Durch die Urwälder am Südpol waren gigantische Mengen an Ablagerungen entstanden, die heute das größte Erdölvorkommen der Erde bildeten. Die Quelle, die sie jetzt angebohrt hatten, war größer als alle bisher erschlossenen zusammen. Damit verfügten die Firma, und ihre Aktionäre, über den Energiemarkt der zukünftigen Zivilisation der gesamten Erdbevölkerung der nächsten 200 Jahre, selbst, wenn jeder Chinese oder Inder, ein eignes Fahrzeug besitzen würde.
Somit verfügten die Investoren über die Macht, ganze Staaten zu dominieren. Wer also nicht spurte, bekam nicht die benötigte Energie für sein Land. Schon jetzt hatten sie die größte Menge an Erdöllagern weltweit gebaut, die jemals existiert hatte, und die Preise für Rohöl begannen schon stetig zu steigen.
Unbewusst halfen ihnen die Erdöl verarbeitenden Industrien, die ebenfalls kein Interesse an alternativen Energien hatten, sofern sie nicht selbst über die nötigen Patente verfügten, um daraus Gold zu pressen. Kein Land konnte riskieren, seine Wirtschaft im Alleingang energetisch umzustellen, da hohe Arbeitslosigkeit, und immense Staatsverschuldung drohten. Selbst ein Umdenken der reichen Staaten würde immer die Interessen der Energiemonopolisten berücksichtigen, da sonst der Machterhalt der jeweiligen Regierung stark gefährdet war.
Burton Miles wusste von diesen Dingen nicht viel. Er glaubte, dass die strenge Geheimhaltung notwendig war, um unliebsame Konkurrenten von den Fleischtöpfen weg zuhalten, die ihrerseits ebenfalls Anstrengungen unternahmen, in der Antarktis nach Bodenschätzen zu suchen. Er wollte auf jeden Fall zu den wissenschaftlichen Gewinnern gehören, und vielleicht sogar eines Tages auf die öffentliche Bühne zurückkehren, die er vor Jahren verlassen musste.
Offiziell war seine Bohrinsel eine Forschungsstation, die Studien zum Klimawandel durchführte. Er hatte aber ebenso, wie alle Kollegen der Antarktis, noch nie einen Besuch in einer der anderen Forschungsstationen gemacht, und so blieben die 2000 Wissenschaftler auf dem sechsten Kontinent unter sich, und teilten sich dabei eine Fläche, die eineinhalb Mal größer war, als ganz Europa.
Es war jetzt schon Mai, und in ein paar Wochen begann die Polarnacht. Dann war Palmerland, auf ihrem Breitengrad, für 29 Tage in eine tödliche Dunkelheit getaucht, bei Temperaturen von unter Minus 65° Grad Celsius. Niemand hielt sich zu dieser Zeit an der Oberfläche auf, wenn er nicht unbedingt musste. Dann herrschten Schneestürme mit Spitzengeschwindigkeiten von über 300 Kilometern in der Stunde, und die Schneemassen wehten den sichtbaren Teil des Gebäudes, und der Anlagen, fast vollständig zu.
An den ruhigen Tagen, würde eine Crew versuchen, die Eingänge mit Baggern wieder freilegen, welche in isolierten Hallen, an der Eisoberfläche, auf ihren Einsatz warteten.
Sicher, es gab auch atemberaubende Momente in den ersten Tagen der Polarnacht, wenn die Beinahesonnenaufgänge Stunden dauerten, und der Himmel in gelb-rote Farben getaucht war, ebenso wie am Schluss der Dauerfinsternis, die hier Anfang Juli endete. Diese Augenblicke waren aber selten, denn während des polaren Winters, von Juni bis Oktober, regierten hier Wind, Schnee, Nebel und eisige Temperaturen, und ließen nur wenig Platz für schöne Postkartenmotive.
Burton Miles wechselte die Kabine, immer mit Armin Wester im Schlepptau. Die Fahrt an die Oberfläche dauerte fast fünf Minuten, obwohl die Aufzüge, mit zwölf Metern pro Sekunde, extrem schnell waren. Durch die Höhe des Gebäudes, brachte ein durchgehender Aufzug, zu viele technische Risiken mit sich. Es gab insgesamt sechs Stück, aber nur jeweils zwei führten nach ganz oben, oder hinab zum Bohrloch.
Aus Stabilitätsgründen hatte der Tower zwar fast 320 Stockwerke, aber die meisten Etagen waren blind gebaut, und hatten zwar ebenfalls Fahrstuhltüren, aber die Ebenen waren leer, und verstärkten die Konstruktion nur zusätzlich.
Die Quartiere zum Schlafen befanden sich im oberen Bereich, genau wie die Kantine, die Fitnessräume, Kinosäle, medizinische Einrichtungen, mit Krankenstation und Vorratslager. Die technischen Ebenen waren direkt oberhalb des Bohrlochs eingerichtet worden. Dort befand sich, während der einzelnen Schichten, nur ein Notfallteam, das schnell eingreifen konnte, falls es erforderlich war.
Die nicht bewohnten Bereiche, waren nur wenig isoliert, um das Gebäude nicht zu stark auszukühlen zu lassen. So lagen dort die Temperaturen bestenfalls um den Gefrierpunkt. Die Fahrstuhlschächte waren in das Heizungssystem integriert, dass sich unter den Mannschaftsquartieren, und über den technischen Räumen, im unteren Teil des Gebäudes befand. Die beiden Systeme arbeiteten unabhängig, waren aber verbunden, sodass im Falle einer Störung eines der Systeme, die Wärme nach oben, oder nach unten gepumpt werden konnte.
Der sichtbare Teil der Anlage lag direkt über dem Tower, und konnte versetzt werden, falls der Gletscher, die überirdischen Baracken zu weit abgetrieben hatte. Bisher musste nur ein Mal die Anlage nachjustiert werden, damit die Zugänge zu den Fahrstühlen, wieder über die Treppe erreicht werden konnten. Durch die exakte Ausrichtung der Forschungscontainer, war auch mit Infrarotaufnahmen aus dem All nicht, zu erkennen, wie groß die gesamte Anlage tatsächlich war, da der Wärmeverlust der oberirdischen Gebäude so groß war, dass die gut isolierten Teile darunter nicht zu erkennen waren.
Oben angekommen, stiegen die beiden Wissenschaftler aus. Burton nahm immer zwei Treppenstufen auf einmal, um die letzten Stockwerke so schnell wie möglich zu erklimmen. Sie erreichten kurz darauf den Treppenausgang, der in einem der Container endete, in dem auch wissenschaftliche Daten für die Klimaforschung gesammelt wurden. Burton griff nach der Türklinke, und drehte sich zu Wester um, der immer noch auf ihn einredete.
„Ich gehe jetzt vor die Tür, eine rauchen. Wenn sie mitkommen möchten, ist das OK, aber solange wir draußen sind, herrscht Schweigen. Das ist hier bei uns Gesetzt!“
Wester stoppte seinen Redefluss abrupt, und nickte seinem Boss zu. Burton zog die Tür auf, und betrat einen Raum, der von Tageslicht durchflutet war. Er trat an eine Reihe von Kleiderschränken heran, die wie in einer Turnhalle angeordnet waren, und entnahm seinem Spind eine dicke Daunenjacke, eine Mütze, eine tiefschwarze Sonnenbrille, ein paar dünne Handschuhe, und zog sich routiniert an. Er trat nach draußen ins Freie, auf eine kleine Plattform, die mit wenigen Stufen auf die Eisfläche hinabführte, und die aus Gitterrosten bestand.
Der Himmel war wolkenlos und kristallklar. Die Fahnen auf dem Gebäude bewegten sich kaum, und die Markierungen der Landebahn hingen schlaff herab. Während er sich eine Zigarette anzündete, sah er auf das Außenthermometer. Nur 12° Grad Minus. Ein fantastischer warmer Sommertag, ideal, um sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen, und frische Luft zu schnappen.
Burton lehnte sich an das Stahlgeländer, das die kleine Terrasse umgab, und stieß genüsslich den Zigarettenrauch in den klaren Himmel. Obwohl er eine Sonnenbrille trug kniff er die Augen zusammen, und verharrte in dieser Position eine Weile, bevor er sich umsah. Sein Assistent, hatte sich augenscheinlich noch nicht an die Temperaturen angepasst. Er hatte bereits blaue Lippen, und seine Zähne klapperten, während er auf der Stelle trat, um sich aufzuwärmen.
Burton lächelte in sich hinein, als er daran dachte, wie der junge Mann reagieren würde, wenn die Temperaturen in ein paar Wochen um weitere 40° Grad gefallen sein würden. Sicherlich konnte er dann einen kleinen Ausflug mit Wester unternehmen, um ihn an seinen Arbeitsplatz zu gewöhnen. Nicht einmal er selbst kam dann noch oft an die Oberfläche, weshalb ihm die wenigen Augenblicke, im viel zu kurzem Sommer, so kostbar waren.
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