Braune Zwerge, die das Sonnensystem aus dem Gleichgewicht bringen können, würden alles zerstören und die Erde in die Sonne oder aus dem Sonnensystem schleudern, so sie in die Nähe geraten. Man soll sich durch den Ausdruck „Zwerg“ nicht täuschen lassen: Diese Zwerge sind größer als alle Planeten unseres Sonnensystems, größer als alle Planeten überhaupt. Im Grunde sind es Sonnen, die allerdings im Gegensatz zu Roten Zwergen knapp weniger Masse haben, als zum Zünden der Kernfusion in ihrem Inneren benötigt würde und daher nur sehr schlecht beobachtet werden können – sie leuchten nicht, und niemand weiß, ob und wievielte Braune Zwerge sich gegenwärtig auf Kollisionskurs befinden. Massereich sind sie dennoch: Durchschnittlich etwa das 50-fache der Jupitermasse, und schon der Jupiter erreicht etwas mehr als das 300-fache der Erdmasse. Da in diesem Universum nur Massen Massen bewegen, wäre ein Zusammentreffen eines Braunen Zwerges mit unserem Sonnensystem sehr unerquicklich für die leichten Planeten wie Merkur, Venus, Mars – und Erde. Wohlgemerkt: Dieser Zwerg muss nicht mit der Erde kollidieren wie ein Asteroid, um alles zu zerstören. Es reicht, wenn er die Saturnbahn kreuzt. Ob es dem Herrn dabei nun beliebt, unseren Planeten aus dem Sonnensystem heraus in die Kälte zu schleudern oder in die Sonne hinein, bleibt abzuwarten – aber das, jedenfalls, werden ein paar aufregende letzte Tage der Welt, wenn die Sonne immer näherkommt, es immer heißer wird, die Ozeane verdampfen und man schließlich verbrennt. Dies gehört zu den Dingen, die man einfach gerne verdrängt, nicht wahrhaben möchte oder nicht darüber nachdenken will, so wie: Die Inhalte von Chicken-Nuggets. Oder das eine Mal, als man völlig betrunken in der Kneipe diese Frau angequatscht hat mit diesem völlig absurden Spruch, der – hach!
Wie die Astrophysical Journal Letters[49] berichten, hat ein solcher Fast-Zusammenstoß mit einem noch etwas massereicheren Kandidaten zur Zerstörung der Welt, nämlich einem Roten Zwerg[50] vor etwa 70.000 Jahren stattgefunden, als ein Scholz genanntes Objekt mitten durch die Oortsche Wolke flog – nur sehr knapp entfernt genug, um die Planetenbahnen nicht nachhaltig zu stören, sondern nur ein paar Gesteinstrümmer in das Sonnensystem hineinzuschleudern. Ich wusste immer, dass von einem Scholz nur Gefahren ausgehen können.
Und dann die Rotation unserer Galaxie: Wir bewegen uns mit unserem Sonnensystem regelmäßig an Orten innerhalb unserer Milchstraße vorbei, die für uns potenziell lebensgefährlich sind. Supernovae, explodierende Sonnen, Doppelsternsysteme mit Ausreißern und Flüchtlingen, die, einmal in unserer Nähe, das Leben unmöglich machen würden. Riesensonnen, so heiß, dass sie selbst bei mittleren Abständen tödlich wirken. Und unsere gesamte Galaxie kollidiert bereits jetzt mit unserer Nachbargalaxie Andromeda. Andromeda ist tatsächlich eine ganze Galaxie mit Milliarden Sternen, ebenso groß wie unsere Milchstraße, und nicht nur ein einzelner Stern – da muss man Hallo Spencer[51] leider widersprechen - was unausweichlich zu enormen Verwerfungen führen wird. Ja. Es ist keine Frage. Die Menschheit wird, wenn sie überleben will, irgendwann den Planeten Erde verlassen müssen.
Unser Universum ist – aus der Sicht der Menschen – kein Ort, an dem man sein möchte, und unser Planet ist nicht freischwebend in einem Meer des Friedens. Wenn der Grund für die Schöpfung wir, die Krone der Schöpfung, die Menschheit sein soll, dann sind wir hier ganz schön hereingelegt worden. Wenn man sich ein Auto kauft, mit allen Schikanen und jedem Luxus, fühlt man sich ja auch veräppelt, wenn ausgerechnet der Fahrersitz aus Stroh ist und beim geringsten Unfall Feuer fängt, während der Sicherheitsgurt in genau jenem Moment sich nicht mehr lösen lässt. Unser Planet ist kein Eldorado, das Leben schenkt inmitten eines Weltalls des Friedens. Er ist eine Falle, die eine Flucht verunmöglicht in einem All, das erbarmungslos zuschlägt.
Dieses Universum bietet beides: Es bietet die permanente Gefahr, dass es die Erde zerstören könnte – neben den Gefahren, die es dazu auch noch auf der Erde selbst gibt – und es bietet die absolute Unmöglichkeit der Flucht. Die Weite des Alls ist für uns wie eine Grenze, und die ist strikter, als es die Grenze der DDR je war. Allen StarTrek-Fantasien und Sternreise-Romanen zum Trotz. Wir werden noch auf unabsehbare Zeit keinerlei Versuch unternehmen können, diesen Planeten zu verlassen. Geht man von der Idee aus, dass Gott alles gestaltet habe und selbst für die kleinsten funktionierenden Systeme verantwortlich ist, dann kommt man bezüglich des Universums um die Erkenntnis nicht herum: Er mag im Deteil[52] an viele Kleinigkeiten gedacht haben, im großen Maßstab aber hat er gepfuscht. Der Schöpfer hat eine Folterkammer erschaffen. Er will uns foltern. Die Menschheit wird untergehen – dieses Universum ist einfach nicht gemacht für uns. Nun stellt dies in den Religionen keinen Widerspruch zur Schöpfung dar – wenn man von einer Apokalypse ausgeht, von der viele Kreationisten ausgehen, kann man hier nur feststellen, dass bereits alles dafür vorbereitet ist. Dann aber hat Gott von Anfang an die Zerstörung seiner Schöpfung im Sinn gehabt, die Menschheit hatte keine Chance und sollte auch nie eine haben und die Prüfung, das Leben, war keine Prüfung, sondern ein Hinterhalt.
Oder das Leben ist für die Menschen nicht die Prüfung, sondern diese haben wir schon hinter uns. Dies hier ist in Wirklichkeit bereits die Hölle.
Aber lassen Sie uns froh sein, dass es wenigstens nicht der Himmel ist. Denn der ist kalt, riesig, verstrahlt, gefährlich und lebensfeindlich.
Kapitel 3: Von einem blauen Planeten
Vielleicht ist diese Welt die Hölle eines anderen Planeten[53]. (Aldous Huxley)
„Oh... Bosta!“
(bis zu 100.000 Männer, Frauen und Kinder, Lissabon, 1755)
Was hat der Herr eigentlich gegen rund?
Wenn Sie sich noch immer vorstellen, Sie wären allmächtig – hätten Sie den Planeten eierförmig und die Umlaufbahn um die Sonne wie eine Ellipse gestaltet? Mit all den Folgen, die das für eine Spezies wie den Menschen und für die ganze Natur hat, eine Natur, die auf eine gewisse Stabilität der Umweltbedingungen angewiesen ist?
Eierförmig ist der Planet und elliptisch ist die Umlaufbahn aufgrund von Naturgesetzen, die wir doch selbst erst erschaffen haben. Warum also lassen wir uns von solchen Kleinigkeiten aus dem Takt bringen?
Aber mal davon abgesehen: Diesen Planeten als einen zu beschreiben, der für den Menschen geschaffen sei – das ist, gelinde gesagt, absurd. Würde man den Auftrag haben, einen fiesen, kleinen, gemeinen Popelplaneten zu erschaffen, der so ziemlich alles hat, um das Leben für die Krone der Schöpfung so unangenehm wie möglich zu gestalten, dann wäre die Erde eine prima Betastudie. Dieser Planet ist für das Leben im Allgemeinen, für menschliches Leben aber im Besonderen nicht nur nicht perfekt. Im Gegenteil müsste man bei genauerer Betrachtung eigentlich feststellen, dass dieser Planet höheres Leben mehr schlecht als Recht zulässt und man höchstens behaupten kann, dass er es zumindest nicht sofort zerstört.
Unser Planet. Erde. Schon der Name ist komisch gewählt – die Erde. Die „ Wasser“ wäre treffender, wie Isaac Asimov bemerkte, denn unsere Heimat besteht aus mehr Meer als aus Land.
Und im Meer kann der Mensch nicht überleben. Das ist jetzt blöd organisiert, denn wir werden schließlich immer mehr – gemäß unserem Auftrag „Seid fruchtbar und mehret euch und reget euch auf Erden“ [54] – und ja, ich rege mich. Auf. Das hier soll Perfektion sein? Wie wäre es denn dann mal mit ein paar Kiemen? Vielleicht könnte Herbert Grönemeyer dann singen? Aber darum geht es nicht. Es geht darum:
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