Es ist so lieb von Dir und ich kann Dir gar nicht genug danken, daß Du und auch alle anderen so lieb an mich denken, nun sind wieder 2 große und so viele kleine Päckchen unterwegs. Wenn nur alles gut ankommt, ich freu' mich ja schon so sehr darauf und werde hoffentlich nicht von den vielen schönen Sachen krank. Daß Du die andere Paketmarke aufheben willst, ist sehr richtig. Leg’ auch die heutige einige Zeit zurück, und ebenso die Luftpostmarke nur für besondere Anlässe. Es hat nämlich seinen Grund, und es ist auch der Grund, warum ich heut' Dir mal wieder einen Luftpostbrief schreibe. Paß auf: Nachdem wir nun ein viertel Jahr lang, (Morgen ist übrigens genau ein viertel Jahr rum, seitdem ich in Rußland bin) in einer Stellung gelegen haben, die wirklich ruhig und friedensmäßig war, nachdem wir nichts als Bunker gebaut haben und uns mit allen nur erdenklichen Mitteln für den Winter vorbereitet haben, so und so oft in andere Bunker gezogen sind (vorgestern nämlich sind wir Funker in einen neu eingerichteten Bunker eingezogen, um uns hier häuslich niederzulassen) nachdem wir nun tatsächlich alle geglaubt hatten, man würde uns in Ruhe lassen, und uns dementsprechend anstrengten, müssten wir natürlich auch mal etwas tun für unser Geld. Was gestern noch Parole war, hat' sich heut bewahrheitet: Wir kommen weg: Wann genau und wohin, weiß keiner, jedenfalls noch im Laufe dieser Woche. Ja Kommiss ist nun immer Beschiß gewesen. Du brauchst Dir nun natürlich noch keine Sorgen zu machen, ich werde Dich natürlich auf dem Laufenden halten, und zwar noch mehr als früher. Die Post geht selbstverständlich laufend weiter. Es ist nur besser, wenn Du die Marken dann aufhebst, bis ich Dir weiteres mitgeteilt habe. Daher auch noch eine Bitte: nummeriere bitte von jetzt ab, wie ich es tun werde, getrennt Päckchen und Briefe. So kann man besser sehen, ob etwas verloren gegangen ist.
Eben komme ich von einer zweistündigen Störungssuche, die Leitung war zerschossen. Bis zum Knie sind wir in den Schlamm gesackt. Ich bin der Länge nach hingesegelt bei der Dunkelheit und dann regnet es in einer Tour; das war vielleicht ein Mist, ich kann Dir sagen. Und gleich muß ich auf Wache ziehen. Inzwischen sind auch wieder neue Nachrichten eingelaufen, nach denen alle Kompanien der Reihe nach eine kurze Ausbildung erhalten sollen, so daß wir wahrscheinlich hier noch wieder zurückkommen. Vielleicht bleiben wir dann ja noch hier, vielleicht hauen wir dann auch ab und müssen womöglich noch ranrobben. Eigentlich kann man sich das ja auch gar nicht denken, aber man muß sich eben den Plänen der Herren da oben fügen. Das ewige Umziehen bin ich ja nun gewohnt, und alles, was man beim Kommiss macht, ist umsonst getan. Na ja, ich sag mir, abwarten und Tee trinken. Erstens kommt es anders u. zweitens als man denkt. Hoffentlich haben wir Glück. Also Sorgen machen ist natürlich nicht am Platze. Meine Sorge wäre nur die Post, daß ich wenigstens die alle erhalte, sonst ist mir alles Wurst.
Na, und Euch geht’s sonst hoffentlich gut, wie es mir ja auch geht. Übrigens ist es prima, daß Du die Filmwelt kriegen kannst, das Blatt interessiert mich noch. Papi versorgt mich auch immer so lieb mit Illustrierten. Na, hoffentlich kann ich mir nun noch den Pudding kochen und die anderen schönen Sachen genießen. Nur nicht zu schwarz sehen.
Ich schreib Euch morgen wieder. Drückt den Daumen, daß alles klappt und seid alle drei recht herzlich gegrüßt von Eurem alten Sohn, Bruder und Enkel,
Werner
Rußland, den 14.X.42
Meine liebe Mutti, lieber Walti u. lieber Opi!
Meinen letzten Luftpostbrief werdet Ihr hoffentlich erhalten haben, in welchem ich Euch voll Begeisterung den Empfang Eurer lb. vielen Post mitteilte.
Zu Deinem lieben Brief u. der Karte: Also Du erhälst meine Post immer regelmäßig, das freut mich sehr; ich gebe mir aber auch immer Mühe, Euch laufend zu benachrichtigen, denn so wie Ihr an mich denkt, ist gar nicht wieder gutzumachen. Nun bist Du schon wieder und packst so ein schleierhaftes Paket für mich: das hagelt ja jetzt nur so. Und wie Du schreibst auch von Papi. Ich bekomme sehr oft Illustrierten von ihm, allerdings hab ich lange nichts Schriftliches von ihm gehabt. Und Du hast jetzt eine Gelegenheit, die Filmwelt zu bekommen? Du gibst Dir viel zu viel Mühe! Ich glaube, ich bestelle sie beim Verlag, da bekomme ich sie laufend zugeschickt und Du hast nicht die Arbeit, was meinst Du? Ja, zum Zeichnen finde ich gar keine Gelegenheit mehr, Du hast recht, das will ich nicht aufgeben. Bücher haben wir hier bestimmt genug, und einer bekommt hier auch das Fremdenblatt, so daß wir zu lesen immer genügend haben. Bis jetzt hatten wir ja eigentlich wenig Gelegenheit , denn den ganzen Tag bauten und arbeiteten wir und abends ( es wird nun sehr früh dunkel) haben wir nur ein paar kleine Kerzen, da kommt man gar nicht zum lesen. Jetzt dagegen, seitdem man von einer Versetzung murmelt, tut natürlich kein Mensch mehr etwas, wir stehen spät auf, lesen und schreiben, schlafen und essen. Leider ist ja der Zustand nur vorübergehend, denn in 5 Tagen komme ich zu einer Funkübung für einige Tage, Auch die Kompanien werden herausgezogen und ausgebildet. Das will natürlich viel heißen. Doch gebe Gott, das alles nur halb so schlimm ist, wie es aussieht. Alle haben einen Knast, denn keiner möchte jetzt noch im Winter einen Angriff machen. Aber ich glaube ja nicht dran. Mir ist die Hauptsache, ich bekomme meine Post, die leider für die paar Tage dann nicht nachkommt. Nun verleben wir hier noch eine paar schöne Tage in einem neuen, kleinen Bunker, der hochherrschaftlich eingerichtet ist, mit Radio!!!. Stell Dir vor, ich wohne hier mit noch einem (einem Lehrer) zusammen ganz allein. Bei dem augenblicklich herrschenden, ungemütlichen Wetter sitzen wir in unserer Bude und wälzen große Probleme. Das macht mir sehr viel Spaß, denn man kommt geistig nicht ganz auf den Hund.
Also, wir wollen mal abwarten, ich habe immer noch Hoffnung; daß Ihr noch so schönes Wetter hattet, wundert mich, hier mag man keinen Hund rausjagen. Für Walti war es ja ganz gut. Meinen Brief vom 28.9. hat er wohl nicht mehr bekommen, so danke ich hiermit noch einmal für seine liebe Karte. Er freut sich wohl doch, daß er wieder bei Muttern sein kann. Und was macht das Großväterchen, hat er meinen Brief bekommen? Heut' Abend oder morgen schreibe ich wieder u. gehe etwas ausführlicher auf Deinen lieben Brief ein. Dieser muß sofort weg, sonst dauert er einen Tag länger.
Drückt den Daumen, ja?
Und laßt Euch alle drei recht herzlich grüßen von
Eurem Werner
Rußland, den 22.X.42
Meine liebe Mutti, lieber Walti und lieber Großvater!
Es wird immer gewaltiger: ich meine die Post. Jeden Tag kommt ein armer Mensch mit einem gewaltigen Haufen für mich angeschleppt. Alle denken so lieb an mich und ich bin natürlich auch überaus glücklich. Von Dir und von Papi ist immer am meisten dabei. Am 19. kam Dein lieber Brief (vom 12.) und ein Päckchen. Und nun danke ich dir erst einmal recht recht herzlich für all die schönen Sachen. Papi hat mich gewaltig mit Briefpapier versorgt (3 Jahre komme ich nun mindestens damit aus), mit Zigaretten im Überfluss, mit Illustrierten und auch Pralinen. Jetzt kommt alles mit einem Schwung, während wohl seine ersten Briefe verloren gegangen sind. Ich hab' ihm bis jetzt aber auch schon 4 mal geschrieben.
Nun noch schnell etwas postliches: wie ich ja schon schrieb, sind Päckchen gesperrt ab 1.Nov. Dafür haben wir schon jetzt 6 Paketmarken für Weihnachten bekommen, die mindestens, oder sagen wir spätestens am 30. Nov. benutzt werden sollen. Eigentlich hab' ich ja ein schlechtes Gewissen, wenn ich Dich nun schon wieder mit Päckchenmarken überhäufe, aber ich möchte sie auch nicht gern verfallen lassen. Du brauchst mir ja auch nicht alles Lebensmittel zu schicken; aber das weißt Du ja am besten, für mich ist dann die Überraschung um so größer. Kannst Du mir nicht auch mal den Faust I. u.II. Teil (Reklam) schicken, der liegt im Kinderschrank. Ob Du wohl auch meine beiden letzten Mathe-Kladden finden kannst, ich möchte mich ja so gern mal wieder mit den alten Schulsachen beschäftigen. Jetzt erst kommt einem das zu Bewusstsein, daß es doch etwas schöner war, in der Schule lernen zu dürfen. Jetzt, nachdem man einige Zeit raus ist, entbehrt man es. Aber das geht ja jedem so.
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