Wie soll verhindert werden, dass psychisch fragile, unreife und gestörte Eltern ihrem Kind nicht ihre Problematik in mehr oder minder großem Umfang – auch aufgrund der extremen und sehr langen Abhängigkeit des Kindes von den Eltern – weiter vermitteln und somit aufbürden? Leider ein Ding der Unmöglichkeit!
So banal und abgedroschen es klingen mag, so richtig ist die Feststellung, dass solange beim Menschen kein innerer – psychischer - Frieden herrscht (anlässlich der Konflikte, die aus der Identitätsproblematik herrühren), solange wird es immer äußeren Unfrieden geben, der im Kleinen beginnt (Streit und Problemherde in der Familie, im nahen Umfeld, im Schul- und Berufsbereich, Nachbarstreit, rivalisierende {Rand} Gruppen, kleine Gewalttätigkeiten, etc.), sich schließlich angesichts des potenzierenden Massencharakters (der enormen Anzahl an Problemfällen) und der sich aus der Lage ergebenden und überlagernden Ersatzhandlungen ins Große (innergesellschaftliche Auseinandersetzungen, Randale/Ausschreitungen, Terrorismus, Kriege, usw.) fortsetzt.
Obzwar sich der innere Unfrieden eines Menschen im Resultat selbstredend extrem unterschiedlich darbieten und auswirken kann, von Stimmungsschwankungen, Unzufriedenheit, latenter aggressiver Haltung über Gewalttätigkeiten, Sadismus, Grausamkeiten bis hin zu unrühmlichen, verabscheuungswürdigen Despoten a la Hitler, Stalin, Saddam Hussein, Pol Pot, etc., der Kern und Ausgangspunkt liegt stets im Grad der psychischen Schädigung und der sich daraus erwachsenden persönlichen, identitätsgemäßen Verfassung des Menschen.
Für die dann äußerst divergierenden Verhaltensweisen ist – sehr verkürzt gesagt – neben der Intensität des psychischen Defizits und dem korrespondierenden, entweder geringen, erheblichen, starken bis hin zum höchsten Druck nach Kompensation die individuelle Situation (Identitätsproblematiken 2 bis 4) verantwortlich, die, beispielsweise hervorgerufen durch besondere Umstände und spezielle Opportunitäten, katalytische Entwicklungen zur Folge hat.
Aus dem anfänglich (relativ) kleinen Keim der psychischen Störung (Demütigung, Entwertung, Trauma, etc.) können hinterher – je nach konkreten Konstellationen – zum Beispiel gewaltige Machtapparate aufkommen, deren motivationale Zurückverfolgung sich anschließend schwierig gestaltet (Ursache der Entstehung).
Eine zum Kontext passende Zwischenbemerkung: Eine psychische Schädigung als Ergebnis und vor allem die diesbezüglich zugrunde liegende Vorgeschichte (wie u. a. eine die psychischen Grundbedürfnisse nicht beachtende Erziehung, physische und psychische Gewalt, traumatische Erlebnisse) sind nicht nur ein persönliches Problem bzw. Privatsache der betroffenen Person und der Verursacher (meist die Eltern oder andere Bezugspersonen), sondern eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit, da eine Störung nahezu immer nach außen drängt und dadurch das Umfeld, manchmal aber auch weite gesellschaftliche Bereiche, maßgeblich beeinflusst und beeinträchtigt.
Mit anderen Worten: Eine psychische Krankheit ist ähnlich einer Infektionskrankheit ansteckend, weil die durch sie ausgelösten Ersatz- und Kompensationshandlungen meist nicht auf den ursächlich Betroffenen ein- und begrenzbar sind (speziell bei schwerwiegenden Fällen).
Interessanterweise berufen sich gerade die Verursacher von psychischen Schädigungen auf ihre Privatsphäre und verbitten sich jegliche Einmischung von außen, ob von Privatpersonen oder von entsprechenden Institutionen, obwohl sie tatsächlich mittel- und unmittelbar durch ihr Handeln die Privatsphäre anderer verletzen.
Drastische Beispiele hierfür wären Vergewaltigungs- oder Amoklaufopfer, deren Täter grundsätzlich erst selbst Opfer, zum Beispiel von fortwährender Demütigung, Erniedrigung und erfahrener Gewalt, waren, und diese Verletzung – häufig in gesteigerter Form - wieder weitergeben.
Diesen Gedankengang fortsetzend und auf die gesellschaftlichen wie gesetzlichen Parameter übertragend, stehen hier ebenfalls die Gesellschaft und besonders die wirtschaftlichen Entscheider in der Verantwortung. Dies betrifft beispielsweise die konkreten Rahmenbedingungen, innerhalb deren Erziehung stattfinden kann bzw. muss.
Viele Menschen erkennen, dass das konsumgesteuerte, auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtete Leben keine nachhaltige und tiefe Zufriedenheit vermitteln kann, und suchen daher nach alternativen Wegen, diese zu erreichen und derart mit sich selbst (respektive der menschlichen Basis) in Berührung zu kommen.
Als Beispiele für die Versuche seien folgende Stichworte aufgeführt: Spiritualität, Transzendenz, Esoterik, Meditation, Zentrierung, autogenes Training, Yoga, verschiedene religiöse Ausrichtungen (vor allem fernöstlicher Natur), Sekten, Lebenshilfeliteratur aller Couleur, u.v.m.
Oftmals, auch dies eine bittere Ironie der ganzen Problematik, werden diese Neuorientierungen, die letztlich eine Flucht vor den gegenwärtigen Zuständen und in der Konsequenz eine große Hilflosigkeit, mitunter sogar Not, darstellen, abermals – nur im differenten Mantel – ebenso kommerzialisiert, vermarktet, schlimmstenfalls durch Geschäftemacher missbraucht und auf diese Weise die eigentlich Suchenden erneut enttäuscht.
Ausnützer und Nutznießer in Gestalt von wirtschaftlichem Gewinn, Ausübung von Macht über andere Menschen, Generierung von Anerkennung und Bestätigung (wie dank Erlangung von Bekanntheit und Prominenz) – also Aufwertung der persönlichen defizitären, identitätsgemäßen Substanz mittels Ersatzbefriedigung – sind selbst ernannte Gurus, Religionsführer, Bestsellerautoren und deren Verlage, und, und ...
So schließt sich der Kreis und alles bleibt im Grunde unverändert.
Zusammengefasst: Der Mensch hat sich von seinen wesens-/anlagegegebenen, anhand der psychischen Struktur definierten und verankerten Grundbedürfnissen weit entfernt und sich dadurch von sich selbst entfremdet (er weiß gar nicht wirklich, was er braucht). Er läuft diesen einzulösenden Vorgaben, bei denen es sich nicht um Kann-, sondern Muss-Bedingungen handelt, aber gleichwohl in symbolisierter Form (Ersatz- und Kompensationshandlungen) ein Leben lang mehr oder minder erfolglos hinterher, weil der Befriedigungswert der erlangten Symbole zu schwach ist und folglich laufend aufgefrischt werden muss.
Das Fatale daran ist, dass der Mensch die beschriebenen Zusammenhänge nicht tiefgründig wahrnimmt und aus dieser Unkenntnis sein Verhalten als normal und, wie es so schön pauschal heißt, als zutiefst menschlich ansieht.
Überspitzt ausgedrückt, jedoch im Kern zutreffend: Der Mensch lebt ein falsches Leben, ohne es de facto zu wissen.
Nochmals anders formuliert: Die falschen Grundannahmen hinsichtlich ihrer Natur (Stichwort: Identitätsproblematik, Urangst) haben die Menschheit zu einer fragilen und labilen Konstitution geführt, die lediglich kraft Ersatzbefriedigungen (westliche Nationen) oder Gewalt/Angst vor Repression (Diktaturen) aufrechterhalten werden kann. Angesichts der starken Abhängigkeiten von Ersatz-und Kompensationshandlungen besteht für das sich herausgebildete, instabile Pseudogleichgewicht (gesellschaftlicher Frieden) eine permanente Gefährdung, und bei Wegfall dieser substanziell schwachen wie künstlichen Stabilitätsanker kann die Lage schnell umschlagen, das System ins Wanken geraten oder schlimmstenfalls kollabieren.
Unterschwellige, bisher unterdrückte bzw. in Schach gehaltene, durch die Identitätsproblematik anlässlich psychischer Defizite entstandene Aggressionen treten hervor und brechen aus, übermäßige Enthemmung, Nationalismus, Hetze, Randale bis hin zu Aufständen sind die Folge. Der Mensch wandelt diesbezüglich auf einem schmalen Grat und dieses Bewusstsein ist in der Politik, zwar zustande gekommen mittels einer irrigen Analyse respektive Anschauung nach dem Motto „im Wesen des Menschen grundsätzlich veranlagt“, weit verbreitet.
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