Nur mit Mühe gelang es mir, Mister Pavelli zu überzeugen, dass die Aiws nicht von dort kommen.
… Mister Pavelli erwähnte eher beiläufig, was mich allerdings aufmerksam werden ließ: ›Ich nehme einen stark konzentrierten Duft wahr. Er bereitet mir arge Probleme.‹
(Anmerkung meinerseits, was ich auch dem Mitreisenden sagte: Ich benutze keinerlei Deos oder Riechwasser ...)
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Adrians Aussage ließ Melina schmunzeln. Zumal sie doch wusste, dass der Bruder sofort jammert, sobald es ihm auch nur ein Fünkchen nicht gut ging. Auf eine Bestätigung hoffend schlug sie erwartungsvoll die nächste virtuelle Seite auf.
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… Ich nahm einen Duft wahr, ich empfinde diesen ▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄
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Melina vermutete: Der Schreiber entdeckte was und schrieb es nieder. Später sah er darin ein Irrtum, das er widerrufen hat. Aber falls er es doch braucht, stand es noch unter dem Geschwärzten. Nickend las sie weiter.
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… Zur Sicherheit wurde die Raumluft, auf Schadstoffe überprüft. Es wurde nichts Schädliches gefunden …
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Um vielleicht doch noch den entscheidenden Hinweis zu finden, blätterte Melina zur nächsten Seite. Zu ihrer Verblüffung wurde auf den nächsten zwei Seiten alles maschinell geschrieben und zudem in einer für sie unverständlichen Sprache verfasst. Aufgebracht bat sie den Computer um eine Übersetzung.
Erstaunlicherweise teilte der ihr umgehend mit: ›Sprache erkannt. Uraltes irdisches Latein. Es wurde von antiken Heilkundigen benutzt und später von Ärzten ...‹
Verwundert stellte Melina fest: »Bei der Reise war weder ein Aiws mit medizinischer Programmierung, Heiler, oder Arzt auf der Bark anwesend. ... Hmm! Der Schreiber nahm, vorsorglich Kontakt zu einem Heilkundigen auf. Dieser diagnostizierte in jener Sprache. Der Bark Citraa übersetzte und verfasste es.«
Neugierig, was sich hinter dem Latein verbarg, forderte sie: »Computer übersetzt vorlesen.«
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… Nach dreißig Minuten Flug wurde es Mister Pavelli mehrmals schlecht, sowie schwarz vor Augen. Er verspürte leichte, wehenartige Schmerzen, sie strahlten in seinem gesamten Körper aus.
Auf meine Frage: »Ob er an einer akuten Raumkrankheit leide«, antwortete er: ›Nein. Und an Flugparanoia leide ich nicht.‹
… Habe ihm mit meinem Taschenmesser, eine Wunde geritzt/zugeführt, damit ich etwas Cruor von ihm erhalte.
… Habe einen Aiws so modifiziert, damit dieser die freigesetzten Blutstropfen – von Mister Pavelli analysieren kann.
… Die Blutanalyse ergab: Nichts Auffälliges feststellbar!
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Melina nickte anerkennend: »Der weiß sich zu helfen.«
Die weiteren Hörzeilen saugte sie voll Mitgefühl ein.
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… Seine Schmerzen klingen nicht mehr ab. Habe daher mit Heilerin MaccBlom auf der Concordia gesprochen. Handle nach ihren Anweisungen. …
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"MaccBlom" verursachte auf der Stelle in Melinas Verstand einen mächtigen Konflikt. Wusste sie doch, dass es an Bord der Concordia nur eine Studentin Blom gab. Der Name beschäftigte sie so sehr, dass alles andere von ihr abprallte. So auch die letzte Computer Übersetzung: ›... Er wurde dadurch sofort schmerzfrei.‹
Kurz nach der Mitteilung hatte sie eine Erklärung gefunden: »Die Ärztin wird wiedermal so ein neuer Austausch in der Gatten Abteilung sein. Mein Kollege Doktor Eric McAllun wird es mir sicher bestätigen.« Am Ende von ihrer Analyse war an ihrer lebhaften Mimik ersichtlich, dass sie alles zusammenfasste. Dabei stieß sie sich gedanklich mehrmals am schwarzen Balken. »Was stand da ursprünglich.«
Mit der Frage auf ihren Lippen schlug sie erneut die Stelle auf. »Computer Balken entfernen«, schoss es über die vor Wissbegier brennenden Lippen.
Gleichlaufend mit Eingabe der geforderten Geheimkennziffern verschwand der Sichtschutz. Mit weit aufgerissenen Augen las sie, was darunter stand:
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Ich nahm einen Duft wahr, ich empfinde diesen als sehr angenehm. Der vorzügliche Wohlgeruch entströmt Mister Pavelli. Sein Duft, er berauscht mich. …
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Bei diesen Textzeilen blitzte vor Melinas innerem Auge noch eine andere Textpassage auf:
Ich nehme einen stark konzentrierten Duft wahr. Er bereitet mir arge Probleme.
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Eine Handfläche schlug erkennend an die Stirn. »Pheromone. … Hier reagieren, schlicht und ergreifend zwei passende Gatten ahl pii aufeinander.« Melinas Gesichtsausdruck sagte dazu ganz deutlich Volltreffer. Aber der Verstand sagte ihr: » Das kann so nicht stimmen. Schließlich war Adrian einige Jahre mit einem Vollblut Weib zusammen. An seiner Einstellung ändert sich ganz bestimmt nichts; bloß weil sie ihm den Laufpass gab. « Abrupt stutzte Melina. »Obwohl als Knabe, von drei Jahren, schmuste er nur mit Artgenossen. Und später, als er im Schulalter war, fand er den Schweißgeruch seiner Geschlechtsgenossen einfach nur faszinierend. Es erstaunte mich so manches Mal, was ihm diese Ausdünstungen alles offenbarten ... Sollte er etwa wirklich auf beide Geschlechter abfahren ... Hmm?! – Und nun wird er tatsächlich zeitgleich von beiden Geschlechtern umworben. Da er aber noch nicht bereit ist eine neue Beziehung zu beginnen, lehnt er, aus verständlichen Gründen, derzeit den Kontakt zu einem neuen Verhältnis ab. Nur er konnte es nicht verhindern, dass er dennoch auf einen umwerbenden ahl pii reagiert ...« Am Ende der Erkenntnis stand für Melina die Diagnose fest: »Adrians Psyche sträubt sich gegen eine neue Beziehung. Es geht soweit, das er mit Phantom Schmerzen darauf reagiert. Ein kräftiger ahl pii Blocker sollte genügen, um die Kolik-Anfälle zu unterbinden. Und damit das Pheromon des störenden Kandidaten auch Ruhe gibt, müsste er ebenfalls diesen erhalten. Nur wer ist es?«
Melina atmete mehrmals kräftig durch, hierauf blätterte sie bis zur letzten virtuellen Seite.
»Neiiin!«, ihr Tonfall kochte vor Unverständnis. Dort, wo für gewöhnlich ein Name steht, stand lediglich:
– diensthabender Offizier. –
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Niedergeschmettert vergrub Melina ihr Gesicht in den Händen. Frustriert stellte sie fest: »Ich bin wieder ganz am Anfang meiner Recherche.« –
Melinas nachfolgende Handlung rührte mit ziemlicher Sicherheit nicht von den Virus Blockaden, sondern es lag an ihren sturen Schädel. Ihr Stolz verhinderte sogar, bei Captain Albion den Namen vom besagten Offizier zu erfragen. Was verständlich war: Beide fochten seit ihrem ersten Blickkontakt einen offenen zudem scharfen Wortkampf aus; daher ist es mehr als unwahrscheinlich, das Albion den Namen so einfach herausrückt.
Ob Melina nun einen Gedanken daran verschwendete, sei dahingestellt. Jedenfalls schlug sie übel gelaunt mit den Händen auf den Tisch. Lauthals schellte sie sich: » Hätte ich doch nur freigenommen und Adrian mit abgeholt, dann wüsste ich jetzt, wer der großzügige Pheromon "Versprüher" ist. «
Dem Gedanken widersprach allerdings der offene Anreisetermin. Sofern es von ihm erwünscht worden wäre, hätte Melina einen fixen Termin erhalten. Aber es war nicht erwünscht und Melinas damaligen Wochendienstplan fädelte "Jemand" ganz geschickt ein. So bot dieser, was oft vorkam, drei verschiedene Möglichkeiten. Sie hatte die Wahl zwischen einer Woche frei, – langweiligen Nachtdienst oder genauso lange die Vertretung eines erkrankten Kollegen zu übernehmen. Melina entschied sich für die dritte Variante, welche einen Beisitz der praktischen Zwischenprüfungen von Heiler Studenten im letzten Ausbildungsjahr vorsah.
Bei dem Prüfungsmarathon hing als Lockmittel noch eine zusätzliche Vergütung dran, welche in Form von in goldgefasstem Agamenon ausgezahlt wurde. Dieser Anreiz war letztendlich ausschlaggebend, weshalb sie unbedingt persönlich bei diesen Studenten die " Spreu vom Weizen " trennen wollte.
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