„Pia, spinn nicht rum, es gibt so schöne Wohnungen, Du musst einfach intensiver suchen und Du wirst sie Dir schon schön machen und Dich wohlfühlen, wenn Du erst drin bist, Du bist doch so kreativ“, lautete Kirstens Antwort.
Also ging sie den Samstag darauf wieder mit der Tageszeitung unter dem Arm los auf Wohnungssuche. Wieder war eine der besichtigten Wohnung schlimmer als die andere. Sie wollte schon aufgeben. Die vorletzte Wohnung lag in einem 2 Familienhaus. Das Haus machte von außen einen sehr gepflegten Eindruck, überall standen blühende Stauden im Garten, es gefiel ihr sehr. Da ließe es sich schön wohnen. Also schellte sie und ein Mann öffnete die Tür. Er sah aus wie Mammas Liebling. Ungeküsst mit Hausschuhen und kleinkariertem Hemd. Und ungepflegter Halbglatze, die dringend einen Korrekturschnitt benötigte. Wie passte dieser Mann zu dem wundervollen Garten?
Der Mann sah an ihrem geblümten Kleid rauf und runter, so als ob er sie scannte. Ihr freundliches Lächeln verging ihr auf der Stelle. Mist dachte sie, hättest was Altes anziehen sollen und was Zugeknöpftes und nicht Dein schönes neues Kleid. Sie fühlte sich fast nackt. Aber jetzt war es zu spät.
„Komm rein, ich zeige Dir alles!“
Sie ging gemeinsam mit diesem Mann durch das Haus und ihr war angst und bange. Zuerst zeigte er ihr den Keller:
„Hier kannst Du Deine Waschmaschine hinstellen.“
Dann zeigte er auf die Wohnungstür im Erdgeschoss: „Das hier ist die Wohnung meiner Eltern, die ist jetzt frei. Meine Eltern sind vor kurzem gestorben und jetzt steht die Wohnung leer“, während der Vermieter das sagte, streichelte er ständig Pias Arm und lächelte sie selig an. Seine Augen sagten, ja, das Vögelchen will ich haben.
„Na“, meinte sie, „die Küche ist aber sehr klein.“
Er wirkte etwas beleidigt und mit feuchten Augen meinte er: „Also meine Mutter hat hier immer für uns drei gekocht, da müsste das für Dich auch reichen.“
Und dann versöhnlicher und schmeichelnd:
„ Ach ja, wenn ich Dir noch irgendetwas hier in der Wohnung reparieren oder verschönern soll, musst Du mir das nur sagen, ich mache so was sehr gerne. Ich kümmere sich auch sonst um alles, und wenn Du einen Hund haben möchtest, gehe ich mit ihm Gassi, wenn Du mal keine Zeit hast“, er schaute sie erwartungsvoll an. Nimm mich jetzt sofort, stand auf seiner Stirn.
Da sie nicht antwortete, redete er weiter. „Schau Dir diese tolle Terrasse an, da kannst Du Dich im Sommer nackt hinlegen, die ist von außen kaum einsehbar und ich gärtnere meist da hinten im Garten rum“. Er zeigte mit einer Handbewegung unbestimmt in den Garten hinaus, ja, es war ein sehr gepflegter Garten, wie mit einer Nagelschere geschnitten, er würde da ständig rumwerken.
Toll, dachte sie und dann lugt er durch die Büsche auf meine Terrasse, oder noch schlimmer, er schneidet die Eiben direkt an meiner Terrasse immer genau dann, wenn ich dort liege. Oder er kommt zufällig vorbei und zwingt mir ein Gespräch auf, oder zieht gleich bei mir mit ein, dann kann ich auch für ihn mit kochen. Gruselig.
Wieder sagte sie nichts.
„Mir gehört übrigens nicht nur dieses Haus und dieses Grundstück, ich habe noch ein Mehrfamilienhaus, die Straße runter, Du hättest es gut bei mir“, setzte er obendrauf.
„Ja, das hört sich gut an, ich melde mich bei Dir, ich werde die Wohnung wohl nehmen. Ich muss nur noch kurz darüber nachdenken“, log sie und war heilfroh, dass sie den Rückweg bis zu ihrem Auto schaffte.
Als sie endlich wieder im Auto saß, atmete sie tief ein und aus und lehnte den Kopf gegen das Lenkrad. Was hatte ihr Burkhard nur angetan. Warum musste sie sich eine Wohnung suchen. Konnte es nicht wieder so sein, wie früher?
Dann schaute sie sich auch noch die letzte Wohnung an, die sie in der Zeitung angekreuzt hatte, die war bei einem netten Ehepaar. Es war wieder ein Zweifamilienhaus mit gepflegtem Garten, die Vermieter wohnten unten. Die Frau war sofort richtig herzlich zu ihr und fürsorglich wie eine Mutter. Und diese Frau hatte so warme Augen.
Die Wohnung sah ganz nett aus, ein großes Wohnzimmer mit Essplatz, großen Fenstern und einer Küche mit schräger Decke und einem Dachfenster. Das Badezimmer hatte gewöhnungsbedürftige beige braune Fliesen mit Dekor, Trauerweiden im Winter ohne Blätter. Nun, das passte zu ihr. Sie fühlte sich wie eine Trauerweide im Winter. Ohne Blätter!
Die Vermieterin war so herzlich, Pia hätte sich so gerne für immer in ihre Arme fallen lassen, also sagte sie zu der Vermieterin, dass sie aus ihrem Haus raus müsste. Und zwar so schnell wie möglich. Die Vermieterin antwortete: „Wir machen die Wohnung ganz schnell für Sie fertig, das ist kein Problem, sie können hier jederzeit rein. Ich würde mich freuen, wenn so eine nette Frau unsere neue Mieterin würde.“
Also sagte Pia zu, sie war auch ziemlich unter Druck, weil ihr Frau Wittler ja mitgeteilt hatte, dass sie in ihrer jetzigen Situation nicht weiter therapiert würde und Kirsten wäre sauer auf sie, wenn sie wieder mal unfähig wäre, eine Wohnung zu finden. Die Wochen liefen rum. Die Beiden waren ihr einziger Halt, Pia klammerte sich an die Beiden.
Kirsten plante bereits Pias ganzen Auszug, Pia war bewegungslos, hilflos. Kirsten suchte einen Kleintransporter über einen Mietservice und sprach mit ihren Brüdern. Dann sagte Kirsten ihr, dass sie ihre Papiere zusammen suchen sollte, und ihre persönlichen Sachen einpacken sollte. Jetzt wo Pia endlich eine Wohnung gefunden hatte, in die sie auch sofort einziehen könnte, wollte Kirsten nicht mehr warten.
„Wann ist Burkhard denn unterwegs? “ fragte Kirsten.
„Du stellst Fragen! Das kann ich Dir nicht sagen, der verlässt unregelmäßig das Haus, zum Beispiel hat er übermorgen einen Termin“, war Pias Antwort. Sie zuckte mit den Schultern.
„Ok, dann ist übermorgen Dein Umzug, wir warten nicht länger.“ Kirsten klang bestimmt.
„ Übermorgen???? Kirsten, so schnell kann ich hier nicht weg, ich weiß überhaupt nicht, wie Du Dir das vorstellst! Meine ganzen Sachen?“
Pia hyperventilierte.
Kirsten bekam große Augen: „Willst Du das mit ihm ausdiskutieren? Willst Du mit ihm um jedes Teil kämpfen?“
„Nein, ich hätte keine Chance“, sagte Pia zerknirscht. Sie brauchte sich Burkhard nur vorzustellen, da wusste sie schon, wie so ein Gespräch endete.
„Hast Du Geld, Dir alles neu zu kaufen?“ jetzt wurde Kirsten wütend. Kirsten wollte, dass es endlich losging. Pia musste da raus. Kirstens Bauch grummelte und das sagte ihr, dass Pia irgendwie in Gefahr war, wenn sie länger bei Burkhard blieb. Pia sollte nicht länger nachdenken und womöglich einen Rückzieher machen.
„Nein“, antwortete Pia kleinlaut, „Du weißt doch, er hat mir alles weggenommen!“ „Willst Du mit ihm um das Haus kämpfen? Willst Du das Haus übernehmen?“ jetzt war Kirsten richtig genervt.
„Nein, Kirsten, Du hast ja Recht“. Ach könnte sie doch nur auf der Stelle tot umfallen, dann hätte sie Ruhe.
„Pia, bitte hör auf mich, rede nicht mit Burkhard über Deinen Auszug, oder gib ihm irgendwelche Zeichen, sei froh, wenn Du heil mit Deinen Sachen raus kommst! Wenn Du überhaupt Deine Sachen mitnehmen kannst. Er hat Dir doch schon Dein Geld weggenommen! Lass mich machen!“ Kirsten war mehr als besorgt.
Also bestellte Kirsten ihre drei Brüder und ein Auto für den übernächsten Tag zu Pias Haus und fragte, während sie Pia noch einmal dringend ins Gebet nahm:
„Hast Du alles zusammen? Du weißt, dass übermorgen der Termin ist!“ Pia schüttelte den Kopf, wie sollte sie das auch machen?
„Pia, hör mir zu, übermorgen musst Du alles zusammen haben, Du wirst nie wieder in das Haus zurückgehen können!“ Pia hörte den gesprochenen Worten nach, nie wieder??????? Kirsten schaute sie an, sie sah Pias Entsetzen, dann meinte sie aber nur mit eindringlichem Tonfall, „Pia, mach endlich, hör auf zu träumen!“
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