Nachdem es Adrian besser ging, entschuldigte er sich für das Geschehene. Als Zeichen der Annahme strich ihm Melina mitfühlend übers Haar. »Schon gut. Ich fühlte, bevor es mich traf, ebenfalls nichts.« Ihren besorgten Gesichtsausdruck sah er zum Glück nicht. Ob ihre düstere Vermutung wirklich begründet ist, testete sie umgehend mit einem Blitzangriff. Bei diesem fasste sie Adrian derb an die Schulter. Er zuckte erschrocken zusammen, mehr geschah nicht. Davon ermutigt bat sie: »Darf ich deinen Rücken abtasten.«
Adrian stimmte ohne Zögern zu, dann drehte er sich auf den Bauch. Sogleich näherten sich Melinas Hände zaghaft seinem oberen Rücken. Sie verspürte keinerlei Barriere, dennoch blieb sie wachsam. Millimeter um Millimeter bewegte sie die Hände weiter abwärts. Einen fingerbreit vorm Auflegen hielt sie inne. Nichts geschah. Nicht mal ein Kribbeln verspürte sie. Dessen ungeachtet wagten sie nicht, sich zu bewegen. Für Sekunden waren nur ihre angespannten Atemzüge zu hören.
»Nun denn! Ich lege die Hände auf«, flüsterte Melina.
»Ja«, raunte Adrian.
Im Zeitlupentempo überwand Melina die noch verbleibende Distanz. Knapp über der Haut, sie konnte bereits seine Körperwärme spüren, knisterte es. So wie Melina es vernahm, wurde sie von einer unsichtbaren Kraft vom Bett weggeschleudert. Ihr unaufhaltsamer Flug katapultierte sie ungebremst an die hintere Wand. Schmerzerfüllt ächzend rumpelte sie zusammengeknautscht, rücklings an der Wand hinab. So wie sie Fußboden Kontakt hatte, blieb sie regungslos liegen. Nur gut das die Zellen I P S, das in der verzerrten Luftspirale davon preschende Geschoss als einen humanoiden erkannten und bereits vor Melinas aufschlagen stummen Alarm auslösten. Gleichlaufend veranlassten diese, dass ein Trägerstahl den humanoiden abfängt, doch bevor jener auf das Geschoss fixiert war, schlug es an der hintersten Wand ein. Die davon ausgehende Erschütterung sowie die I P S Daten lösten einen Notfallalarm aus, der wiederum aktivierte einen realen Scanner der Heiler und informierte den Bereitschaftsdienst. Marte informierte man zuerst, sie stand, bis es in der Belegzelle polterte, vor der Tür, es wurde so mit Adrian bei der letzten Einsatzbesprechung abgesprochen. Ihr ankommender Blick schwenkte, von der am Boden liegenden Melina zum Biobett. Dort kauerte der zitternde Adrian auf dem Kopfkissen, sein verstörter Blick war auf die Schwester gerichtet. Adrian hatte, wie Marte im vorübereilen sah, keine äußeren Verletzungen, jedoch mental fühlte sie, ihm saß der Schreck im Nacken.
Binnen weniger Sekunden begriff Adrians gelähmter Geist, was mit seiner Schwester geschah. Reflexhaft sprang er vom Bett und stolperte ihr entgegen. Jedoch auf halber Höhe schlug der Kolik Anfall wieder gnadenlos zu. Schmerzerfüllt aufschreiend stützte er sich an der Labortür ab.
Marte schaute kurz auf, sie war inzwischen damit beschäftigt Melina "auseinanderzufalten", »Hältst du es aus«, fragte sie Adrian.
Mit größter Anstrengung presste er hervor: »Hilf ihr ...«, der Rest seiner dünnen Worte ging in der sehr lauten Citraa Mitteilung unter: ›... Innere Verletzungen, schwere Gehirnerschütterung, rechtsseitig Schlüsselbeinbruch ...‹
Während die Citraa sprach, veranlasste Marte, dass die Ausbilderin in eine Notfall Staze-Abteilung der echten Krankenstation portiert wurde, und noch bevor der letzte Portierstrahl verschwunden war, wandte sie sich den Schutzbefohlenen zu. Augenblicklich verschmolzen ihre Blicke. Fast zeitgleich fixierte Marte auf Adrians Rücken einige neurologische Punkte.
Sofort war sie schmerzfrei. Dicht an das Weib geschmiegt atmete er erleichtert auf, und wie gehabt spendete sie so, etwas Lebenskraft. Die Nähe tat ihm gut, er entspannte und sie löste den hypnotisierenden Blick von ihm. Für etliche Herzschläge hielten sie sich noch fest umschlungen. Die Lippen besiegelten mit zaghaften – schüchternen – Küssen die unnahbare Distanz der Gefühle. Dennoch genoss Adrian die flüchtigen Berührungen.
»Nimmersatt«, scherzte sie.
Auf der Stelle nahm Adrians Gesicht bis zu den Haarwurzeln Farbe an.
Seine Schamhaftigkeit belustigte Marte. Frech grinsend stupste sie an seine Nase. Er blickte verschämt zu Boden und schwieg. Kaum einen Lidschlag später liefen ihm dicke Tränen über die Wangen.
Das Adrian urplötzlich von starken Gefühlsausbrüchen überrannt wird, hängt mit ihren niedrigen und zudem chaotischen Elias-Werten zusammen. Dadurch ist seine Psyche stark angeschlagen und er stand sehr nah " am Wasser" .
Weil Marte das wusste, bereute sie die Witzelei. Hastig, fast ein wenig derb, riss sie ihm an sich heran. »Hey, ist gut. Ich habe es nicht so gemeint.«
Adrian lächelte angestrengt zurück. »Me - Me-li - Melina«, stotterte er verheult. Ein Zeigefinger von Marte legte sich über seine Lippen.
»Deine Schwester ist in guten Händen.« Sie löste die Umarmung und eilte ins Belegzellen Labor. … Mit einer Infusionsflasche kam sie zurück. »Ich sorge dafür, dass Melina erst wieder in vier Stunden hier herumgeistert.«
Adrian hatte sich inzwischen aufs Bett gelegt, und einen Hemdärmel hochgezogen. Während dann die verordnete Flüssigkeit in die Ader tröpfelte, meditierte er und Marte verließ kurzzeitig die Belegzelle.
~
Nach zwanzig Minuten kam Marte zurück. Die Infusionsflüssigkeit ging, wie von ihr berechnet, soeben zuneige. Bevor sie die Nadel aus der Dauerkanüle entfernte, weckte sie den Schützling behutsam. Adrian brauchte Sekunden bevor er wieder im Jetzt und Hier ankam. … Indessen er sich aufsetzte, rollte er behäbig den langen Ärmel vom Shirt herunter.
»Hoffentlich hält mein Sapor Vorrat lange genug.« Er schaute Marte mit glühenden Augen an.
»Deshalb sollst du vorher zum Auffüllen kommen.« Sie stupste Adrian keck an die Nase.
Er erwiderte ihre charmante Geste, indem er ihr liebevoll übers Gesicht strich. »Danke.«
Sie gab ihm einen flüchtigen Lippenkuss. »Wofür? Haltet euch an meine Anweisungen, das ist dank genug.«
Nochmals bekam sein Gesicht einen kräftigen Anstrich.
Grienend wandte sich Marte von ihm ab, und mit langsamen Schritten lief sie aus der Belegzelle.
Adrian hingegen lief zum Wandschrank. Aus diesem entnahm er ein weißes Hemd sowie eine Enge, schwarz-rote-kleinkarierte Stoffhose. Deren hautenger Schnitt zügelt, falls erforderlich, sein Gemüt. Als er hineinschlüpfte, schielte er zu Uhr. Ihm blieben bis zum Treffen noch ganze zwölf Minuten. Er brauchte somit Hilfe. Ein Fingerstreich über sein Interface genügte und drei Lidschläge später kümmerte sich der Butler Prix um seine Frisur. Im Nu hatte er Adrians unspektakulären kupferroten lockigen Bob zu einem echten Hingucker verwandelt. Das vollkommene Haarstyling sah wie folgt aus: Die seitlichen Haare klebten flach am Kopf. Mittig, etwa zwei Daumen breit, trug er einen Haarkamm. Dessen Spitzen zierte ein helles Grün.
Nachdem sich beide das Werk von allen Seiten in 3D angesehen hatten, waren sie sich einig, dass er so aufgepeppt ausgehen konnte. –
Als Adrian dann die Zelle verließ, stand ihm die Vorfreude auf ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Das Hochgefühl übertrug sich auf seine Schritte. Die kurze Entfernung bis zum internen Portal überwand Adrian im schnellen Lauftempo und als er das sichtbar gemachte Energiefeld durchschritt, trafen er und Marte gerade auf der anderen Seite ein.
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