Christian Kalwas
Gott ist ein Arschloch
Intelligent Design. Eine Polemik.
Warnhinweis für Kreationisten:
Dieses Buch enthält Darstellungen, Zusammenhänge und Ideen, die unter Umständen darauf schließen lassen könnten, dass die Welt älter als 6000 Jahre, Homosexualität keine Krankheit und Evolution keine Verschwörung ist. Darüber hinaus enthält dieses Buch Ausdrucksweisen und eine Wortwahl, die für Anhänger des kreationistischen Gottes gegebenenfalls als beleidigend aufgefasst werden könnten. Es ist wirklich alles ganz furchtbar.
Warnhinweis für alle anderen:
Dieses Buch enthält Kreationisten.
Für Opa
Vorbemerkung: Zum Geleit[1]
Der Gott, der Verehrung und Unterwerfung verlangt, gehört zu Recht gelästert.
(Wilhelm Gräb)
Ich will meine Pfeile mit Blut trunken machen, und mein Schwert soll Fleisch fressen, mit dem Blut der Erschlagenen und Gefangenen, von dem entblößten Haupt des Feindes
(Gott, in: „Bibel“[2])
Möööp!
(Gott, in: „Dogma“[3])
Sind Sie ein gläubiger Mensch? Sind Sie Muslim? Christ? Jude? Und Sie halten trotzdem dieses Buch in der Hand? Ein Buch, das schon im Titel Gott beschimpft? Dann gehören Sie wahrscheinlich nicht zur Zielgruppe dieses Textes. Vielleicht komme ich mit Ihrem Gott ganz gut klar. Aber das ist auch nicht weiter verwunderlich - der böse Gott, das ist immer der Gott der Anderen.
Ich kann Sie also beruhigen: Ihr Gott ist vielleicht kein Arschloch. Es gibt ihn zwar nicht und manche seiner Anhänger machen bestimmt Probleme – aber ein Arschloch im Sinne dieses Buches ist er nicht. Die Anhänger des Gottes, von dem hier die Rede sein soll, werden diesen Text wahrscheinlich nicht lesen. Das ist schade, denn genau diese Leute sind natürlich Zielgruppe meiner Gedanken, und so hoffe ich, dass genügend Atheisten, Agnostiker, liberale Christen, Muslime und Juden zu diesem Text greifen und sein Hauptargument verwenden werden, wenn sie irgendwann einmal die Freude haben sollten, sich mit Kreationisten auseinandersetzen zu müssen. Dieses Hauptargument ist die Theodizee, die, wie ich finde, im Lichte der Idee eines Intelligent Design eine ganz neue Tragweite erlangt. Sie macht den Gestalter zu einem Arschloch.
Wenn Sie bezüglich der Begriffe Intelligent Design, Kreationismus oder Theodizee also eine – sagen wir – Einführung suchen, so müssen Sie dieses Buch von hinten nehmen. Ganz am Ende steht das Vorwort. Und dort wird dann auch Licht.
Kapitel 1: Von der Freiheit, intelligent zu designen
In allen, auch den kleinsten Kreaturen, ja auch in ihren Gliedern scheinet und siehet man öffentlich Gottes Allmacht und Wundertaten. Denn welcher Mensch, wie gewaltig, weise und herrlich er auch ist, kann aus einer Feige einen Feigenbaum oder eine andere Feige machen?
(Martin Luther)
Und so zerbröselt der Keks nun mal!
(Bruce Nolan[4])
Stellen Sie sich vor, Sie wären allmächtig.
Es ist nicht so, dass die Welt Ihnen offenstände - tatsächlich ständen Ihnen alle Welten offen. Alle möglichen Welten. Alle unmöglichen Welten. Sie sind der Master of 42[5], der Urgrund allen Seins, Sie sind der King of Karneval und hier ist Ihre Show. Sie können eine Welt erschaffen, in der die Menschen drei Arme haben, in der Kot nicht so stinkt und in der ein Penis rein mechanisch nicht in einen Anus passt, Sie können die Worte „Hier bin ich!“ mit Sternen in den Himmel schreiben, eine Umwelt designen, in der es nicht nur um Fressen oder Gefressen werden geht und die Naturgesetze bestimmen – Himmel! - Sie können sogar ganz neue Naturgesetze erfinden. Sie designen ein funkelniegelnagelneues Universum, fangen bei null an und erschaffen Raum und Zeit. Jetzt mal ehrlich: Würden Sie eine Welt gestalten, in der Kamillentee derart eklig schmeckt? Nur weil er gesund ist [6] ?
Sie aber entscheiden sich, dass in Ihrer Schöpfung ein Penis sehr wohl in einen Anus passt und es noch dazu Menschen gibt, denen das Spaß macht. Und dann veröffentlichen Sie Bücher, in denen Sie klarstellen, dass Ihnen dies nicht gefällt, dass dies eine Sünde sei, vor allem, wenn es sich dabei um einen männlichen Anus handelt - und dass diese Menschen gefoltert und getötet werden müssen - Menschen, die Sie in Ihrer unendlichen Allmacht gerade eben noch genau s o erschaffen haben.
Die Welt muss nicht perfekt sein. Ein paar kleine Fehler, ein paar Ungereimtheiten, hier und da eine kleine Schlamperei und vielleicht auch ein paar Bugs würde man ja jedem Gott zugestehen. So ein Gott ist auch nur ein Mensch, und wer mag schon Perfektion. Oder Perfektionisten.
Spätestens seit dem Film „Matrix 2“[7] wissen wir, dass eine perfekte Welt nicht funktioniert. Also kann man ruhig auch ein paar Fallstricke einbauen: unsichtbare Viren, ein paar Giftschlangen vielleicht, Heuschnupfen, Sünden, Spammails.
Wenn wir uns jedoch in diesem Universum umschauen, dann müssen wir eine Menge Nachsicht haben, um zu behaupten, dass es für die Krone der Schöpfung, den Menschen, lediglich nicht perfekt sei. Genaugenommen ist dieses Universum so weit von Perfektion entfernt, dass man fragen möchte: Was zur Hölle…? Sie haben alle denkbaren Möglichkeiten, nein, noch darüber hinaus: Sie haben alle undenkbaren Möglichkeiten, und was Sie hinbekommen, ist Tod, Leid und Angst. Das kann kein kleiner Fehlerteufel sein. Das ist kein falsches Deteil[8].
Das hat Methode.
Sie sind Sadist.
Der gute alte Deus absconditus[9], der verborgene Gott, dessen Wege unergründlich sind, und der sich den Menschen nicht in seiner Gesamtheit offenbart, ist, wie es scheint, nicht nur uns, den Menschen, verborgen. Ihm ist offensichtlich gleichsam selbst ein ganzes Stück seiner eigenen Schulbildung verborgen geblieben, vielleicht hat er zu oft geschwänzt. Oder er weiß, was er tut, ist aber ein furchtbar gemeiner Typ. Angesichts des Ergebnisses, das er hier abliefert, ist er jedenfalls entweder nicht allmächtig, oder, wenn er allmächtig ist, dann ist er nicht allwissend, aber wenn er allmächtig und allwissend ist, dann ist er auf keinen Fall besonders gut - schon gar nicht irgendwie[10] .
Folgt man dem Argument des unbewegten Erstbewegers und kommt zu dem Schluss, dass alles eine Ursache haben und zudem diese erste Ursache ein Gott sein müsse, so ist damit natürlich absolut nichts über die Natur dieses Erstbewegers gesagt. Seit früher Kindheit und meinem ersten Religionsunterricht in der Grundschule habe ich das Bild im Kopf von einem kleinen Gott, einem Göttchen, das im Naturwissenschafts-Götzen-Unterricht hinten in der letzten Reihe sitzt und sich gerade meldet:
„Frau Athene“, sagt er, „Frau Athene, kommen Sie schnell. Ich hab´s! Ich hab´s! Ich habe ein Universum erschaffen, schauen Sie, es dehnt sich aus!“
So ein Universum ist halt auch ein sehr dehnbarer Begriff. Dabei ist ein Ausdehnen des Universums gar nicht schlimm. Alle sind sich einig, dass die einzige wirklich unangenehme Ausdehnung, die beobachtbar ist, Tim Wiese betrifft. Aber das tut jetzt nicht zur Sache. Jedenfalls:
Und Frau Athene kommt nach hinten, wirft einen Blick auf jene Schöpfung und sagt: „Ach, Jahwe, nein, schau mal auf die Tafel. Da steht: Ein Universum mit einer Gravitationskonstante von mindestens 8,2 . Komm, schütte das hier in den Ausguss und fang noch mal neu an.“[11]
Wobei ich heute rückblickend davon ausgehe, dass ich als Grundschüler noch nicht die Wörter Gravitationskonstante oder Ausdehnung mitgedacht habe und diese erst später in die Vorstellung mit eingeflossen sind; tatsächlich hatte ich wohl nur das Bild vom ausgegossenen Universum im Kopf.
Manche Menschen aber ticken anders: Sie meinen, wenn es etwas außerhalb unserer Welt geben müsse, das der Grund für diese Welt sei, dann kann es bitteschön nur Gott sein. Und zwar ihr eigener, gefälligst, keinesfalls der Gott einer anderen Religion. Tatsächlich stecken in der von vielen Physikern häufig wiederholten Aussage: „Wir wissen nicht, wie das Universum begonnen hat" aber keinerlei andere Informationen über den Beginn des Universums, als die Feststellung, dass
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