Ich teilte Euch neulich ja schon mit, daß wir abgelöst worden sind, mitten in der Nacht zum 18. Das war natürlich Mist. Wir mussten noch nachts bei Schneegestöber und starkem Beschuss (der Russe hatte das natürlich spitz bekommen) die Leitungen abbauen. Es war ein tolles Durcheinander. Am nächsten Morgen ging es los. Marschieren, marschieren. Am Abend ging es ins Quartier, u. zwar dort, wo wir damals ausgebildet wurden, bevor wir nach vorn kamen. Am 19. ging es weiter und weiter (rückwärts natürlich, die Schüsse der Front wurden immer leiser) Als wir nun abends in diesem Dorf, in dem wir jetzt noch liegen, ankamen, wurde ich erst mal von einem gewaltigen Stoß Päckchen überrascht. Wir machten es uns gemütlich mit der ganzen Staffel und dann kam, wie gesagt, mein Geburtstag. Ja, was soll ich darüber sagen, wir hatten natürlich den ganzen Tag alle Hände voll zu tun, aber es war doch ein Geburtstag. Man denkt nur an zu Hause und an die vorangegangenen Jahre, wie war es doch immer schön, und wie ist es diesmal gewesen. Aber das macht nichts, ich war doch so unendlich glücklich, daß Ihr alle in der Heimat so lieb an mich gedacht habt.
Nun sind wir doch aus unserer guten Stellung heraus, es ging wirklich sehr schnell, und kein Mensch weiß, was man so kurz vor Weihnachten mit uns vorhat. Eines steht fest: wir kommen aus dem Nordabschnitt, man redet vom Mittelabschnitt, von Norwegen, Frankreich, Deutschland, und Gott weiß was. Alles Parolen, angesch…. werden wir so und so. Na wir wollen uns überraschen lassen. Wir sind jedenfalls vollkommen entlaust worden, und das hat etwas zu bedeuten. Abwarten!! Wir werden es schon früh genug erfahren. Jetzt hausen wir erstmal mit 20 Mann in einer kleinen Bude, aber es schießt draußen nicht, wenn es auch kalt ist.
Und meine Überraschung hat zu Deinem Geburtstag geklappt? Das freut mich unendlich, ich wollte mich ja so gern mal ein kleines bisschen revanchieren.
Ihr hört bald wieder von mir. (Walti u. Opa schreibe ich extra) Indem ich Dir noch einmal recht herzlich für alles Liebe danke, grüße und küsse ich Dich innigst,
Dein Werner.
Im Osten, den 26.XI.42.
Meine liebe Mutti, lieber Walter, u. lieber Opi.
Ich stehe immer noch unter dem Eindruck Eurer lieben Geburtstagsüberraschungen. Es war wirklich herrlich, all die vielen schönen Pakete und Briefe. Ihr habt mir so eine gewaltige Freude damit gemacht, und ich möchte Euch noch einmal herzlich danken. Die vielen schönen Kuchen und Leckereien, ich werde noch lange daran zutun haben, und es ist jedes mal ein Fest für mich, wenn ich irgendeine Dose von Dir aufmache oder ein Stück Kuchen esse. Ich bin wirklich reichlich beschert worden.
Und hinzu kommt nun noch Dein lieber Brief Nr. 7, den ich vor 3 Tagen erhielt, und für den ich Dir recht recht herzlich danke. Ihn ausführlich zu beantworten, hab' ich heute leider keine Zeit, denn im Augenblick sind wir schwer in Reisevorbereitungen und das viele Hin-und-her und Durcheinander lässt mich nicht zum Schreiben kommen. Jetzt ist es bereits 12 Uhr und morgen um 5 Uhr früh soll es fortgehen. Ich wollte Dir nur noch schreiben, damit Du nicht in Sorge um mich bist; hoffentlich werde ich bald Gelegenheit haben, ausführlicher schreiben zu können.
Also, morgen soll’s losgehen, wahrscheinlich etwas weiter nach dem Süden, da dort der Russe etwas aktiver geworden ist. Winterkleidung haben wir bereits bekommen, und zwar ganz phantastische: eine Pelzjacke, eine wattierte Zwischenhose und eine dicke gefütterte Mütze. Du siehst also, wenn es auch draußen sehr kalt ist und stürmt und schneit, wir werden bestimmt nicht frieren. Nur heißt es, wir sollen außer den Fingerhandschuhen keine weiteren bekommen. Sag mal, hast Du vielleicht Gelegenheit, größere Fausthandschuhe zum überziehen zu bekommen? Es wäre wunderbar. Auch Deine Felleinlagesohlen leisten wunderbare Dienste, sie sind herrlich warm und wenn Du mir vielleicht noch 2 Paar davon schicken könntest, wäre ich Dir unendlich dankbar.
Ja, wie gesagt, wir stecken augenblicklich schwer in der Arbeit, hoffentlich hat man nicht allzu dolles mit uns vor. Aber uns alte Landser kann ja nichts mehr erschüttern, auch nicht der Schnaps, den es reichlich gab. Er zauberte eine reichlich ausgelassene Stimmung hervor, konnte mir aber nichts anhaben. Na, hoffentlich haben wir wenigstens Gelegenheit, Weihnachten feiern zu können.
So, nun muß ich aber schnell ins Bett, bald werde ich Dir ausführlicher schreiben, vielleicht während der Fahrt. Die Hauptsache ist, daß es Euch weiter recht gut geht, und Ihr nicht mehr so viel Angriffe habt. Hat der Tommy die letzten Male viel angerichtet? Es ist immer meine einzige Sorge. Um mich braucht Ihr Euch keine Gedanken zu machen, denn ich habe es bis jetzt ja noch immer sehr gut, besonders, was das leibliche Wohl anbetrifft.
Laßt es Euch weiterhin recht gut gehen, und Euch herzlich grüßen von
Eurem Werner
Im Osten, den 24.XII 42
Meine liebe Mutti, lieber Walti und lieber Opipo.
Heut’ ist nun endlich der Tag, an dem der heilige Abend steigen soll, und es ist wohl auch der Tag, an dem man am meisten an zu Hause denkt. Vor allen Dingen erinnert man sich heut’ so gern an die schönen Feste, die man all die Jahre zu Hause bei Euch Lieben feiern durfte. Ach, wie war es doch immer herrlich, so ohne Sorgen, ohne Gefahr und ohne Unbequemlichkeiten die Feste verleben zu dürfen. Wißt Ihr noch? Wie waren Walti und ich jedes Mal tagelang vorher aufgeregt, haben mit Eifer für Dich Geschenke eingekauft, mußten unbedingt immer den größten Tannenbaum von der ganzen Gegend haben und konnten gar nicht abwarten, bis der geschmückte Baum für den Heiligabend fertig im Zimmer stand. Ich habe mir doch wirklich jedes Mal große Mühe mit dem Schmücken gegeben, und Marzipan haben wir gemacht und Kuchen gebacken. Ja, und dann kam endlich, endlich der große Augenblick, wo wir dann in das Zimmer kommen durften.
Ach, was lagen da jedes Mal für herrliche Sachen, kaum zählbar, die Du, liebe Mutti, uns unter den Tannenbaum gelegt hast, wie waren wir glücklich! Und nach der Bescherung stieg dann meistens das berühmte Karpfenessen, während wir uns schon vorher an den vielen Leckereien satt gegessen hatten. Am heutigen Abend werdet Ihr nun sicher wieder, wie alle Jahre, mit unserem lieben Papi zusammen dieses schöne Fest feiern.
Ihr werdet nun sicher schon im Bett sein, und ich, da ich gerade von der Wache komme, kann meinen Brief ungestört beenden. Auch hier hat sich das Feiern allmählich gelegt und alles schläft. Denn wenn wir heute auch mit schwerem Rabatz gerechnet hatten, wir sind doch angenehmer enttäuscht worden, als wir dachten. Auch wir haben, trotz aller Schwierigkeiten und Umstände, unsere stille und wirklich nette Weihnachtsfeier hinter uns. Wir können uns nicht beklagen, bis jetzt auch noch nicht bei den Russen! Die allergrößte Freude jedoch bereiteten mir die beiden herrlichen Pakete von Dir und Papi, die ich heut' Abend erhielt. Ich danke Dir auch von ganzem Herzen dafür, liebe Mutti, es war reizend und so mit Liebe zurecht gemacht, das war wieder einmal eine gewaltige Überraschung, und ebenso das herrliche Paket von Papi, sowie sein lieber Brief. Besser hätte ich mir es gar nicht wünschen können.
Ich will Dir mal Einzelheiten berichten, das interessiert Dich gewiß: heute morgen, nachdem wir uns alle feierlich rasiert hatten und im Schnee so gut es ging gewaschen hatten, gingen wir endlich einmal daran, unsere Bude gründlich aufzuräumen, so daß wir etwas Grund und Platz bekamen, was uns auch so leidlich gelang. Die dekorative Ausstattung übernahm dann ich. Die Wände wurden teilweise mit Servietten beklebt und die Fotos mit Tannenzweigen darauf, sehr romantisch. Auch für einen Tannenbaum, der wegen des Platzmangels leider nur sehr winzig ausgefallen ist, habe ich besorgt und geschmückt (aushilfsweise mit in Streifen geschnittenen Silberpapier). Heute Abend kam dann, wie gesagt, die Überraschung von Euch beiden und ebenfalls auch vom Kommiss: Zigaretten, Schokolade, 1 Flasche Sekt!! 1 Klöben, Keks, Bonbons und Pfeffernüsse. Radioanschluß mit gedämpfter Musik haben wir uns auch besorgt und dann ging’s los. Es war wirklich feierlich und nett, trotzdem wir mit 12 Mann hier noch hausen. Man denkt nur ein bisschen viel an zu Hause, wie Ihr dort wohl gefeiert haben werdet. Ich wäre ja so gern dabei gewesen und hätte wie alle Jahre das Fest mit Euch verlebt.
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