Wenn wir uns vorstellen, wir wären dieser Gott, ist die Wahrheit aber noch schlimmer. Wir sind nicht gezwungen, diese Schöpfung zu nehmen und sie zu verbessern. Wir haben die Freiheit, intelligent zu designen. Von Grund auf. Von Grund auf bedeutet, dass wir uns keine Gedanken machen müssen, ob Mücken Teil der Nahrungskette sind und ob ein Abschaffen der Mücken diesbezüglich Probleme verursachen könnte. Wir sind es doch, die die Nahrungsketten schöpfen. Wir schöpfen Nahrungsketten ohne Mücken, punktum. Das ist, was Allmacht bedeutet. Wir haben die Macht, die Freiheit, alles zu tun. Von Grund auf. Wer beim Abschaffen der Mücken und beim Abschaffen von Staub auf die Konsequenzen hinweisen möchte, die dieses Abschaffen oder jenes Abschaffen haben könnte, der übersieht, was Allmacht bedeutet. Autarkie. Die Fähigkeit, die Welt wirklich schlau zu gestalten. Wir sind nicht gebunden an Naturgesetze oder Regeln, an Abhängigkeiten oder Notwendigkeiten. Wir müssen den Planeten Erde nicht in genau diesem Abstand zur Sonne kreisen lassen, damit das Wasser in flüssiger Form vorkommt. Wasser ist bei jenen Temperaturen flüssig, die wir als die Temperaturen bestimmen, in denen es flüssig sein soll[24]. Die Naturgesetze zu bestimmen heißt nicht, sie dergestalt einrichten zu können, in denen alles feinabgestimmt zueinander passt. Es heißt viel mehr, jegliche Kombination aus Werten und Gesetzen bestimmen zu können, die wir als zueinander passend definieren. Mücken sind da unser kleinstes Problem.
Wir können sogar Widersprüche in die Schöpfung schöpfen. In der Allmacht und Allwissenheit ist der Schöpfer einer Schöpfung unerschöpflich. Wenn Leid und Angst auch notwendig sind in der Natur, in der Evolution, um die Tiere und Menschen vorsichtig zu machen und achtsam – mit dem Nachteil, dass manche Menschen in manchen Situationen zu vorsichtig und zu achtsam sind, dass manche Kinder sich in der Dunkelheit fürchten oder dass man Brandblasen und Schmerzen erleidet, wenn einen das heiße Fett aus der Pfanne anspringt – Abhängigkeiten! – so ist dies in einer Schöpfung nicht der Fall. Leid, Angst und Schmerz sind nur in der Evolution sinnvolle Attribute. In einer Schöpfung mit Widersprüchen können Schmerzen dort auftreten, wo sie den Menschen sinnvoll vor Gefahren schützen, während sie gleichzeitig dort, wo sie nur Leid verursachen würden und somit störend sind, ausbleiben. Wir können die Welt so designen, dass solche inneren Widersprüche Normalität wären: In einer designten Welt gäbe es keine Naturwissenschaften, die die Entstehung der Welt oder den Aufbau des Lebens erklären könnte. In einer perfekten Welt würden wir uns gar nicht erst darüber wundern, dass die Dinge im Allgemeinen immer nach unten fallen, außer die wertvolle alte Blumenvase von Tante Ingrid, die sanft und vorsichtig in der Luft schwebt und nach unten gleitet, damit sie nicht kaputtgeht. Also die Vase, nicht die Ingrid. Das wäre normal. Das wäre schon immer so gewesen. Newton hätte dereinst herausgefunden, dass Materie sich reziprok proportional zum Quadrat des Abstandes anzieht[25] – außer, wenn diese Materie zerbrechlich ist. In einer perfekten Schöpfung besteht keine Notwendigkeit. Für gar nichts. Die Freiheit, intelligent zu designen ist die absolute Freiheit, absolut intelligent zu designen. Intelligentes Design sollte nun mal intelligent sein – und nicht bescheuert. Schließlich arbeitet unser Schöpfer ja nicht bei Volkswagen. Dem schlechten Design nach zu urteilen vielleicht höchstens bei KiK[26].
Genau dies wird auch postuliert im Kreationismus. Also nicht, dass Gott bei KiK arbeiten würde; aber die Perfektion der Schöpfung. Wenn von perfekten Systemen gesprochen wird, das perfekte Zusammenspiel zwischen Bienen und Blumen, das perfekte System des Auges oder des Flagellenmotors der Bakterien, so ist die dahintersteckende Aussage implizit: Diese Welt, diese Schöpfung sei perfekt. Die Perfektion der Systeme ist die Basis für den Kreationismus, die Intelligent-Design Bewegung, denn durch die Beobachtbarkeit der Perfektion in der Natur können wir auf einen Designer schließen. Aber bei der Freiheit, intelligent zu designen, ist diese Welt wirklich perfekt?
Wir würden Zeichen über Zeichen in die Schöpfung schöpfen. Die Kreationisten sind ganz scharf auf Zeichen und Hinweise. Es ist nicht möglich, im Internet nach dem Glykoprotein[27] Laminin[28] zu suchen, ohne auf kreationistische Webseiten zu geraten, die Laminin als Zeichen für einen Schöpfer feiern, nur weil dieses Protein in seiner schematischen Darstellung die Form eines Kreuzes besitzt. Wie vieles andere in der Natur auch. Würden wir, als allmächtiger, allwissender Schöpfer wirklich Zeichen und Hinweise in die Natur einbauen, die derart absurd schwach auf der Brust sind? Das ist, als würde McDonald´s eine Werbekampagne starten, indem sie winzige Aufkleber herstellen, auf denen zwei winzige, gelbe Kreise zu sehen sind, deren Ränder mit viel Fantasie an eine „M“ erinnern, und diese Aufkleber vornehmlich in gut gesicherten Atombunkern an versteckten Stellen hinkleben, hinter Türen mit der Aufschrift „nicht öffnen“, in Räumen mit defekten Lichtschaltern, die von einer Horde hungriger Vogelspinnen bewacht werden, um sicherzugehen, dass wirklich nur eingefleischte McDonald´s-Fans diese Aufkleber überhaupt entdecken, während allen anderen Menschen auch nur die reine Existenz der Mac-Burger gänzlich unbekannt bleibt. Was, wenn man darüber nachdenkt, im Grunde wohl tatsächlich absolut sinnvoll wäre, aber darum geht es jetzt nicht. Die Freiheit, intelligent zu designen ist die Freiheit, Perfektion zu designen, und dies beinhaltet – wenn schon, denn schon – auch ordentliche Zeichen, deren Existenz und Bedeutung nicht zu bestreiten sein können.
Wir sind allmächtig. Wir fangen bei null an. Wir können ein Universum from the scratch neu aufbauen, einen Planeten von Grund auf designen wie die Bewohner Magratheas, das ganze Leben der Welt erschaffen und den Menschen als Krönung. Wir arbeiten vom großen Ganzen bis ins Deteil[29], kümmern uns um Galaxienhaufen und den großen Attraktor bis zur DNS und dem Aufbau der Proteine um alle Angelegenheiten, die diese Schöpfung so mit sich bringt und feiern unser Werk ab Werk. Und wir haben dabei viel mehr als sieben Tage Zeit – nicht einmal daran sind wir gebunden. Wenn wir wollen, können wir uns viel mehr Zeit nehmen, niemand macht uns die Vorgabe, uns an irgendeinen Termin zu halten. Wenn wir es in sieben Tagen schaffen – prima. Wenn nicht, dann steht halt hinterher in den Büchern „Im ersten Jahr schuf Gott…“ – oder „Im ersten Jahrhundert schuf Gott…“ – niemand wird uns hier Vorwürfe machen. Wobei sich die Frage sowieso stellt, warum ein allmächtiger Gott sieben Tage brauchen soll. Er ist allmächtig, wäre hier nicht ein etwas zügigeres Abarbeiten so einer Wald- und Wiesenschöpfung möglich gewesen?
Aber sei es drum. Wir haben Zeit. Wir erschaffen sie erst noch[30].
Sie sind der Schöpfer. Sie sind allmächtig. Sie designen die ganze Welt. Ihr Wille ist es, eine perfekte Welt für die Krone der Schöpfung zu gestalten. Sie machen Licht. Sie planen das Sonnensystem und die ganze Galaxie, Sie planen den Planeten, die Natur und darin den Menschen nach Ihrem Bilde. Aus dem Nichts. Sie sprechen diese Welt in ihre Existenz. Die Perfektion ist Ihr Beweis. Jede Sonnenblume, die sich zur Sonne dreht, jeder Flagellenmotor von Bakterien, jedes Auge, die Ozonschicht und die Feinabstimmung der Naturgesetze seien Ihr Manifest.
Sie sind allmächtig. Sie fangen bei null an, in der Dunkelheit, Sie machen Licht und sehen, dass es gut ist. Mit dem vorhandenen Schund geben wir uns nicht ab, wir booten das Universum neu.
Kapitel 2: Von der Gefahr aus dem All
Zwei Dinge sind unendlich…
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