jetzt nicht zumute. Zum Glück erhole mich doch recht schnell und weiter geht’s. Ohne Pause zieht es mich auf meiner Entdeckungstour weiter und zwar in Richtung des total neu renovierten Nikolaiviertels. Dabei komme ich auch an dem wirklich imposanten Backsteinrathaus vorbei, eine Klasse für sich. Das Nikolaiviertel sollte wohl ein bißchen auf Nostalgie getrimmt werden. Ist aber gefällig anzuschauen, das Nikolaiviertel am Nußbaum. Hier fließt auch wieder die Spree, die sich am Nikolaiviertel entlang schlängelt und hier so eine Trachtenoptik wie in Amsterdam vorgaukelt. Nein, das ist jetzt gemein, das sieht hier echt toll aus. Mittendrin die Nikolaikirche umringt von schönen Geschäften, Bars, Kneipen und Cafe's. Kleine schnuckelige Läden, das Nikolaicafe, Gewürzläden und andere. Eine alte Wasserpumpe steht da nicht nur zur Zierde. Gut 2 m hoch, sie funktioniert sogar. Das sieht wirklich toll aus, so etwas Schönes muß man auch bei uns erst einmal suchen. Gleichzeitig ist hier auch ein Wohnungsbaukomplex entstanden. Die Wohnungen dürften hier einen außergewöhnlichen Standard haben. Wer hier wohl wohnen durfte? In dieser privilegierten Wohngegend werden sicher auch nur Parteiangehörige wohnen. Paßt schon, das Regierungsviertel in der Kurstraße/Werderscher Markt ist ganz in der Nähe. Bin überwältigt von diesem Kontrastensemble. Wunderschön und liebevoll aufgebaut ist dieses Viertel. Die schönen Wohnhäuser sind nicht höher als drei Stockwerke. Über den Mühlendamm drüber lande ich an der Spree. Auch hinter der Spree ein wirklich ansprechendes Neubauviertel. Ostberlin hat schon seinen ganz eigenen Reiz. Auch der Innenstadtbereich, wenn er auch komplett im Kontrast zu meinem bisher gesehenen steht. Hier an der Spree sind einige Grünanlagen und Ruhezonen, die zum Verweilen einladen. Hier steht auch die Parteihochschule. Ich setzte mich kurz auf eine Bank. Endlich mal frische Luft schnappen. Bin auch immer wieder von den künstlerisch gestalteten Plakaten beeindruckt. Vor allem darüber beeindruckt, wie scheinbar Banales zu Heldentaten hochstilisiert wird. Beim Hochhausbau wird von Taten, Leistungen und Erreichtem gesprochen. Die Worte Macht, Bauern und Arbeiter dürfen dabei natürlich nicht fehlen. So soll ja auch der Berliner Tierpark unter eindrucksvollstem Einsatz der Einwohner der Hauptstadt, vom nationalen Aufbauwerk aufgerufen und entstanden sein. Bis zu 1000 Aufbauhelfer an manchen Tagen gleichzeitig. Aufbauhelfer sind all diejenigen, die auf der Suche nach einer Wohnung sind und dafür freiwillige Arbeitsstunden, bzw. Aufbaustunden wie es im DDR-Jargon hieß, ableisten mußten. Ich spreche hier in Vergangenheitsform, weil ich keine Ahnung habe ob das immer noch passiert. Ich beobachte ältere Herrschaften, die mit ihrem Hund oder auch alleine spazieren gehen. In der Leipziger Straße in Berlin wohnt die Prominenz fällt mir ein. Habe ich mal gelesen. Mein Orientierungssinn soll mich wieder zur Mauer bringen. Viel zu kurz habe ich am Brandenburger Tor verweilt. Entlang der großen Leipziger Straße streife ich die Einkaufszentren ab. Gerade rast eine Polizeisirene an mir vorbei, ich meine natürlich ein Polizeiauto. Aber diese Polizeisirene hier in der DDR finde ich absolut cool. Dagegen hören sich unser Tatütata wie beschissen klingendes Playmobil an. Also das hier ist absolut nicht DDR-typisch. Ich hätte kaum vermutet solch modern gestylte Geschäfte hier zu sehen, schon gar nicht nach all dem was mir bisher heute so ins Auge stach. Ein wenig kreuz und quer streife ich so noch weiter, immer in die Richtung, die mich wieder zu den Linden führt. Ein gewaltiges Bau-Areal namens „Passage Friedrichsstraße“ erscheint plötzlich vor mir, hier wird eine Kaufhalle mit 60 Läden, 12 Gaststätten, 82 Wohnungen entstehen. Sollte früher ein Exquisit-Kaufhaus werden. So schlecht geht’s denen hier aber nicht, entfleucht es mir wieder mal scherzhaft. Hauptgebäude der Humboldt-Universität „Unter den Linden“. In diesem Haus lehrte schon Max Planck von 1889-1928. Zurück in der Friedrichsstraße stehe ich plötzlich vor einem Antiquitätengeschäft, welches wundervolle Porzellanskulpturen aus Meißen präsentiert. Ich konnte mich schon immer für Meißner Porzellan begeistern, und kann mich auch jetzt nicht sattsehen. Diese Barockfiguren mit diesen feinen Farbanstrichen müssen einfach begeistern. Für die Rock- und Armbereiche wird echter Tüll verwendet, in flüssigem Porzellan getaucht und später ausgebrannt. Ich erfahre im Geschäft, daß es nur DDR-Bürgern vorbehalten ist, Kunstgegenstände zu erwerben und nur Dienstags und Donnerstags neue Stücke eingekauft werden. Mit dem ersten Punkt kann ich gut umgehen, denn das wäre ja mal etwas Neues wenn ausgerechnet DDR-Bürger bevorzugt werden. Frag mich nur wer diese DDR_Bürger sein sollen, die sich das hier leisten können. Mein Weg führt mich auf die Mohrenstraße. An einem U-Bahnschacht komme ich schon der Neugier wegen nicht vorbei, ohne einmal in die Station reinzuschauen. Eine Bahn in ihrem typisch weißroten Anstrich steht zum Abfahren bereit. Sieht ja wie bei uns aus. Ein bißchen dunkler alles. Was mich dabei am meisten wundert ist der Stationsname. Warum heißt die Station nicht Mohrenstraße? Die U-Bahnstation in der Mohrenstraße heißt nämlich „Otto-Grothewohl-Straße“, die gibt es aber, glaube ich zumindest überhaupt nicht. Es gibt auch eine Mauerstraße und die steht auch nicht an der Mauer könnte man mir jetzt spitzfindig entgegnen. Sehr bedeutungsschwangerer Straßenname, zumal die tatsächliche Mauer gerade mal, na ja, sagen wir zweihundert Meter entfernt ist. Also ab in die Mauerstraße. Die Mauerstraße ist mal eine literarische gewesen, in der haben schon Heinrich Kleist und Heinrich Heine gelebt. Das Ministerium für Inneres, welches ich für die Stasi-Zentrale hielt, weil es so ehrfurchtsvoll dreinschaut, liegt auch in dieser Straße. Überall Kameras, Spiegel und Antennen. Auch besondere Kennzeichen besitzen die meisten parkenden Autos. Aber das Gebäude ist gewaltig in seinen Ausmaßen, gewaltig grau vor allem. Ich habe Checkpoint-Charly noch von der Westseite in Erinnerung, schaue es mir kurz von Höhe der Mauerstraße an. Ich bin des Laufens etwas müde geworden, und will mich endlich mal ausruhen. Am Liebsten mitten auf dem Todesstreifen. Ich finde, der Todesstreifen sollte schon allein wegen der durch Schüsse Gestorbenen als Gedenkstätte erhalten bleiben. Ich stelle mir vor, der ist weg, und Häuser werden drauf gebaut. Allein der Gedanke erschreckt mich. So etwas muß einfach als Mahnmal erhalten bleiben. Andererseits, das Gegenargument könnte ich auch verstehen. Bloß alles schnell vergessen. Unter Umständen wird es wirklich mal eine Streitfrage. Vom westlichen Ende der Mohrenstraße trennt mich zum Todesstreifen auch eine riesige Baustelle auf der im Zeitlupentempo gearbeitet wird. Das sieht wirklich komisch aus, ich muß mir direkt wieder die Augen reiben, ob mich die Trabiwolken nicht tatsächlich ein bißchen benebelt haben oder ob die da so einen Wettbewerb veranstalten, wer sich zu schnell bewegt hat verloren. Wollen die überhaupt mal fertig werden? Ich staune wieder über diese imposante Breite des Todesstreifens auf dem einem das Seelenleben dieses ehemals so falschen Systems direkt zu Füssen liegt. Die Zeit vergeht aber ganz schön schnell, muß ich gerade bemerken. 17 Uhr haben wir's schon. Und zu regnen fängt es auch wieder an. Schon ganz schön dunkel. Aber was erwarte ich, es ist gerade mal Anfang Februar. Der Trubel am Brandenburger Tor hat mich wieder. Carl Gotthard Langhans schuf das Brandenburger Tor zwischen 1788-91. Es galt als Friedenstor. Wie oft doch von Frieden die Rede ist und immer wieder schaffen wir Menschen das Gegenteil davon. Ich brauche unbedingt ein Stück Mauer. Vielleicht kann ich eines abstauben. Gern hätte ich eins in Handflächengröße. Da wird dermaßen rumgekloppt, daß die Fetzen fliegen. Nicht ganz ungefährlich, so ein Splitter kann auch mal ins Auge gehen. Ich entscheide mich für ein paar kleinere Stücke, die ich bruchsicher in Taschentücher einrolle und in eine leere Plastikfilmdose verfrachte. Nach meiner Uhr ist es noch zu früh, also genieße ich den Anblick dieser Mauerspechte noch eine Zeitlang. Ist das nun clever oder einfallslos? Ich kann mich weder für ja noch für nein entscheiden. Wem schaden die schon. Ein paar Künstler bauen etwas Eigenartiges dazu auf dem Boden. Ich verstehe es nicht. Mir fehlt die Muße mich darauf zu konzentrieren. In einem Geschäft, nahe des Nikolaiviertels, bemerkte ich eine sehr hübsche Verkäuferin die mir sehr gefiel. Die werde ich noch mal aufsuchen, genügend Zeit habe ich ja.
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