Hanns Sedlmayr - Valerie

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Valerie ist eine Frau in den mittleren Jahren mit einem Sozialen Beruf. Sie sehnt sich nach der Liebe. Es sind nicht die Körper der Männer, die sie anziehen. Es ist die süße Lust der Hingabe, das Aufgehen in einem anderen Menschen, der Verlust der Einsamkeit. Sie fühlt sich ohne Mann unvollständig. Nur mit einem Mann ist sie ein kompletter Mensch. Und sie sehnt sich danach ein kompletter Mensch zu sein. Genau dieses Gefühl der Unvollständigkeit, macht sie so wehrlos, gegenüber den Männern, für die sie entflammt. Alle Männer die sich ihr nähern versieht sie mit den besten Eigenschaften. Sie erscheinen ihr alle sensibel, großzügig, ehrlich, phantasievoll und auch genauso voller Sehnsucht nach einem Lebenspartner wie sie. Die beste Zeit, um einen Mann zu finden ist längst um. Alle Ihre Beziehungen sind enttäuschend verlaufen.
Erzählt wird die Geschichte von Valeries Reife zu einer Frau, die die Liebe nicht mehr nur in der bürgerlichen Ehe sucht.

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Hanns Sedlmayr

Valerie

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Inhaltsverzeichnis Titel Hanns Sedlmayr Valerie Dieses ebook wurde erstellt - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Hanns Sedlmayr Valerie Dieses ebook wurde erstellt bei

In der Klinik 2013

Der Rettungssanitäter 2013

Max und Lena 2011/2012

Noch einmal Max 2013

Sabine 2014

Angestellte in einer Klinik für Psychiatrie

June 2014

Der Zahnarzt 2015

Absturz aus dem Glück und Rückkehr ins Leben 2015

Helga 2015

Über die Liebe 2015

Die Mutter 2015

Malen 2016

Christian 2016

Maltherapie 2017

Politik 2017

Genesung 2018

Impressum neobooks

In der Klinik 2013

06.05.2013 Am Morgen

Ich sitze in der U-Bahn und bin auf dem Weg in eine psychotherapeutische Tagesklinik. Es ist mein erster Tag als Patientin in dieser Klinik. Meine Ärztin hat mir geraten ein Tagebuch über meinen Klinikaufenthalt zu schreiben. Ich habe meinen Rechner mitgenommen und beginne schon in der U-Bahn zu schreiben.

Am Tag zuvor schluckte ich zwei Schlaftabletten und bin immer noch leicht betäubt. Meine Ärztin schrieb mich mit der Diagnose Burnout krank, wies mich in diese Klinik ein und schickte mich zu einem Psychiater.

Der Psychiater fragte mich nach meinem Befinden. Ich sagte, dass ich nach Meinung meiner Ärztin unter einem Burnout leide. Darauf stellte er ein Rezept aus und stand auf und brachte mich zur Tür. Ich war wütend über diese achtlose Behandlung, als ich die Praxis verließ. Zuhause las ich in der Packung, dass das Rezept bei Schizophrenie hilft. Ich warf das Rezept in den Abfall.

Jetzt bin ich unterwegs in die Klinik. Ich wäre am Morgen am liebsten für immer im Bett liegen geblieben. Ich bin eine Stunde bevor ich aufstehen musste mit einem Alptraum aufgewacht. Ich träumte ich bin im Unterricht in einer Schulklasse ohne bekannte Gesichter. Eine Lehrerin stellte eine einfache Frage. Ich hatte Angst vor der Lehrerin. Ich wusste, dass sie es auf mich abgesehen hat, sie wollte mir eine Falle stellen. Ich meldete mich und beantwortete die Frage, ich dachte das würde die Lehrerin milde stimmen, dem war aber nicht so. Die Lehrerin lachte höhnisch über meine Antwort, dann zog sie einen Sack vor das Lehrerpult und entleerte den Sack. In dem Sack erkannte ich lauter Dinge, die ich weggeworfen hatte. Schuhe die abgetragen oder zu klein geworden waren, eine Mütze aus meiner Kinderzeit, die ich hasste, meinen Teddybären.

Die Gegenstände aus dem Sack machten mir Angst.

Als ich wach war zog sich mein Brustkorb zusammen. Ich konnte nur mehr schwer atmen. Im Traum hatte ich Angst vor den Gegenständen in dem Sack. Nach dem Aufwachen wurde es eine Angst ohne erkennbare Ursache.

Ich bin erst mühsam aus dem Bett gekrochen, als ich bereits die Wohnung hätte verlassen müssen. Ich wusch mich nicht und frühstückte nicht. Ich zog mich an und lief zum Bus.

Es ist eine unbestimmte Angst, die mich seit Wochen lähmt. Ich kann nicht sagen, wovor ich konkret Angst habe. Diese Angst richtet sich gegen alles. Gegen das Aufstehen, gegen das Verlassen der Wohnung, gegen das Fahren mit der U-Bahn, gegen das Aussteigen aus der U-Bahn. Sie ist immer da. Diese Angst drückt mich mit einem bleiernen Gewicht nieder. Es gibt nichts mehr, was mir Freude bereitet. Alltägliche Verrichtungen kosten mich sehr viel Kraft. Früher kochte ich gerne, auch für mich alleine. Ich kann das seit Wochen nicht mehr. Ich habe ohnehin keinen Appetit. Ich esse kalt oder mache mir eine Dose warm. Mehr geht nicht. Das letzte Treffen mit meiner Freundin verlief peinlich. Ich brauchte lange, um auf ihre Fragen zu antworten. Ich konnte mich nicht auf das konzentrieren, was sie mir erzählte. Ich verstand es nicht. Ihre Sätze kamen unvollständig bei mir an. Ich glaubte einen Gehörschaden zu haben. Wenn ich versuchte ihr etwas zu erzählen, vergaß ich mitten im Satz was ich erzählen wollte und verstummte voller Ekel vor mir selbst.

Ich erwarte keine Hilfe in der Klinik. Niemand kann mir helfen. Ich fahre in die Klinik, weil meine Ärztin es will.

06.05.2013 am Abend

Zu Hause angekommen trinke ich auf leeren Magen eine halbe Flasche Rotwein. Als der Alkohol zu wirken beginnt und ich mich etwas besser fühle, esse ich ein Käsebrot und lege mich angezogen ins Bett und schlafe sofort ein.

Ich bin nach ein paar Stunden aufgewacht. Ich habe Kopfschmerzen. Ich stehe auf und schreibe Tagebuch.

In der Klinik meldete ich mich beim Empfang und wurde in ein Wartezimmer geleitet. Dort saßen mehrere Mitpatienten. Die Meisten um die vierzig. Mir scheint Burnout ist die Krankheit meiner Generation. Ich setze mich an einen Platz der am weitesten von meinen Mitpatienten entfernt ist.

Es sind sechs Frauen und ein Mann. Der Mann redete auf eine Mitpatientin ein. Er hat schiefe Zähne und einen Schmerbauch. Er spricht laut und scheint es zu genießen die Aufmerksamkeit, auch der anderen Wartenden, auf sich zu lenken.

Gezwungener maßen muss ich seiner Erzählung, von einem Einsatz als Rettungssanitäter zuhören, bei dem er einen Hund, der sich auf einen Baumstamm gerettet hatte, aus der reißenden Würm rettete. Ich kenne die Würm. Meine Freundin wohnt in der Nähe. Sie ist ein schmaler Bach und keinesfalls reißend.

Während der Rettungssanitäter seine Rettung des Hundes ausschmückt, kommt eine Dame und führt uns in einen Saal mit einem großen runden Tisch, in dem schon zwei Ärzte in weißen Kitteln warten. Alle nehmen an dem runden Tisch Platz. Der ältere der Ärzte ergreift das Wort und macht uns mit dem Programm für die Zeit unseres Aufenthaltes vertraut. Es besteht überwiegend aus Gruppentherapie und nur zwei Stunden Einzeltherapie pro Woche. Begleitet werden die Therapiesitzungen von Übungen zur Hebung des Selbstwertgefühls und zur Strukturierung der Tagesabläufe. Mir graut davor in einer Gruppe über meine Erkrankung zu sprechen und ich bekam einen Panikanfall. Ich konnte nur mühsam meinen Reflex wegzulaufen unterdrücken. Mein Mund war so trocken, dass ich, als jeder Patient sich kurz vorstellen musste, erst lange nicht sprechen konnte.

Keiner sagt er hätte eine Depression. Alle sagen sie litten unter einem Burnout. Burnout ist scheinbar die weniger peinliche Bezeichnung.

Als ich am Abend in der U-Bahn nach Hause fahre, fühle ich mich noch schlechter als bei meiner Anreise am Morgen. Die optimistische Darreichung all dieser wunderbaren Heilverfahren, die die Klinik anbietet, scheint mir mehr dem Nutzen der Klinik, als dem Wohlbefinden der Patienten zu dienen.

Ich habe Ergotherapie studiert. Das medizinische Vokabular ist mir vertraut. Ich verstehe die Konzepte die hinter den Therapieformen stehen. Sie scheinen mir wie eine Verhöhnung meiner Befindlichkeit. Wenn es so leicht ist sein Selbstwertgefühl zu erhöhen. Wenn man sich nur immer wieder vorsagen muss: „Du bist ein wertvoller Mensch.“ Warum bin ich dann in dieser Klinik gelandet.

Mir scheint, all diese optimistischen Leute, die ich heute kennenlernte, haben keine Ahnung wie quälend es ist, schon am Morgen vor dem Aufstehen in eine Panik zu verfallen, in der kein klarer Gedanke mehr möglich ist und die wiederum eine Angst auslöst, der ein Herzrasen folgt, so dass nur mehr der Wunsch besteht von dieser Qual erlöst zu werden, wenn es nicht anders geht, dann eben durch den Tod. Ich hatte nie den Wunsch zu sterben, ich wollte nur, dass diese Qual aufhört. Ich wünsche mir eine, für jeden sichtbare Wunde zu haben, auf die ich zeigen könnte. „Seht her das ist meine Wunde. Schneidet sie auf oder schließt sie. Ich ertrage sie nicht mehr.“

Aber es gibt keine sichtbare Wunde. Es gibt nur eine eingebildete Wunde und das Gefühl der Scham, dass ich mir diese eingebildete Wunde selbst zugefügt habe.

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