Vor allem kann ich diese Fähigkeit ja auch nicht einfach anknipsen oder ausschalten, sondern nur üben, um mich zu einem reinen Medium zu entwickeln. Die Übung betrifft sowohl die Hingabe als auch das Wissen – und schon wieder ist es da, das wissenschaftlich belegbare Wissen. Trotzdem spreche ich von dem „Wissen“, dass sich der Kanal nur auftut, wenn er nicht durch das Ego des Mediums blockiert wird. Ich stelle mir die Reinheit eines Mediums einfach wie einen Trichter vor, durch den weißes Pulver fließen soll. Ist noch blaues Ego-Pulver von mir selbst in diesem Trichter, verfärbt sich das weiße Pulver schlicht und ergreifend ganz unkontrolliert und die klare Botschaft wird blau verfärbt. Wenn ich mit Angst erzeugenden Durchsagen einem Kreis von Menschen begegne oder mein eigenes Wissen mit den Durchgaben aus dem Jenseits verwechsle, dann kann mich das ggf. nicht gleich in einen Konflikt bringen, mindestens aber ist es dann eine unangenehme Situation, die meine Disziplin braucht.
Aber wenn ich nun darüber nachdenke – mein liebes Tagebuch– dann bleibt immer noch die Frage, weshalb sich dieses „etwas“ mir anvertraut hat und mich nicht nur als Medium für Botschaften, sondern auch als Medium für Energien nutzt. Ich war bis zu dem HealingJam ein Mensch, der nie zuvor eine schamanische Ausbildung, ein mediales Seminar in bekannten spirituellen Universitäten o. ä. besucht hatte. Ich war ein Mensch, der einen großen Bogen um alles machte, was nicht wissenschaftlich beweisbar war. Für mich war diese Zeit der unfreiwilligen Berufung zunächst ungeheuer schwer. Ich wurde im Schlaf mit „Wissen“ wie durch einen Nürnberger Trichter „vollgestopft“ und bekam in einem solch atemberaubenden Tempo die Hinweise zur Selbstmeisterung, dass ich mir oft wünschte, eine Energie-Vollbremsung hinlegen zu können wie ein Formel 1-Fahrzeug, um den Input zu verzögern. Für mich schien eine solche Bremse der letzte Ausweg zu sein, um die Energien im Zaum halten zu können. Sie wirkten auf mich wie Wassertropfen bei einem Regenschauer, der ungebremst auf ausgedörrten Boden schlägt: Er schwemmt an manchen steilen Hängen den fruchtbaren Boden davon, bevor er später einsickern kann.
Ja, das ununterbrochene Üben erscheint mir noch heute die einzige Möglichkeit zu sein, frei und rein zu werden, um ein gut funktionierendes Instrument für diese neue Aufgabe sein zu können. Ich trainiere daher nahezu täglich meine Selbstmeisterung. Ich versuche in Demut und Hingabe zu leben und versuche mein Ego und meine Seele kennenzulernen, indem ich sie beachte. Eine Nichtbeachtung oder gar eine Verdrängung dieses inneren Anteils in mir wäre nicht sinnvoll, denn meiner Erfahrung nach ernährt sich das Ego im Schatten von der Nichtbeachtung und springt mir ausgerechnet dann ins Gesicht, wenn ich meine, dafür gerade keine Zeit zu haben. Mit ein wenig Ruhe fühle ich die Zeit sogar: „Deine Zeit verstreicht kontinuierlich. Nutze sie gut, denn sie wartet leider nicht auf Dich, sondern zieht unwiederbringlich weiter, wie auch die Sonne ohne Dein Zutun täglich auf und untergeht“.
Ich erinnere mich, dass mich einmal ein Arzt darauf aufmerksam machte, dass das Leben schneller an mir vorbeizieht, als ich auf einer Autobahn fahren kann. Das hatte ich lange nicht verstanden, heute begreife ich es langsam, weil ich mein Leben bewusst entschleunige. Ich kann den Moment nicht festhalten und sollte mir dessen bewusst sein, dass nur im Moment des „JETZT“ der wahre Moment steckt. Ich sollte mich nicht der Hektik hingeben und meinen, alle offenen Dinge so schnell wie möglich lösen zu müssen. Jeder kennt diese Aussage: „Gut Ding will Weile haben.“ Und einige kennen die analoge Bedeutung aus dem Zen-Gedanken: „Nach und nach werden die Dinge zur Ruhe kommen und ganz natürlich ihren Platz finden. Übe Dich in der Betrachtung“. Für mich sind daher Kinder oft die ehrlichsten Medien. Sie handeln in ihrer natürlichen Ruhe, kennen noch keinen Termindruck und scheren sich nicht um Dogmen und abgeschriebene Verhaltensweisen, sondern folgen ihrer Intuition. Für kleine Kinder, die in einer natürlichen und harmonischen Umgebung aufwachsen, sind streng hierarchische Systeme ziemlich fremd und sie orientieren sich an ihrem natürlichen Drang, die Welt zu entdecken und ihre gewonnenen Erkenntnisse in die weite Welt zu verströmen. Sie rufen z. B. unverblümt durch das feine Restaurant, dass sie sich gerade selbst auf den WC-Sitz gesetzt und den Hintern selbst abgewischt haben. Gut so! Ich könnte also als Erwachsener versuchen, die Welt wieder aus der Sicht eines Kindes zu sehen und vor Freude laut zu schreien und vor Traurigkeit laut zu weinen. Aber als Junge weiß ich, dass „ein Indianer keinen Schmerz kennt“ und nur Frauen weinen dürfen! Also geschieht es schon in der ersten Sequenz meiner neuen Betrachtungsweise, dass ich an die nächsten Grenzen stoße: Gedanken, Regeln, Gebote, Verbote, Muster. Ich versteckte sehr lange diesen Wunsch, einfach einmal alles fallen und alles künstliche Benehmen hinter mir zu lassen. Ich entdeckte auch, dass ich eigentlich nicht nur selbst die mediale Fähigkeit ausüben wollte, sondern ich fühlte mich auch kollektiv mit anderen verbunden und wollte einer möglichst breiten Masse einen Zugang dazu geben, weil das – von Einzelnen – meiner Meinung nach und völlig unnötig unter dem Mantel der Verschwiegenheit praktiziert wurde. Natürlich gab es auch in diesem „Beruf“ schwarze Schafe und so manche Person schien vom Pfad abgekommen und ließ sich von dem Verdienst beeindrucken, den diese Tätigkeit einbringen kann. Ich war mir zwar nicht sicher, wie ich mich selbst zu einer späteren Zeit erneut dem brisanten Thema materieller Reichtum stellen würde, aber zu diesem Zeitpunkt schien mir der einzige Indikator für den Erfolg die selbst eingeschätzte Qualität des Zugangs zu der eigenen medialen Fähigkeit zu sein. Ich betrachtete meine Gabe als Berufung und nicht als Beruf, es war für mich sozusagen ein Dienst für Menschen. Gleichzeitig hatte ich große Zweifel an Menschen, die Medialität als Beruf auf der Liste der schönsten Berufe auflisteten.
Liebes Tagebuch, liebes Papier, meinst Du nicht auch, dass diese Gabe bald für viele Menschen ein „Allgemeingut“ sein wird? Klar: eine Portion Selbstzweifel war auch in mir präsent. Ich dachte manchmal, keine besonderen Fähigkeiten zu haben und einfach nur ein Kind der Sonne und Mutter Natur zu sein. Ob ich damals bei dieser Selbsteinschätzung schon einem Gedankengut der Inkas fühlte oder nicht, ist jetzt gerade völlig nebensächlich, mein Tagebuch. Ich fühlte einfach, dass nicht ICH das Besondere war, sondern nur meine Einstellung das Außergewöhnliche zu sein schien. Nichts zu wollen, während ich aus dem reinen Herzen arbeitete und die harmonisch warme, heilende Energie einfach dorthin fließen ließ, wo sie hin wollte. Meiner Erfahrung nach bahnte sich diese Energie selbst ihren Weg und benötigte, im Gegensatz zu den Menschen, durch die sie fließt, keine Räucherstäbchen, keine Trance, keine Symbole oder Rituale. Lediglich die Kontrolle und das Bedürfnis nach Schutz gänzlich loszulassen, musste ich also üben. Wie lange? Nun, ich übe jeden Tag, uneingeschränkt offenherzig und völlig ohne Angst zu sein.
Für mich war diese Art von „Heilung“ wesentlich effektiver und vor allem ehrlicher. Je weniger ich mich in die Energie einmischte, desto klarer konnte sie wirken. Je weniger ich also selbst lenkte, aber die Chakren selbst mit Achtsamkeit belegte, desto stärker wurde deren natürlicher Fluss. Ich konnte gelegentlich das Ventil etwas regulieren und mit etwas mehr Loslassen von meinen Gedanken eine Komprimierung der Energie erreichen. Mein Gegenüber, welches sich entweder über das Telefon mit mir verbunden hatte oder physisch vor mir saß, nahm diese speziellen Schübe sehr stark wahr. Erst gestern wurde bei einem Treffen mit Geistheilern aus der englischen Tradition dieser Effekt mehrfach bestätigt und als enorme Wucht sogar aus mehreren Metern Entfernung wahrgenommen – nicht als störend, sondern als „watteweiche Energie“, die als sehr rein, aber auch eben sehr intensiv beschrieben wurde. Es war fast lustig für mich, dass in dem Moment, in dem sich ein enormer Brocken aus der Bauchgegend meines Gegenübers gelöst hatte und diese schwere Energie vom Boden des Zimmers aufgesogen wurde, die CD im Players streikte, der uns bis dahin wunderbare Entspannungsmusik geliefert hatte. Dieser Augenblick bildete zugleich das Ende der Behandlung. Die Musik hätte nur gestört, denn wir waren ja fertig! Welch wunderbares Zeichen für mich und auch für die von mir behandelte Person!
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