Es ist schön, daß meine Post laufend bei Euch eintrifft, ans Nummerieren denkst Du doch auch? Und Walti hat so ein Pech bei der Erntehilfe gehabt? Nur gut, daß Du mit dem Lehrer gesprochen hast. Es ist ja immer dasselbe damit, die Schule hat von solchem Ernteeinsatz immer die Nackenschläge, und die Bauern freuen sich nicht einmal, wenn ihnen unentgeltlich so sehr geholfen wird. Bei uns war’s damals auch so.
Ich bin, wie ich schon schrieb, seit 2 Tagen zur Funkübung für eine Woche, weit hinter dem Krieg. Zwar hat man hier durch Brottausch von der Bevölkerung Malakka (Milch und Katoschki /Kartoffeln), aber ich wohne doch lieber in unserem alten Bunker, denn vorn ist es ja auch ruhig. Da braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Wir liegen ja nicht direkt vor Leningrad, hier sind noch einige Kessel, wovon Ihr natürlich nichts wissen dürft!!
Die Gerüchte laufen auch weiter. Einige sagen, wir sollen in Ruhestellung hinter der Front, andere wieder, daß Leningrad genommen werden soll, dann behaupten einige, man höre u. staune, wir kämen nach Südfrankreich oder nach Norwegen. Man soll aber von dem ganzen Schwindel nichts glauben, es weiß noch keiner etwas, wenn wir auch heute 1/2 Tafel Schokolade bekommen haben, was immer ein „gutes“ Zeichen ist. Vorläufig haben wir’s noch sehr gut (morgen wieder Varieté!!) und alles andere muß der Landser eben abwarten.
Nun habe ich Euch wieder so viel erzählt, mein Vorrat ist nie erschöpft und ich hab' noch an tausend Leute zu schreiben.
Für heut grüßt Euch alle drei recht herzlich,
Euer Werner
Rußland, d. 25.X.42
Meine liebe Mutti, lieber Walti u. liebes Großväterchen!
Heute mal wieder etwas kürzer. Vor allen Dingen möchte ich erst einmal wieder eine Anzahl Post von Euch bestätigen.
Vorgestern erhielt ich Deinen Zeitungsroman, den Du für mich extra herausgesucht hast. Es ist wirklich lieb von Dir, daß du sogar für meine Unterhaltung sorgst und ich danke Dir auch recht herzlich dafür. Übrigens las ich den Roman schon, da einige hier das Fremdenblatt laufend geschickt bekommen, und ich so auch Gelegenheit habe, über alle Ereignisse in unserem alten Hamburg unterrichtet zu sein.
Also, liebe Mutti, Du bist zu aufmerksam und sorgst zu gut für mich; ich bekomme ja von Papi immer viel Illustrierten, und Du schickst mir jetzt auch noch die Filmwelt, von der ich gestern die erste Nr. erhalten habe; recht herzlichen Dank auch. Über Langeweile kann ich nun bestimmt nicht mehr klagen. Eigentlich kann ich das ja auch sowieso nicht, denn unser Tag ist ausgefüllt, augenblicklich mit Funkdienst und noch sonst mit Leitungsbau und anderen Arbeiten. Nur wird es abends schon um 1/2 5 dunkel, so daß man Licht brennen muß (wenn welches da ist) meistens sind wir einfach gezwungen, ganz früh ins Bett zu gehen, weil wir kein Licht mehr haben. Und dann komme ich auch nicht einmal mehr zum Schreiben, was hier sowieso meine Lieblingsbeschäftigung ist. Wenn es im Winter schon um 4 oder 1/2 4 dunkel wird, und um 10 oder 11 erst hell, wird man hier, glaube ich, nur aufstehen um zu essen, wie sie es vorigen Winter gemacht haben. Hoffentlich haben wir wenigstens dann etwas Licht, um lesen oder schreiben zu können. Ich will dann auch mal versuchen, meine Schulkenntnisse etwas aufzufrischen; vielleicht schickst Du mir dann auch mal ein paar Hefte und Bücher.
Hier geht’s im übrigen noch recht gut, wir gehen bald wieder nach vorn; für wie lange, weiß niemand. Der Oberst hat gestern jedenfalls gesagt: wir können noch 3 Wochen, aber auch 3 Monate hier bleiben. Das will viel heißen!
Für heute laßt Euch recht herzlich grüßen von
Eurem Werner
Rußland, 29.X.42
Meine liebe Mutti, lb. Walti und lb. Opi!
Für Deinen lieben Brief, den ich vor 3 Tagen erhielt, habe recht herzlichen Dank. Heute nun war wieder eine große Überraschung für mich: ich erhielt das Kilopaket mit den Dosen vom 12.10. sowie ein kleines Päckchen mit Zucker desselben Datums. Ich habe mich wieder sehr gefreut und danke Dir auch recht, recht herzlich dafür. Ich muß sagen, wenn einer hier viel Post bekommt, dann bin ich es, denn alle denken sie so lieb an mich. Papi schickt mir immer so reichlich Päckchen.
Zu Deinem lieben Brief. Du wirst sicher inzwischen schon gemerkt haben, daß, wie aus meinen letzten Briefen hervorgeht, die Versetzungsparole allmählich wieder im Sande verlaufen ist, und wir nun doch wieder in die alte Stellung zurückgekommen sind, während man hier allgemein annimmt, daß wir doch über Weihnachten hier bleiben werden. Das wäre natürlich großartig. Sorgen brauchst Du Dir auf keinen Fall machen, das meiste war ja doch nur Gerede, wie ich annahm.
Leider ist es schon sehr spät, ich habe auch bald Wache. Morgen werde ich Deinen lieben Brief noch einmal ausführlicher beantworten, und dann folgt auch bald ein extra Geburtstagsbrief!
Es grüßt Euch alle recht herzlich,
Euer Werner.
Rußland, d. 31.10.42
Meine liebe Mutti, lieber Walti und liebes Großväterchen.
Heute erhielt ich von Dir schon wieder einen Brief, für den ich Dir recht herzlich Danke. Eigentlich wollte ich ja schon gestern wieder schreiben, aber nun kann ich Dir gleich 2 Briefe beantworten. Du schreibst mir immer so schön viel und so lang, das macht wirklich Spaß, Deine Briefe zu lesen, ich freu' mich immer riesig dazu. Dank meiner vielen Schreiberei höre ich auch von so vielen anderen Leuten, daß jeden Tag immer reichlich Post für mich da ist.
Zu dem Brief von Papi, den Du mir beigelegt hast, hab' ich mich sehr gefreut. Er sorgt wirklich rührend für mich und auch für Euch. Ja, wir können wirklich stolz auf so einen lieben Vater sein, um den uns bestimmt manche Familie beneiden kann. Doch das lernt man immer erst später schätzen, wenn man sich einmal selbst ein bisschen den Wind um die Nase hat wehen lassen, und erkennt, was es heißt, für eine Familie sorgen zu müssen. Er hat es in seinem Leben verdammt nicht leicht gehabt: immer von zu Hause fort, nur damit wir etwas zu essen haben. Gestern habe ich ihm ausführlich geschrieben und mich für die enorme Anzahl von Päckchen, Briefen und Illustrierten bedankt, die ich in letzter Zeit erhielt. Sie sind alle angekommen; und nun hat er noch seine letzte Kerze geopfert. Das tut mir so leid, wenn ich das gewusst hätte. Ich dachte ja, er hätte vielleicht ein paar Beziehungen. Ich bin wirklich zu unbescheiden; Deine möchte ich Dir auf keinen Fall wegnehmen, die bewahre nur für Weihnachten auf, sonst habt Ihr nachher keine. Hast Du Papi eigentlich schon eine Marke geschickt? Ich hatte es ja vergessen, und Du scheinbar auch, wie aus Papis Brief hervorgeht. Die anderen Marken hebst Du doch für Weihnachten auf und schickst sie so Mitte November ab, aber, wie gesagt, nur so etwas, was Ihr entbehren könnt. Es ist sowieso schon unbescheiden genug, daß ich Euch 4 Marken geschickt habe. Du brauchst auch keine Angst zu haben, daß sie nicht ankommen, unsere Feldp.-Nr. bleibt immer dieselbe, wenn wir auch versetzt werden, denn das geschieht ja mit der ganzen Division geschlossen und dementsprechend geht auch die Post mit. Aber das hat sich gottlob alles verschoben.
Wir sind ja nun tatsächlich wieder nach unserer Funkübung glücklich am alten Platz gelandet, und Dein Wunsch ist damit in Erfüllung gegangen. Wenn’s hier auch ein bißchen schießt: es ist doch besser als hinten, wo die Verpflegung schlecht ist. Wir haben ja hier auch unseren schönen Bach und die Sauna, so daß man wenigstens etwas auf Reinlichkeit wieder wert legen kann. Auch Radio, eigenes Bett, und (etwas entfernter) das Soldatenheim mit Kino und Kabarett. Wie lange wir nun noch hierbleiben, ist unbestimmt, über Weihnachten ist jedenfalls anzunehmen, denn alles beginnt wieder Stellungen und Bunker zu bauen. Das Regiment hat auch einen gewaltigen Stoß Wintersachen bekommen, so daß man sich darum auch keine Sorgen machen braucht. Es war, wie man hört, tatsächlich eine Verschiebung der Truppe geplant, wohin, weiß ich nicht. Vielleicht hatte man einen Winterangriff auf Leningrad vor, doch durch die Sache bei Stalingrad hat sich wohl die Sache verzögert. Es ist eigentlich auch nur hier etwas bei Frost zu machen, denn Leningrad ist von Sümpfen umgeben. Ferner wird dazu eine sehr starke Luftflotte benötigt, u. zwar für Kronstadt, da diese große Festung Leningrad ja in Schach hält.
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