Serge Berger
Der Gurkensalat der Seele
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Inhaltsverzeichnis
Titel Serge Berger Der Gurkensalat der Seele Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Andere Werke
Impressum neobooks
Eines Abends im Jahre 2000 nach Christus lief in einer gut eingerichteten und flexibel beheizbaren Wohnung einer nicht allzu dicht bewohnten Großstadt nördlich des Äquators der Fernseher.
"In München ist heute das bereits vierte Opfer des Weißwurstwahnsinns zu beklagen. Es handelt sich dabei um den 34-jährigen kleinen Gardeoffizier Günther K., der nach einer Brotzeit verdorbener Weißwürste dem Ministerpräsidenten mit einer Aubergine lebensgefährliche Verletzungen zufügte. Günther K. ist bereits in Haft, der Ministerpräsident wird - laut Angaben seiner Ärzte - möglicherweise nie wieder sitzen können. Das waren die Nachrichten für heute, sehr geehrte Zuseher, Moment ich bekomme da gerade eine aktuelle Meldung...die englische Regierung hat in einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass alle Spekulationen, dass der schottische Geheimdienst an einem unbesiegbaren Superhelden namens Supermac arbeitet, völlig aus der Luft gegriffen sind."
Nanook, Besitzer der gut eingerichteten und flexibel beheizbaren Wohnung, saß in seinem Fauteuil, schüttelte ob der Nachrichten den Kopf und schaltete auf einen anderen Kanal.
"Guten Abend bei Der moderne Mensch . Mein Name ist Hieronymus Schleck und mein Gast heute Abend ist der russische Universitätsprofessor Ivan Baranow. Herr Baranow, Michail Gorbatshow ist in einer Zeit an die Macht gekommen, als es in Russland drunter und drüber ging und Gewalt an der Tagesordnung war. Wie hat der Präsident in dieser schwierigen Zeit für Frieden und Versöhnung gesorgt?" fragte der Moderator Hieronymus Schleck.
"Das war nicht schwierig. Für solche Dinge braucht man nur eine einzige Sache!" erklärte Baranow.
"Einen starken Willen?" mutmaßte Schleck.
"Papperlapapp! Einen richtigen Hintern in der Hose!!" erklärte Baranow. Und er tat dies ohne mit der Wimper zu zucken.
"Einen Hintern?"
"Einen Hintern."
"Einen Hintern?"
"Einen Hintern."
"Aber die Redewendung heißt doch Eier in der Hose haben, nicht wahr?" wollte Schleck die Thematik in eine andere Richtung bringen.
"Ein Übersetzungsfehler!" dröhnte Baranow, "nein, es geht nur um zwei prächtige Backen mit einem alles verschlingenden Loch in der Mitte! Damit gelingt einem alles! Ja glauben Sie denn im Ernst, die Perestroika hätte es ohne einen richtigen Hintern geben können?! Wie stellen Sie sich das denn vor?!"
Schleck schüttelte den Kopf.
"Was ist denn mit den anderen Politikern?" fragte er, "haben die keinen - wie sagen Sie - achja, Hintern in der Hose?"
Da aber lachte Baranow spöttisch und sagte: "Fälschungen! Doppelgänger! Plagiate! Dubletten! Reproduktionen! Nicht so bei Gorbatschow. Da war alles echt. Und ich werde es beweisen!!"
Und Baranow holte ein paar Polaroidbilder, die einen nackten Hintern zeigten aus seiner Sakkotasche und hielt sie in die Kamera.
"Das ist Gorbatshows Arsch! Ein Prachtstück, nicht wahr?!"
Nanook schaltete den Fernseher ab, warf sich eine Erdnuss ein und kuschelte sich in seinen fleischigen Fauteuil. Nanook fand dass Baranow ganz recht hatte. Ein richtiger Arsch war die beste Voraussetzung damit die Dinge richtig liefen. Und die Geschäfte von Nanook, dem Gangsterboss der Stadt, dessen Name stets mit einem ehrfurchtsvollen Big vorne dran genannt wurde, liefen ziemlich gut. Heute war er mächtig, aber das war nicht immer so gewesen. In seiner Jugendzeit hatte er mit seinen Eltern so manchen Strauß ausgefochten, was im Übrigen eine ziemlich blöde Formulierung ist.
"Glaubst ihr wirklich, das mich interessiert, was ihr machts?" hatte Nanook des öfteren gerufen, "ihr seid wirklich die ärgsten Spießer! Immer schön den Schein wahren, immer mit der Masse mitgehen, ja nicht auffallen! Ihr kriegts ja überhaupt nicht mit, was in der Welt alles passiert! Ihr stellts euch taub für alles, was wichtig ist, für euch zählt nur euer gut behütetes kleinbürgerliches Leben! Ihr seid so kleinkariert und borniert! Euer Leben besteht nur aus fischen und Robben fangen und Iglo bauen!!"
"Was sollen wir sonst tun?" hatte sein Vater dem pubertierenden Sohn gesagt, "immerhin sind wir Inuit."
Nanook hatte schnell erkannt, dass die Welt im Eis für ihn keine Zukunft bot. Also floh der kleine Nanook in die große Stadt, stieg im organisierten Verbrechen ein und arbeitete sich hinauf zu Big Nanook.
Seine Feinde fürchteten ihn, da er ohne Gnade zuschlug. Als der ehemals berüchtigte Auftragskiller Tony Legs Ribaldi einmal in Nanooks Gegenwart einen Scherz über Pelzkappen machte, fackelte Nanook nicht lange, und Tony konnte man danach nur noch Tony no legs Ribaldi nennen.
Respektlosigkeiten konnte Nanook gar nicht ausstehen. Freilich, in seiner Position kam er mit vielen Dieben, Mördern, Zuhältern und Klempnern zusammen. Aber mit allen Gegnern hatte Nanook das Auskommen gefunden und weiterhin seine Wohnung beheizen können. Bis zu dem Tag, als Fat Veit Birnbaum aufgetaucht war.
*****
Der dicke Veit hatte sich im Süden der Stadt immer mehr breitgemacht und kontrollierte schon drei Bezirke. Es blieben zwar immer noch 15 für Nanook, aber so einen Affront konnte der Eskimo nie und nimmer durchgehen lassen. Also vereinbarte er ein Treffen beim Italiener.
Fat Veit saß bereits im schmalen Hinterzimmer zu Tisch und schaufelte sich die Spaghetti rein, als Nanook den Raum betrat. Veit sah einen einssechzig großen Mann, der einen dicken Parka samt riesiger Pelzkappe, eine Thermohose und dicke Schneestiefel um seinen Leib hatte.
"Ich bin Nanook", erklärte der Gast.
"Sie sind doch nicht etwa Jude?" fragte Veit und rülpste.
"Wie kommen Sie denn darauf?" fragte Nanook verwirrt.
"Na Ihr Anzug. So läuft doch bei uns keiner herum", sagte Veit und Sauce Bolognese tropfte ihm vom Kinn auf die Hose.
"Ich hab noch nie einen Juden in Moonboots gesehen", erklärte Nanook genervt und nahm gegenüber Fat Veit Platz. Dabei stellte er entsetzt fest, dass sein Gegner zum Essen Rotwein aus dem Tetrapak trank.
"Sie haben recht, kein Jude würde sich so beschissen anziehen", erklärte Fat Veit.
"Ich muss mich so anziehen!" erklärte Nanook nicht ohne Stolz, "ich bin nämlich Inuit!"
"Hmmm...", grübelte Veit und erinnerte sich an seine mangelhafte Schulbildung, "ein Eskimo?"
"Eskimo?!" empörte sich Nanook, "das heißt übersetzt Rohfleischesser. Würde es Ihnen gefallen, wenn man Sie Rohfleischesser nennt?"
"Aber ich esse rohes Fleisch!" rechtfertigte sich Fat Veit, "in großen Mengen! Manchmal graust mir eh, aber ich heiße schließlich Fat Veit und nicht Veit, der wo zart wie eine Feder ist !"
"Na eben. Und den Begriff Eskimo will ich nicht mehr hören! Was glauben Sie, was ich mir täglich anhören muss: Die Eskimos kommen alle zu uns, kriegen gleich eine Gemeindewohnung, kassieren Sozialhilfe, fahren alle im Mercedes herum und braten Hammel im Hinterhof! Randgruppen haben eine Recht darauf, dass ihre Anliegen wahr genommen werden. Und bei der Sprache fängt es an!" schloss Nanook.
"Genau", ergänzte Veit und eine Nudel hing ihm aus dem Mund, "man darf zum Beispiel nicht mehr sagen Hängt den verdammten Nigger , sondern Hängt den verdammten Afroamerikaner !"
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