Zwischen Hoffnung und Verzweiflung
Also noch mal zurück zu diesem besagten Freitag. Ich schrieb meiner Schwägerin und meiner besten Freundin eine SMS, in der stand „Ich habe Krebs“. Susi schrieb als Erste zurück und sagte, wenn ich will, käme sie sofort vorbei. Was meine Freundin schrieb, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, sie rief mich später an.
Daheim angekommen, saß ich erst mal da und starrte vor mich hin, bis mein Bruder Tino und seine Frau Susi kamen. Sie machten mir gleich Mut und sagten, sie würden mich unterstützen, wo sie nur könnten. Als Oma zur Tür rein kam, wusste sie ohne, dass ich was sagte, was los war. Aber ich erklärte ihr, dass ich meine Kraft jetzt für mich brauchte und mich nicht auch noch um sie kümmern kann und, dass ich ihre Unterstützung brauche und nicht ihr Mitleid. Sie riss sich zusammen und machte es mir nicht noch schwerer, als es eh schon war. Robin sagte ich vorerst noch nichts. Emi wälzte den Beratungsordner und das Internet durch. Ich konnte das Ganze nicht mal anfassen, wollte nur noch meine Ruhe.
Am Samstag früh rief mich Susi an und fragte, wie es mir geht. Ich musste schon wieder losheulen, ich konnte mich gar nicht mehr zusammenreißen, obwohl das immer meine Stärke war.
Die nächsten Tage verliefen so:
Ich stand früh auf, frohen Mutes und voller Kraft und abends, wenn mein Mann kam, lag ich als heulendes, verzweifeltes Elend auf der Couch. Ich frage mich heute noch, wie Emi es immer wieder geschafft hat, mich so zu beruhigen, dass ich ruhig in seinen Armen einschlafen konnte.
Mittlerweile hatte ich auch Ramona informiert und am Montag auch meinen Arbeitgeber. Es ist mir sehr schwer gefallen zu sagen, ich komme die nächste Zeit nicht mehr auf die Arbeit, weil ich Brustkrebs habe. Es kam mir sehr viel Mitgefühl und Verständnis entgegen. Sogar Blumen wurden von der Heimleiterin geliefert.
Am Dienstag, den 3.3. war ich bei meiner Frauenärztin und holte mir die Überweisung zu Dr. Frisch und die Einweisung ins Krankenhaus ab. Sie machte mir Mut und sagte auf ihre eigene Art, dass es die letzten Jahre mehrere junge Frauen mit Krebs gegeben hätte, die ihn besiegten und heute ganz normal leben würden.
Als ich raus kam, stand Christine, die Schwester meiner Schwägerin, am Auto, schenkte mir einen Schutzengel als Glücksbringer, umarmte mich und wünschte mir für Mittwoch viel Glück. So ein Mist, wieder musste ich vor Rührung weinen. Das passte doch gar nicht zu mir.
Als ich wieder daheim war, bekam ich einen Anruf von Ramona, die erzählte, dass meine Arbeitskollegin Elke auch eine Art Knochenkrebs hätte und sehr schwer krank wäre. Ich dachte, das gibt es doch nicht! Gerade Elke, die auch immer für alle da war und lieber selbst verzichtet hat, bevor ein anderer daran glauben musste. Ich hätte sie gerne angerufen, aber ich traute mich nicht. Was hätte ich sagen sollen? – „Hi Elke, ich bin es, die Tanja. Hab gehört, du hast jetzt auch Krebs?“ Ich hab es auf irgendwann später verschoben.
Ich schaute aus meinem Badfenster und sah Robs von der Schule nach Hause kommen und mein Herz hat sich so schwer angefühlt. Ich dachte mir, dass darfst du ihm nicht antun, dass du stirbst. Du musst dich durchbeißen – schon alleine für ihn! Ich brachte auch diesen Tag rum und abends, als Emi kam und ich wieder heulend auf dem Sofa lag, nahm er mich in den Arm und sagte: „Wir schaffen das! Egal was kommt, wir stehen das durch!“ Und auch er hatte mir einen Glücksbringer besorgt. Er wusste, der morgige Tag war wichtig für mich. Plötzlich kam auch Robs mit einem Glücksschweinchen und einem roten Glücksarmband. Er wollte mir auch einen Glücksbringer schenken, obwohl er noch nicht mal genau wusste, was mit mir los war. Robs wusste nur, dass ich eine Krankheit habe, die operiert werden musste. Wieder musste ich los heulen. Er war total verunsichert und fragte: „Warum weinst du, Mama?“ Ich flüsterte: „Vor Freude, weil du mir so viel Glück wünscht“.
Es kam noch Susi mit einem Glücksbringer und ihre Eltern, Freunde und Kollegen wünschten mir für den morgigen Tag per SMS viel Glück. Es fühlte sich gut an, dass so viele an mich dachten.
Der Morgen des 4.3.2009 war da und komischerweise war ich wieder sehr ruhig und gefasst. Wir kamen beim Arzt an und ich kam gleich an die Reihe. Als Erstes musste ich zum Lungenröntgen und danach zum Leberultraschall. Der Arzt war so nett und sagte mir gleich, dass da alles in Ordnung sei. Danach ging es zum Knochenszintigramm. Mir wurde radioaktives Kontrastmittel gespritzt. Danach sollte ich viel trinken und für 2 Stunden in die Stadt gehen, damit sich das Mittel gut verteilt und die Knochen gut sichtbar werden bzw. alles, was in den Knochen ist , gut sichtbar wird (Man sieht z.B., ob Knochenumbau erhöht ist). Ich weiß nicht, irgendwie haben wir die 2 Stunden rumgebracht und die Untersuchung konnte beginnen. Ich schätze mal, sie dauerte so circa 40 min und ich hielt die Augen dabei geschlossen. Ich bin ja schließlich kein einfacher Fall und habe auch noch Platzangst. Ich betete und redete währenddessen mit Gott. So ging die Zeit sogar relativ schnell rum. Nach 15 min Herzrasen erklärte mir Dr. Frisch, dass nichts in den Knochen zu sehen sei, gab mir die Bilder mit und wünschte mir viel Glück.
Hoffnung - jetzt pack ich’s!
Das war der Moment, in dem ich zu meinem Mann sagte: „Jetzt schaffe ich es! Scheiß drauf, ob vielleicht ein Lymphknoten befallen ist, ich schaffe das! Ich will leben! Und wie gesagt, mein alter Freund, der Kampfgeist, war wieder da und mit Gottes Kraft ist alles machbar. Als wir daheim ankamen, erklärte ich nun auch Robin etwas genauer, was ich hatte und er hatte nur eine Frage: „Mama, wirst du wieder gesund?“ Ich antwortete einfach mit „Ja“
Nachdem ich allen berichtet hatte, wie es steht, verbrachte ich mal wieder einen etwas ruhigeren Abend mit meiner Familie.
Ich hatte nun auch wieder Appetit und konnte seit Tagen wieder etwas essen. Jetzt wusste ich ja dass alles zu Schaffen war und hatte wieder Mut. Mein Weg, den ich nun gehen musste, lag ja klar vor mir. Ich hatte in diesen fünf Tagen vier Kilo abgenommen. So musste ich wieder einiges nachholen.
Schwupp, war es Freitag und ich fuhr wieder nach Coburg zur OP-Vorbereitung. Blutabnahme, Anzeichnen, Narkosegespräch und so weiter . Dr. Zapf meinte, er müsse mal sehen, wie er das hinkriege, weil der Tumor recht groß, meine Brust aber recht klein sei. Er wolle, dass das danach auch gut aussehe. Ich meinte noch, er solle gleich alles wegschneiden, bevor etwas vergessen wird. Er war aber der Meinung, dass müsse nicht sein und wenn es später mal weg wäre, wäre vielleicht danach der Katzenjammer groß. Naja, ich dachte, das ist mir dann auch egal. Hauptsache, ich werde das Ding endlich los. Am Sonntagabend sollte ich so circa um 18.00 Uhr in der Klinik sein und am Montag, den 9.3.2009, gegen elf Uhr früh, sollte es dann losgehen. Es glaubt mir keiner, aber ich hatte keine Angst, als ich am Sonntag im Krankenhaus ankam.
Im Gegenteil, ich war froh, dass es endlich losging.
Ich bekam mein Supermarktbarcodearmband (Strichcode, dass keiner verwechselt wird) und mein Zimmer gezeigt. Meine Träum-schön-Tablette wurde auch bereitgestellt. Um 20 Uhr ging Emi heim und ich war mit meiner Zimmerkollegin Melanie alleine. Wir verstanden uns gleich ziemlich gut. Naja, ich nahm um 22 Uhr meine Tablette und schlief dann durch, bis mich die Schwestern weckten und mir die schönen OP-Sachen zu Recht legten und mich vorbereiteten. Ich machte mich noch mal frisch, dann schickten sie mich um 9 Uhr in den unteren Stock zum Bestimmen des Wächterlymphknotens, zum Vorbereiten für die Sentinal-Node-Biopsie.
Dort unten musste ich circa eine Stunde warten, bis ich dann aufgerufen wurde. Ich sollte mich ausziehen und auf das Gerät legen (war fast so wie beim Knochenszintigramm; ich denke, das ist auch das gleiche Gerät). Da tauchte plötzlich Dr. Zapf auf und spritzte mir mit radioaktivem „Stoff“ angereichertes Kontrastmittel in den Tumor. Also, ich bin ja nicht wehleidig, aber das tat in diesem Moment höllisch weh. Viermal stach er dort rein und ich dachte beim vierten Mal, wenn er jetzt noch einmal sticht, gebe ich ihm einen Tritt, ich halte es nicht mehr aus. Ich glaube, ich war ein richtiger Jammerlappen und hab währenddessen so vor mich hin gewimmert und oft „Aua“ gesagt. Der Arzt schaute nicht rechts und links. Ich hatte das Gefühl, er konnte sich um meinen Gemütszustand wenig kümmern. War ja auch klar, das musste nun mal gemacht werden. Ich lag auch nicht da und wartete darauf, dass mir jemand einen Pickel ausdrückt. Mir stand etwas ganz anderes bevor. Da muss man nun mal durch!
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