Jedenfalls kam sie neulich auf die glorreiche Idee, ich könne für mein in der Tat nicht ganz günstiges Hundefutter ruhig ein bisschen Einsatz zeigen. Tja, und hier bin ich nun. Wie gesagt: Tag auch.
Selbstverständlich schreibe ich diese Zeilen nicht selbst, aber das können Sie sich vermutlich denken. Ich habe es versucht, ehrlich, aber meine Feinmotorik ist wirklich nicht die beste, und bei meinem wilden Getapse auf der Tastatur kam nur unleserlicher Kram raus, den ich Ihnen lieber erspare. Also diktiere ich meine geistigen Ergüsse ab sofort Frauchen, die diesen kreativen Prozess selbst wohl etwas anders darstellen würde.
“Ich bin doch nicht deine Tippse”, würde sie vermutlich sagen und genervt die Augen gen Himmel verdrehen. Aber es ist nun mal, wie es ist, und ich finde ja, man muss zu seinen Lesern grundsätzlich ehrlich sein. Ich meine, wie sollen Sie denn Vertrauen zu mir aufbauen, wenn ich Ihnen gleich am Anfang eine faustdicke Lüge auftische? – Na, eben. Also: Ich diktiere, sie schreibt. Und wenn sie sich auf den Kopf stellt.
Womit wir auch schon bei einem für mich zentralen Thema wären: Die Machtverhältnisse bei uns zu Hause sind noch immer nicht völlig geklärt. Obwohl ich jetzt schon seit zwei Jahren bei ihr wohne und sie täglich vom Gegenteil überzeuge, hält Frauchen an der abwegigen Theorie fest, dass sie unter uns beiden der Chef sei. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel, damit Sie sich ein besseres Bild von der Lage machen können. Ich springe aufs Bett, mache es mir zwischen den Decken bequem und halte selig ein Schläfchen. Sie kommt rein, setzt eine strenge Miene auf, zeigt dann mit dem Zeigefinger auf den Boden und sagt: “Runter!” – Ich werfe ihr einen herablassenden Blick zu, der so viel heißt wie: „Pfff.“
Interessiert sie aber nicht. Sie bringt es fertig, fünf Minuten vorm Bett zu stehen und 20 Mal “Runter!” zu sagen, bis ich ihr den Gefallen tue – nur um zwei Minuten später wieder hochzuhüpfen. Ganz unter uns: Wo liegt da der Sinn? Wirklich, ich muss ihr noch beibringen, mich nicht ständig zu nerven.
Frauchen hat übrigens auch einen Mann, der bedeutend klüger ist als sie, weil er innerhalb weniger Tage nach meinem Einzug kapiert hat, dass ich von uns beiden den stärkeren Willen habe. Seither lässt er mich gewähren, was ihm immer wieder Ärger mit Frauchen einbringt. Ich rechne jeden Tag damit, dass sie ihn irgendwann zur Strafe auch vom Bett schmeißt.
Die einzige wirklich ernstzunehmende Autorität im Haus – außer mir, versteht sich – ist die Katze. Sie ist steinalt, ungefähr 200 oder so, und man sollte meinen, sie segne langsam mal das Zeitliche. Macht sie aber nicht. Stattdessen führt sie sich auf wie höchstens fünf und findet es ungeheuer spaßig, sich mindestens einmal pro Tag an mich heranzupirschen, auf mich zu springen und ihre Krallen in meinem Mops sei Dank dicken Fell zu versenken. Ich sage es Ihnen ehrlich, wie es ist: Katzen sind durch und durch bescheuert.
Mehr nächste Woche.
Mit mopsigen Grüßen,
Ihr Eddie

Tag auch.
Ehrlich, in so einem Hundeleben geht es manchmal ganz schön ungerecht zu. Am Anfang dachte ich ja noch, es sei völlig normal, dass bei so ziemlich allem, was hier im Haus irgendwie schiefgeht, grundsätzlich ich als Allererster vorwurfsvolle Blicke ernte.
In letzter Zeit allerdings häufen sich die Gelegenheiten, bei denen mir die Schuld in die nicht vorhandenen Schuhe geschoben wird, bevor die Rechtslage überhaupt eindeutig geklärt ist. – Neulich, zum Beispiel: Sonntag, Kaffeetrinken. Nachdem die versammelte Mannschaft ihren Kuchen genossen hatte – wohlgemerkt, ohne mir auch nur das kleinste Krümelchen abzugeben –, stand auf dem Wohnzimmertisch noch ein Schälchen mit einem wirklich winzigen, eigentlich kaum erwähnenswerten Rest Sahne. Frauchen und Herrchen machten sich also daran, das Geschirr abzuräumen und zu spülen. Und als sie Minuten später ins Wohnzimmer zurückkehrten, war das Sahne-Schälchen auf mysteriöse Weise leer.
Und nun raten Sie mal, wer dafür verantwortlich gemacht wurde? – Genau, ich hier. Für Frauchen und Herrchen war das eine glasklare Angelegenheit. Wenn Sahne verschwindet, kann offenbar nur der Mops dafür zuständig sein – keinen Schimmer, wieso.
Bei der Gelegenheit fiel mir ein, dass es einen ähnlichen Vorfall schon im vergangenen Herbst gegeben hatte – diesmal mit einer Schüssel, in der sich noch die Überreste einer süßen Quarkspeise befanden und die urplötzlich, wie durch Zauberhand, absolut leer und sauber war. Und auf wen wurde mit dem Finger gezeigt? – Natürlich wiederum auf mich. Eine Riesen-Gemeinheit, wenn Sie mich fragen.
Und dabei ist Essen, das sich völlig unerklärlich in Luft auflöst, noch nicht mal der einzige Bereich, bei dem ohne viel Federlesens ich beschuldigt werde: Fast immer, wenn hier im Haus irgendwas falsch läuft, spüre ich diese kritischen Blicke von Frauchen und Herrchen auf mir. Völlig egal, ob mal wieder eine Socke unauffindbar ist, ob Frauchens Gartenschuhe sich selbstständig gemacht haben oder ob eine Klo- oder Küchenrolle auf wundersame Weise explodiert ist – im Zweifel sind sich hier alle einig: Es kann nur Eddie gewesen sein.
Dabei ist die Beweisführung bei jedem einzelnen dieser Vorfälle total lückenhaft, wenn überhaupt vorhanden: Ohne Augenzeugenberichte oder vorherige Untersuchung des Tatorts auf mögliche Pfotenabdrücke werden Schuldzuweisungen ausgesprochen und harmlose Möpse als Täter abgestempelt.
Dabei wäre es ja zumindest theoretisch möglich, dass für jede der zahlreichen Taten, die mir bereits vorgeworfen wurden, in Wahrheit andere verantwortlich waren. Erstens bin ich hier im Haus schließlich nicht der einzige Vierbeiner. Wie Sie wissen, lebt unter unserem Dach auch noch Frau Kratzbürste. Und bekanntlich hat im Winter auch schon mal eine Maus bei uns Unterschlupf gesucht. Wer also sagt denn, dass nicht eine von denen hinter diesen unerklärlichen Vorfällen steckt? Immerhin könnte ja auch Frau Katze beispielsweise auf den Tisch gehüpft sein, um die Sahne auszuschlecken. Und wer weiß schon, ob es Frau Maus zwischendurch in ihrer Winter-Residenz nicht einfach ein bisschen kühl wurde, so dass sie sich ein Paar Socken stibitzt hat, um ihre Behausung zu dämmen? Mal ganz zu schweigen davon, dass wir in einem über 300 Jahre alten Haus leben, wo es ohne weiteres spuken könnte?!
Gut, man muss zugeben, dass es hin und wieder zu Situationen kommt, die – auf den ersten, flüchtigen Blick – kein richtig gutes Licht auf mich werfen. Zum Beispiel entstanden im nahen zeitlichen Zusammenhang sowohl mit dem Sahne- als auch mit dem Quarkspeisen-Vorfall Fotos von mir, auf denen ich jeweils verdächtig große Mengen einer, sagen wir mal, unidentifizierbaren weißen Masse im Gesicht hatte.
Sicher, das mag im ersten Moment irgendwie verdächtig wirken. Aber bitte: Wer will denn beweisen, dass es sich bei dem Zeug in meinem Gesicht um Sahne bzw. Quarkspeise handelte? Immerhin wäre es auch denkbar, dass ich an den in Frage stehenden Tagen gerade eben von einem Aufenthalt auf einer Mops-Wellnessfarm zurückgekehrt war, wo das Personal im Eifer des Gefechts vergessen hatte, die letzten Überreste der Feuchtigkeitsmaske aus meinem Gesicht zu entfernen, oder?
Und auch wenn in meinem Körbchen manchmal vereinzelte Socken oder ein Gartenschuh auftauchen – muss das automatisch heißen, dass ich die da reingelegt habe? Theoretisch könnte das schließlich jeder gewesen sein, oder? Möglicherweise sogar Frauchen oder Herrchen selbst. Schließlich, man möge mir verzeihen, werden die beiden auch nicht jünger und sind dann und wann ein bisschen vergesslich.
Читать дальше