Eben kam Dein lieber Brief Nr. 4, den ich mit großer Freude und heißem Dank in Empfang nahm. Du hast Minderwertigkeitskomplexe? Na, Du schreibst mir doch so fleißig, ich kann mich nicht über Dich beklagen. Und dann hast Du wieder so einen Haufen Päckchen und Pakete angekündigt, mit den dollsten Sachen. Ich mache Euch ja richtig arm. Ihr seid doch auch nur auf Eure Marken angewiesen. Es ist so lieb von Dir, daß Du mir all das gönnst, die schönen Sachen alle, da lebe ich ja bald besser als ein Millionär im Frieden. Aber für die anderen Marken schicke mir keine Lebensmittel; irgend etwas für Weihnachten; Papi hat auch wieder ein großes Paket abgeschickt, so daß ich mir einen Geburtstag dann auch zu Hause im Frieden nicht besser vorstellen kann. Ich weiß gar nicht, wie ich Euch dafür danken soll. Du hast recht, ich werde hier schon der Päckchenmann genannt, jeden Abend ist immer ein Schwung für mich dabei. Na, wie gesagt, auf meinen Geburtstag freue ich mich schon, wenn nur die Pakete rechtzeitig eintreffen. Auf zu Hause muß ich dieses Jahr nun mal verzichten, das bringt eben der Krieg mit sich, doch es kommen ja auch einmal wieder andere Zeiten. Apropos Geburtstag. Hast Du Deinen schön verlebt und recht viel Geschenke bekommen? Wenn nur meine kleine Überraschung geklappt hat; ich hab' versucht, Dir auf diesem Wege eine kleine Freude zu machen. Schade, daß ich nicht dabei gewesen bin, es war das erste Mal und zu Deinem Ring hast Du Dich gefreut. Es ist bestimmt auch mein Geschmack, na ich werde ihn wohl auch mal zu sehen bekommen. Papi hat Dir sicher auch wieder sehr viel geschickt, und das Kränzchen wird wohl auch dort gewesen sein. Schreib' doch mal, wie’s war.
Und Rosie will Euch besuchen oder ist sie schon in Hamburg? Hoffentlich wird es ihr ohne mich gefallen! Hm Hm!
Und der Großvater hat ja nun auch Geburtstag, das hagelt ja nur so. Morgen steigt sein amtlicher Geburtstagsbrief, der hoffentlich dann noch rechtzeitig ankommt. Bis dahin wünsche ich ihm jedenfalls alles Gute.
Von hier ist eigentlich nicht viel Neues zu berichten, man hat hier seine Arbeit und freut sich, daß man vorläufig noch hier sein darf. Allerdings herrscht seit dem 4. Nov. eine sehr starke Kälte. Durchschnittlich herrschen hier -10° bis -14°, während nachts, was sich zu unserem Leidwesen sehr stark auf das Wacheschieben ausübt, das Thermometer bis auf -20° heruntersinkt. Wir haben zwar Handschuhe und Kopfschützer, jedoch kommen die eigentlichen Wintersachen (wie es ja beim Kommiss üblich ist) immer erst dann, wenn einem sämtliche Extremitäten abgefroren sind. Wir sollen in absehbarer Zeit Pelzsachen, wie Mantel, Weste, Kapuze und Stiefel bekommen. Pullover usw. nützen beim Wachestehen natürlich nichts gegen die Kälte. Vorläufig bleibt einem eben nichts anderes über, als die 2 Stunden wie ein Verrückter hin und her zu rennen, und das genügt dann auch. Dabei haben die Heinis so enorm viel Wintersachen bekommen und gelagert, aber, wie gesagt, echt Kommiss. Doch sonst kann uns nichts erschüttern, wir bleiben stur. Um 3, 1/2 4 Uhr ist Feierabend, da freut man sich, daß man, falls dann nicht die Wache beginnt, in seinen Bunker kann, denn dann ist es schon stark dunkel. Richtig geschneit hat es eigentlich noch nicht, was sehr zum Vorteil für die Verpflegungsfahrer wäre.
Neulich haben wir, da es Kantinenschnaps gab, einen netten Abend steigen lassen (den ersten dieser Art), dessen Folgen, in allerdings nur sehr geringem Maße, bei mir nicht ausblieben. Ich kann doch verdammt wenig vertragen, das macht vielleicht die Alkoholentwöhnung. Aber sonst geht’s mir wohlauf, zur Freude der Leser, von denen man hoffentlich nicht das Gegenteil behaupten kann. War der Engländer mal wieder bei Euch?
Auf Walti’s (aus Versehen) angekündigten Brief freue ich mich schon maßlos, hoffentlich nicht umsonst!!! Und wie gesagt, an Opi denke ich morgen.
Was sagt Ihr zu der Sache in Afrika und in Frankreich? Toll was? Ich glaube, da steigen noch ganz große Sachen zu unseren Gunsten. Wollen mal abwarten.
So, nun hoffe ich nicht nur, daß Du, liebe Mutti, Dir nicht all zu viel Umstände mit den Weihnachtspaketen für mich machst, sondern auch, daß es Euch weiterhin recht gut geht und grüße Euch recht herzlich,
Euer alter Werner
Rußland, d. 16.XI.42
Meine liebe Mutti, lieber Walti und liebes Großväterchen.
Ich glaube, den Empfang Deines lieben Briefes Nr. 5, den ich am 13. erhielt, habe ich Dir noch nicht bestätigt. Ich danke Dir jedenfalls recht recht herzlich dafür. Wie ich schon mitteilte, hab' ich auch die ersten 9 Päckchen erhalten, die anderen sind noch unterwegs. Du bist wirklich zu lieb, daß Du mir so viel schickst, ich freu’ mich ja schon so darauf, besonders auf die Großen Pakete, die ja für meinen Geburtstag bestimmt sind. Hoffentlich kommen sie gerade zur rechten Zeit. Die herrlichen Sachen, Du opferst aber auch die schönsten Sachen für mich. Vorgestern schon erhielt ich Papis liebes Geburtstagspaket, ich hab' mich riesig gefreut.
Leider hat sich das, was neulich noch Parole war, bewahrheitet. Wir glaubten ja alle nun, wenigstens hier Weihnachten feiern zu können, in unserem schönen Bunker. Doch als Soldat wird man natürlich von hinten und vorn angesch…. Wir werden nun doch abgelöst, und zwar schon morgen. Du kannst Dir denken, daß wir jetzt feste beim Packen und Arbeiten sind. Es ist ein dolles hin und her. Wo wir nun hinkommen, weiß keiner, nicht im Entferntesten. Man hat nur seine 1000 Vermutungen. Es ist ja nur zu wünschen, daß wir es nicht allzu schlecht treffen und wenigstens Weihnachten wieder Ruhe haben. Mein Geburtstag wird dann wohl flach fallen, aber das macht nichts. Der wird nachgeholt, wenn die Pakete kommen. Übrigens geht die Post mit der gleichen Nummer weiter, ich werde Euch auch, wenn es irgend möglich ist, laufend benachrichtigen. Ja, hoffentlich kommen Deine Pakete erst, wenn wir in der neuen Stellung sind, sonst hab' ich gar nicht die Freude daran. Aber es wird schon alles klappen, da hab' ich keine Angst, und der alte Humor wird beibehalten, jetzt erst recht. Drückt nur feste den Daumen!!
Ja, Ihr müßt schon entschuldigen, es geht alles in Eile, sobald es geht, schreibe ich Euch ausführlicher. Wir können nur von Glück reden, daß, nachdem der einige Tage herrschende starke Frost mit einem tollen Schneetreiben endete, wieder völliges Tauwetter eingetreten ist. Der Schnee ist wieder weg und der Matsch ist wieder da, doch besser als die tolle Kälte. Übrigens werden wir wohl nun auch vollständige Winterkleidung bekommen.
Ja, so ist der Kommiss, jetzt, wo die Versetzung raus ist, kriegen wir Wein, Schnaps, nebenbei prima Verpflegung, Spiele, Bücher und noch einen großen Sack Kartoffeln. Nun müssen wir alles hierlassen.
Es ist doch immer dasselbe. Ich bin ja mal gespannt, wie für uns Weihnachten aussieht und wo wir dann sitzen, ganz zu schweigen von meinem Geburtstag; dann werden wir wohl gerade auf dem Transport sein.
Nun macht Euch um Gotteswillen keine Sorgen um mich, wir wissen ja noch gar nicht, was mit uns geschieht. Die Hauptsache ist erst mal, daß die alten Amerikaner wieder aus Afrika rausgeschmissen werden, die kriegen feste was auf die Hose.
Hat Opi meinen Geburtstagsbrief rechtzeitig bekommen und hat er fein gefeiert? Ist Rosi bei Euch? Wie geht es Euch denn, lassen Euch die Engländer in Ruhe?
So, bald werdet Ihr mehr hören, jedenfalls hoffentlich Näheres. Gleich muß ich auf Wache, das letzte mal hier und morgen geht’s ab nach ???
Laßt Euch alle recht herzlich grüßen von
Eurem Werner
Rußland, d. 21.XI.42
Meine liebe Mutti!
Ich weiß tatsächlich gar nicht, wie ich anfangen soll, ich bin noch immer ganz benommen von der vielen, vielen Post, die ich in den letzten Tagen empfangen habe. Ja, und es ist alles so wundervoll prompt angekommen. Ich war einfach selig und bin es selbstverständlich auch jetzt noch. Dein lieber Geburtstagsbrief kam genau am 20. an. Alle haben sie so lieb an mich gedacht: der liebe Papi, Opi, Walti!! Tante Else und Rosi. Also, liebe Mutti, ich danke Dir noch einmal recht recht herzlich für die gelungene Überraschung. Ich bin ja so glücklich. Und nun möchtest Du natürlich erfahren, wie ich meinen Geburtstag verlebt habe. Das werde ich Dir genau berichten, jedoch will ich um Euch zu beruhigen schnell einmal erzählen, was wir alles so erlebt haben.
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