Franco geht auf Shoel zu. „Sei mir nicht böse, dass ich dich so zugerichtet habe, aber ich wollte mal sehen, was du so einstecken kannst.“
„Ist schon gut, lass uns Freunde sein.“
Shoel sitzt nun an der Seite von Janine und erfährt, dass sie heute wieder zum Krankenhaus muss. Der Gips kommt ab und wird durch einen Verband ersetzt. So kann sie ab morgen schon wieder arbeiten. „Du wirst dir etwas anderes suchen müssen, die Pferde mach ich lieber selbst“, meint sie.
Der Vater kommt an den Tisch und hat eine Liste mit Orten aus der Umgebung der Camarqué in der Hand.
„Ab nächster Woche beginnen wieder die Sperrmüll Aktionen. Ich habe mal eine Liste mit den Terminen angefertigt. Ihr müsst dann bitte die Fahrzeuge herrichten. Wir fahren wie immer mit drei Transportern. Shoel hört nun, dass das mit dem Sperrmüll ein riesen Geschäft ist. Franco erklärt ihm, wie das zeitlich abläuft. „Du musst wissen, da sind wir nicht allein.
Da sind Antiquitätenhändler, private Profis und dann unsere Freunde, die Zigeuner aus der gesamten Umgebung. Stellt eine Person einen Schrank auf die Straße, ist er nach drei Minuten bereits verschwunden.
Shoel überlegt und will dann wissen, welche Stadt denn als erstes dran ist.
„Wir beginnen übermorgen in Arles“, meint der Vater.
„Ich würde gerne mitfahren, mich aber dann zu Fuß auf den Weg in die Stadt machen.“
„Was hast du vor? Willst du dann einen Schrank auf den Rücken nehmen?“
Gelächter macht sich breit, als sich die am Tisch sitzenden das bildlich vorstellen.
„Jetzt wollen wir erstmal sehen, wie dein Gesicht verheilt. Wir werden nochmals eine Creme darauf tun, dann ist es vielleicht bis morgen schon besser. So kannst du nicht in die Stadt gehen. Da würde dich ja jeder für einen Schläger halten. Am besten du fährst mit Janine ins Krankenhaus, da kannst du dich behandeln lassen“, meint Janines Mutter.
Tatsächlich fährt Shoel eine Stunde später mit Janine ins Krankenhaus. Janine wird ihren Gips loswerden und Shoel wird fachmännisch behandelt. Die behandelnde Schwester ist besorgt. „Wenn da mal nicht die Nase gebrochen ist? Aber das bekommen wir schon wieder hin. Hat Sie da ein Pferd getreten?“
„Nicht ganz, aber es war ein ähnliches Erlebnis.“
„Ich gebe ihnen einiges an Medikamenten mit, sie sollten, wenn sie daheim sind, nochmals einen leichten Verband darauf tun.“
Shoel geht noch zu Janine, die sich nun wieder ganz frei fühlt. Befreit vom Gips, ist sie fast schon wieder die Alte. „Als erstes werde ich auf meinem Schimmel reiten.“ Meint sie aufgeregt. Sie kann es kaum noch erwarten. Die Schwester versucht noch eine Warnung loszuwerden, aber diese verhallt in den Gängen des Hospitals. Shoel hat noch einen Beutel mit Crems und Verbandstoffen, damit seine Blessuren möglichst schnell verheilen.
Als sie zurück auf das Landgut kommen, erkennen sie schon das eifrige Treiben. Drei Transporter stehen in der Nähe der Einfahrt und warten auf das Kommando des Kaisers.
Beatrix kommt auf Shoel zu und meint lachend: „Dann komm mal her, ich werde dich verarzten. Dann ist es morgen nicht mehr zu sehen.“
Janine ist da anderer Meinung. „Das zieht sich noch Tage, da bin ich mir sicher. Aber mach mal, du bist hier die Ärztin.“
So erfährt Shoel, dass Beatrix mal mit einem Medizinstudium begonnen hat und seit dieser Zeit für die Gesundheit des Clans zuständig ist.
Shoel übergibt ihr den Beutel aus der Klinik und Beatrix beginnt umgehend mit der Behandlung. Beatrix genießt es, nochmals ihren Verband anlegen zu dürfen. Aller Protest von Shoel ist vergeblich.
Sogar Janine meinte: „Hab dich nicht so, in drei Tagen ist alles vergessen.“ Shoel ist aufgefallen, das Beatrix versucht extrem liebenswürdig zu ihm zu sein, nicht so kratzbürstig wie an den vorangegangenen Tagen.
Janine kommt Shoel in seinem Wohnmobil besuchen und beginnt ihn zu hänseln. „Pass auf, dass du nicht in ein Loch fällst wenn du herumirrst.“
Dann steht plötzlich auch Beatrix am Fahrzeug. „Ach, sie mal einer an. Janine bewacht ihren Liebhaber.“
Shoel entschließt sich einen kleinen Mittagsschlaf zu halten um der Hänselei aus dem Weg zu gehen.
Als er an den Tisch kommt meint Beatrix: „Siehst du, es hat sich ganz erheblich verbessert. Jetzt hat das Gesicht nur noch eine leichte Färbung, wenn wir die Creme nochmals auftragen, dann wird es morgen kaum noch zu sehen sein.“
Beatrix blickt Shoel lange in die Augen und will eigentlich etwas sagen, entschließt sich aber zu schweigen. An diesem Abend verabschiedet sich Shoel schon sehr früh, er gibt vor, noch einige Zeilen schreiben zu wollen.
5. Die Sperrmüllaktion, ein Bilderfund
Am nächsten Morgen hört er schon große Diskussionen. Shoel steht im Duschraum und lässt das Wasser lange laufen. Heute wird er mit nach Arles fahren, egal ob man noch seine Blessuren erkennt oder nicht. Das mit dem Sperrmüll will er miterleben. Shoel steigt beim Bruder Marco in den Wagen und lässt sich in der Innenstadt von Arles absetzen. „Wir werden dich über Handy anrufen, wenn wir zurück zur Finca fahren. Du hast doch hoffentlich dein Handy dabei. Shoel zieht es aus der Tasche und zeigt es. „Okay, dann fahren wir mal.“
Shoel verlässt den Wagen in einer kleinen Nebenstraße der Altstadt. Langsam durchstreicht er die schmalen Gassen und sieht sich die Gerümpelberge an. Viel alte Möbel, aber auch alte Radios und Badewannen und dann sieht er ein vergammeltes Gemälde. Er zieht es aus dem Müllberg. Wischt mit seinem Ellenbogen darüber und findet es einfach nur schön und zu schade um es zu entsorgen.
Das hat das Bild nicht verdient. Er überlegt, dass man es natürlich noch herrichten muss, aber für die Laube würde es passend sein. Größe und Farbe würde sich gut machen, so seine Beurteilung.
Shoel ist pünktlich am vereinbarten Treffpunkt. Marco will ihn gerade anrufen, da entdeckt er Shoel auf einer niedrigen Mauer sitzend mit einem kleinen Bild in der Hand.
Sein Kommentar: „So etwas bringt nichts, lass es einfach liegen. Es sind in der Regel wertlose Bilder von unbekannten Malern aus der Region.“ Shoel betrachtet es und muss erkennen, dass es tatsächlich hier aus der Gegend stammt. Vielleicht für Touristen angefertigt.
Aber er entschließt sich, es mitzunehmen. Als Dekoration in der Laube, da passt es doch ganz prima hin. Da ist es sowieso besser, wenn es keinen großen Wert hat.
Die Tagesausbeute der Mannschaft ist enorm. Ein komplettes Badezimmer haben sie verladen. Etliche Schränke und Truhen. Geschirr und Küchengeräte. Vier Reifen für einen der Transportfahrzeuge. „Warum werfen die Leute so etwas weg“, fragt Shoel mit einem Blick auf die fast neuwertigen Reifen.
„Sie brauchen Platz für Neues, was sie dann zwei Jahre später wieder auf den Sperrmüll werfen“, meint Beatrix, die gerade zur Begutachtung hinzugekommen ist.
„Wofür braucht ihr denn das Badezimmer“, will Shoel wissen.
„Das brauchen wir entweder für uns, oder wir richten es ein wenig her und verkaufen es an Touristen, sie lieben die alten Waschbecken und Wannen aus der Jahrhundertwende.“
Ja klar, so macht es Sinn. Woher sollten denn auch die Antiquitätenhändler ihre Ware bekommen. „Wir bringen es auf den Markt von Nizza, da gibt es genug Spinner, die gut dafür bezahlen.“
So erfährt Shoel, dass es absolut Sinn macht, die Sperrmüllaktion fortzuführen.
Das gefundene Bild hält Shoel kurz unter den Wasserhahn. So kann er Feinheiten entdecken, die er vorher nicht erkannt hat. An der Wand entdeckt er einen Nagel, günstig, um hier das gefundene Bild zu platzieren.
Nach einer weiteren Stunde sitzen alle entspannt um den Abendtisch. Sie schwärmen von den mitgebrachten Gegenständen. Janine hat natürlich längst das Badezimmer in Augenschein genommen und hat entschieden, dass sie nun endlich ein neues und eigenes Bad bekommen wird. Hierzu ist natürlich der erforderliche Raum anzubauen. Aber das übernimmt dann Marco, denn er ist der Maurer im Clan.
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