„Da hast du wohl Recht. Es heißt ja auch in der Werbung: Guinness is good for you. Und da steckt viel Wahrheit dahinter. So, ich glaube, ich werde mal wieder ein wenig Musik machen. Mein Kollege wartet schon auf mich. War nett, dich kennengelernt zu haben, Alan.“
„Wann hättest du Zeit, zur Farm zu kommen?“
„Ich denke, übermorgen gegen drei Uhr nachmittags, wenn es dir auskommt.“
„Das passt gut, da bin ich auf dem Hof. Du kannst die Farm nicht verfehlen. Achte nur auf die Einfahrt mit den Hunden auf den Säulen.“
„Alles klar. Wir sehen uns.“
Während Conor den nächsten Reel spielte, spürte er, wie sehr er das Gespräch genossen hatte. Offensichtlich fehlte ihm die vertraute Umgebung und vor allem die Arbeit mit den Hunden doch mehr, als er sich immer eingestehen wollte. Deshalb war er froh über das Angebot, bei der Ausbildung der Hütehunde helfen zu können. Zu sehr hatte er das schon vermisst. Und eine weitere finanzielle Spritze konnte er gut gebrauchen. Das Leben in Dublin war teuer.
Am übernächsten Tag fuhr Conor zur Farm von Alan òReilly. Er genoss die Fahrt an der irischen See entlang durch den mondänen Badeort Malahide und Portrare weiter nach Rush.
Schon am Eingang begrüßten ihn einige der Hunde und gleich freundete Conor sich mit ihnen an. Es bedurfte nicht viel Worte oder Streicheleinheiten, er verstand sich auf Anhieb mit den Hunden.
Auch Alan war gleich davon beeindruckt, wie die Hunde auf Conor reagierten.
Von da an war Conor jede freie Minute, die er neben dem Studium entbehren konnte, auf der Farm und arbeitete mit den Hunden. Den zweiten Wurf Welpen bildete er bereits komplett allein aus. Er hatte Alan voll von seinen Qualitäten überzeugt und dieser vertraute Conor. Die Hunde erreichten nahezu die Qualität wie diejenigen, die er auf der häuslichen Farm in der Connemara ausgebildet hatte. Alan bevorzugte jedoch die Kurzhaar-Collies für seine Zucht. In der Connemara hatte Conor ausschließlich mit den größeren langhaarigen Bordercollies gearbeitet.
Schnell sprach sich bei den Schaffarmern rund um Rush und Skerries herum, dass Alan für die Ausbildung seiner Hütehunde einen kompetenten Partner hatte. So stellte sich auch der finanzielle Erfolg ein, so dass sowohl Alan als auch Conor sehr zufrieden waren mit dem Ergebnis.
Was für Conor aber noch wichtiger war als das Geld - klar, das konnte er auch gut gebrauchen – war, dass er endlich wieder mit Hunden arbeiten konnte. Wie sehr er das vermisst hatte, wurde ihm umso bewusster, je mehr Zeit er auf Alans Hof verbrachte.
Die Arbeit mit den Hunden gab ihm eine große innere Zufriedenheit und spornte ihn beim täglichen Studium zusätzlich an.
So vergingen die Semester für Conor wie im Flug. Er genoss es, sich mit seinen Professoren und Kommilitonen über die unterschiedlichsten Themen zu unterhalten und zu diskutieren. Vor allem begeisterten ihn immer wieder die Darstellungen der unterschiedlichen Denkweisen der einzelnen Diskussionsteilnehmer und deren Verteidigung durch entsprechende Argumentationen. Er sog begierig die Erkenntnisse und Erfahrungen in sich auf, die sich in solchen Gesprächen für ihn ergaben.
Oft spielten sich derartige Diskussionen während oder nach dem Mittagessen in der Mensa ab.
Wie beiläufig sprachen sie eines Tages über das Thema Einfluss der traditionellen Musik auf die aktuelle Rock- und Popmusik. Normalerweise hockte Conor fast ständig mit den vier gleichen Studienkollegen an einem Tisch. An diesen Tag hatte sich eine Bekannte seines Studienkollegen Eddie Parslow mit zu ihnen an den Mittagstisch gesellt. Sie war offensichtlich ebenfalls sehr musikinteressiert und beteiligte sich lebhaft an der aufkommenden Diskussion. Ihr Name war Eva Nealan, wie Conor im Laufe der Diskussion erfuhr. Allerdings bevorzugte Eva Nealan die gälische Schreibweise ihres Vornamens nämlich Aoife, zumal sie in einer Familie aufgewachsen war, in der noch immer gälisch gesprochen wurde. Aoife vertrat vehement den Standpunkt, dass sich alle Musikstilarten, auch und vor allem die Rock- und Popmusik Anleihen aus der traditionellen Musik zögen. Sie verteidigte ihre Auffassung mit gekonnten Argumenten und vielen nachvollziehbaren Beispielen gegen alle Versuche der männlichen Studienkollegen mit einem Eifer und einer Begeisterung, die Conor mehr und mehr imponierten. Schließlich war er der gleichen Auffassung wie Aoife Nealan. Und so unterstützte er sie eifrig in ihren Argumentationen:
„Kennt noch jemand von euch die holländische Band Ekseption? Die spielt die klassischen Stücke fast unverfälscht, nur im Rockgewand verpackt. Oder aber die großen Emerson, Lake and Palmer , die klassische Musik spielen wie Bilder einer Ausstellung von Mussorgsky in ihrem ureigenen Rockstil, daneben aber auch eigene Songs, die eindeutig klassisch geprägt sind. Fast alle großen Rockbands verarbeiten Elemente der klassischen Musik in ihren Kompositionen. Beste Beispiele sind da Pink Floyd, Deep Purple, Asia, Yes, Genesis und Dream Theater oder auch alle Rockbands, deren Stilrichtung man heute als Progressiv Rock bezeichnet wie Marillion, Arena, Gazpacho, Pallas, Pendragon und wie sie alle heißen. Sogar reine Gitarrenbands bedienen sich klassischer Elemente. Hört euch nur mal Mark Knopfler an oder Eric Clapton oder sogar die Heavy Abteilung mit Joe Satriani oder Stevie Vai . Keiner verzichtet auf Einflüsse der klassischen Musik.“
„Hallo, da spricht unser großer Musikexperte“, warf Eddie Parslow in die Runde. „Aber wenn ich mir deine Beispiele vor Augen oder besser gesagt vor Ohren führe, hast du wahrscheinlich schon Recht. Mir war das als ausschließlicher Musik-Konsument gar nicht so aufgefallen. Für mich zählt eigentlich auch nur: Gefällt mir oder gefällt mir nicht. Ganz gleich ob da Anleihen aus der Klassik verarbeitet worden sind.“
„Ja, entscheidend ist immer der Geschmack des Hörers, aber ihr kennt doch die aktuelle Diskussion über dieses ACTA-Abkommen, wo es um die gegensätzlichen Standpunkte der sogenannten Produktpiraterie und illegale Verbreitung von fremdem geistigem Eigentum geht, besonders Musikstücke versus der Freiheit im Internet. Die Verfasser von Büchern oder die Musikkomponisten beharren aus nachvollziehbaren Gründen auf ihre Rechte an ihrem geistigen Eigentum, das ist schließlich ihre Einnahmequelle. Die Gegner des Abkommens befürchten auch nachvollziehbar die Reglementierung des Internets. Meines Erachtens spielt das sogar in dieses Thema mit hinein. Eigentlich werden die Rechte der Musikideen der alten Komponisten wie Mozart, Beethoven oder Wagner und so weiter immer noch tangiert, wenn sie in heutigen Kompositionen teilweise mit verarbeitet werden. Aber meines Wissens verlieren die Komponisten nach 30 Jahren ihre Ansprüche und ihre Musik kann frei von Rechten von jedem aufgeführt und verwertet werden. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht“, konterte Aoife.
„Aber jede Zeit hat ja auch ihren musikalischen Mainstream. Das heißt, wenn eine Band mit einem Stück besonders erfolgreich in den Charts ist, versuchen weitere Bands, sich diesem Musikstil anzupassen und ihrerseits einen ähnlich klingenden Hit zu landen. Denkt mal an die Zeit der Beatles . Sie landeten mit Ihrer Ballade Yesterday von Paul McCartney einen ganz großen Hit, gleich danach konterten die Rolling Stones mit As Tears Go By . Und ähnliche Beispiele gibt es bis heute zur Genüge“, warf Conor ein.
„Genau“, erwiderte Eddie. „Geklaut oder nicht, ist mir egal, Hauptsache geile Mucke. Irgendwie war ja wahrscheinlich alles schon einmal da. Und die Plagiatsvorwürfe treffen ja sogar die bekanntesten Größen der schreibenden und musizierenden Zunft. Auch Michael Jackson war davon nicht ausgenommen.“
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