Tons May - Zellgeflüster

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Beat malt «parareale Phänomene», als er plötzlich selbst von einem Phänomen heimgesucht wird. In seinen Träumen und beim Malen überfällt ihn ein Wesen, das sich Cenobio nennt. Zur selben Zeit nimmt sich seine Nachbarin Juliana das Leben. Hat ihr Tod etwas mit seinem ungebetenen Gast zu tun?
Eine wilde Geisterjagd beginnt, bei der sich Beat zum Wirt macht für Wesen, die sich wie Viren durch Träume, Malerei, Sex und Magie in Körper und Bewusstsein schleichen können. Für Daimonen, die keine Dämonen sind. Für Parasiten, die im Nervensystem spuken.
Erfundene Geister und unerklärliche Phänomene, Vorahnungen, Selbstverstümmelungen, luzide Träume, schwarze Materie und menschliche Schlangen. Löcher in der Wahrnehmung, graues Rauschen, Lichterscheinungen, Zellgeflüster. All das verdichtet sich zu einer Melange, in der Geister vieles sind, aber keine Gespenster.

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Tons May

Zellgeflüster

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Inhaltsverzeichnis Titel Tons May Zellgeflüster Dieses ebook wurde erstellt - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Tons May Zellgeflüster Dieses ebook wurde erstellt bei

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Impressum neobooks

Kapitel 1

Ethos anthropoi daimon.

A man’s character is his daimon.“

Heraclitus

Wach auf Ihre Stimme überrascht mich Sie ist tiefer als ich erwartet - фото 2

„Wach auf!“

Ihre Stimme überrascht mich. Sie ist tiefer, als ich erwartet hätte. Dunkel und heiser. Ihre Augen halbgeschlossen. Ihr Gesicht glänzt im flackernden Licht. Sie sieht aus, als würde sie ohnmächtig werden. Ich halte sie an den Armen fest, schüttle sie.

„Ich bin wach.“ Auch meine Stimme überrascht mich.

Ich muss husten. Sie schüttelt den Kopf. Lächelt. Das Haar fällt ihr strähnig ins Gesicht, sie kippt zur Seite. Ich fange sie auf. Sie riecht nach einem Parfüm, das ich kenne.

„Du musst sie loslassen.“

Sie lässt ihren Kopf nach hinten fallen und starrt mich einen Moment lang an. Dann taumelt sie wieder zur Seite. Ich stolpere hinterher.

„Was ist das für ein Parfüm?“

„Erst finden. Dann loslassen.“

Sie lacht schrill auf. Ein unangenehmes Lachen. Aber ihre Stimme ist sexy.

Meine kann nur noch flüstern. „Was meinst du damit?“

Sie reißt einen Arm los und lässt ihre Finger in der Luft tanzen. Sticht mir mit dem Zeigefinger in die Brust. Fährt mit der Hand nach unten, bis zum Bauchnabel.

„Deine Geister. Du musst sie finden und loslassen. Sonst.“

„Was sonst?“

Ich hoffe, ihre Hand bewegt sich weiter hinunter, macht mir ein Angebot.

„Sonst wirst du krank. Richtig krank. Nicht so wie jetzt.“ Sie lacht wieder, nicht mehr so schrill. Dann lässt sie den Arm fallen. Ihre Lider zittern schwer. Ihre Lippen bewegen sich lautlos. Ich ziehe sie nach draußen, in den Innenhof, und setze sie auf eine Bank. Ihr Kopf sinkt nach hinten. Ich kann das Weiße in ihren Augen sehen. Zwei leuchtende Halbmonde unter dunkel verklumpten Wimpern. Einen Augenblick lang denke ich, sie hat einen epileptischen Anfall. Doch dann zieht sie den Mund in ein Lächeln und küsst mich. Opium. Ihr Hals riecht nach Opium.

Später sitzen wir auf dem Dach. Sie lässt eine Zigarette zwischen den Fingern verglimmen und starrt vor sich hin. Die Sonne geht auf und schlechte Laune zieht wie Nieselregen durch die Luft. Sie kratzt sich am Ellbogen. Ich sehe die dunklen Flecken auf ihrem Unterarm, mein Versuch, mich in ihre weiße Haut zu brennen. Die Nacht unvergesslich zu machen. Als ich sie nach ihrem Namen fragen will, fällt ein Schatten auf ihr Gesicht. Ich schaue hoch. Jean steht vor uns. Er nickt uns zu, lächelt. Sie steht auf in einer flüssigen Bewegung, die ich ihr nicht zugetraut hätte. Zum Abschied wirft sie mir einen Kuss zu. Er lächelt noch immer, sie drehen sie um und gehen. Er hat den Arm um sie gelegt und sie geht auf einmal ganz aufrecht. Nicht mehr betrunken, nicht mehr müde.

Auch ich bin nicht mehr müde. Der Sänger hat mir die Frau weggenommen. Ich weiß, wie sie schmeckt, aber ihren Namen weiß ich nicht. Und ich weiß noch immer nicht, was sie mir sagen wollte. Der Sänger hat das Geheimnis mitgenommen. Ich suche mein Fahrrad, finde es hinter einem Baum und fahre los. Ihr Geruch hängt wie ein Schleier an mir. Ich trete schneller, um ihn abzuhängen.

Obwohl es noch früh ist, vielleicht sieben oder acht, ist die Luft schon warm und schwer, so, als könne man sie anfassen, von der Haut kratzen. Ich fahre am Kanal entlang, bis die Industrieanlagen anfangen, und setze mich ins hohe, gelbe Gras am Ufer gegenüber. Mein Mund schmeckt nach der Nacht, bitter und unfertig. Der Hals brennt. Ich muss husten. Die Sonne ist viel zu hell und ich suche nach der Sonnenbrille. Ich finde sie und es ist nicht meine. Ich weiß nicht, wer sie ist, wie sie heißt, ob ich sie wiedererkennen würde. Um mich zu erinnern, berühre ich die Stelle am Hals, wo sie sich festgesaugt hat. Ein Anker in einen Moment vor ein paar Stunden, an dessen Details ich mich kaum noch erinnern kann. Irgendetwas hat sich kurz entfaltet und ist wieder zusammengefallen.

Geister? Die Frauen, die ich treffe, werden immer merkwürdiger.

Meine Hände riechen nicht mehr nach ihr, nach ihrem Duft, sondern nur noch nach Zigaretten. Ich hätte sie nach dem Namen fragen sollen. Wären wir nüchterner gewesen, wären wir uns woanders begegnet – sie hätte nicht von Geistern gesprochen und ich würde jetzt nicht hier sitzen, sondern irgendwo schlafen. Irgendwo, wo es dunkel und weich ist. Wo es nach Opium riecht und meine Sonnenbrille noch mir gehört. Ich lege mich auf die Seite und atme in die vertrocknete Wiese.

Als ich aufwache, ist es nachmittags. Mein Hemd ist nass, Gras und Erde kleben am Ellbogen, im Gesicht. Ich lege mich auf den Rücken, blinzle in den Himmel. Die Sonnenbrille hat einen Sprung und ich sehe den Riss im Universum. Den Riss, nach dem ich immer suche. Den Riss, den ich nicht finden will. Er zieht sich direkt vor mir nach oben, zum Anfassen nahe. Ich muss husten. Mein Mund ist voller Käfer. Ich stehe auf und kippe um. Ich komme wieder auf die Knie, langsam und zittrig, als ich ihn links neben mir sehe. Er sitzt auf einer Mauer und schaut aufs Wasser. Er trägt eine Sonnenbrille, die so aussieht wie meine, Jeans, Turnschuhe und eine Kapuzenjacke, die ihm tief ins Gesicht hängt. Er tut so, als würde er die Enten beobachten, die in Formation ans andere Ufer schwimmen. Sobald ich den Enten nachschaue, merke ich, dass er mich anstarrt. Ich drehe den Kopf blitzschnell zurück, aber er ist schneller. Hinter seiner Sonnenbrille und Kapuze verschanzt, spielt er ein Spiel mit mir. Vielleicht hätte ich vor ein paar Stunden noch mitgespielt. Jetzt stehe ich auf, reiße mein Fahrrad hoch und fahre los.

Nach einigen Metern drehe ich mich um. Er fährt hinter mir, langsam, gebeugt über sein Fahrrad wie eine Schildkröte. Ich fahre schneller, sehe mich nicht mehr um, bis ich zur nächsten großen Querstraße komme. Hier warte ich, bis die Ampel auf grün springt. Ich kann ihn hinter mir spüren. So, als klebte er an meinem verschwitzen Rücken. Wieder ein Schleier, den ich nicht abschütteln kann. Schließlich wechsle ich auf große Straßen und fahre zügig. Als ich an einem Bäcker vorbeikomme, halte ich an. Der Verkehr ist dichter geworden. Menschen überqueren die Straße. Hier bin ich sicher. Ich lehne das Fahrrad an die Wand und gehe hinein. Als ich wieder herauskomme, sehe ich ihn auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er schaut mich unverhohlen an. Seine Kapuzenjacke ist offen, sein dünner Oberkörper nackt. Unfassbar. Ich hänge die Brötchen an den Lenker, steige aufs Fahrrad und schlängele mich durch die Autos auf die andere Straßenseite. Er steigt auf sein Fahrrad und fährt los. Ich ihm hinterher. Am Ufer biegt er ab und poltert auf Pflastersteinen eine schmale, schattige Straße hinunter. Ich hinterher. Dann bleibt er plötzlich stehen, schmeißt das Fahrrad vor ein Haus und rennt durch die offene Haustür. Ich hinterher.

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