"Was ist los – was schreist du so?" Elamorsa sah ihn zornig an und seufzte entmutigt.
"Wir brauchen Stille und Heimlichkeit.", zischte sie ungehalten.
"Aha – daher latschen wir mitten am Tag durch die feindlichen Linien der Orks? Klar, wir werden verfolgt und ich kann euch auch sagen von wem."
Glutherz blieb stehen und sah sich um, für einen Moment strich sie die, vom Regen schwere Kapuze, von ihrem Kopf und schnüffelte lautstark. Sie roch die Pferde, aber dahinter verbarg sich noch etwas anderes ein alter Geruch, schwer und intensiv. Ein Karnivor ohne Zweifel. Sie nickte und sah Vivan verschwörerisch an.
"Sagt mal – ihr beide versteht euch? Was wisst ihr was ich nicht weiß?"
"Es ist der Werwolf, er folgt uns."
"Der von dem du vorhin geschwafelt hast?" Elamorsa sah sich mit starrem Blick um.
Vivan nickte, Glutherz hatte bereits ihr Schwert gezogen und war, ohne ein weiteres Wort, im dichten Unterholz verschwunden. Es raschelte Vivan und Elamorsa zuckten zusammen und kauerten sich an die Flanke des schwarzen Wallachs, der unruhig von einem Huf auf den anderen trat und jetzt lautstark schnaubte. Er witterte bereits den unerwarteten Gast.
"Verdammt – wo ist sie hin?" Elamorsa war wirklich zornig. Am liebsten hätte sie lauthals geschrien.
Vivan sah über den Rücken des Pferdes und musterte angestrengt die Umgebung. Ungeschickt zog er sein Schwert aus der Gepäckrolle und sank zurück in die Knie.
"Gute Idee, – vielleicht..", noch ehe sie den Satz beendete
sprengte eine ungeheuerliche Kreatur aus dem Baumgeflecht, etwa fünf Meter entfernt. Die beiden hielten das Geschöpft, welches da vor ihnen auf den Waldweg taumelte, im ersten Moment für einen gewöhnlichen Waldtroll, doch bei näherem Hinsehen schien er kaum Ähnlichkeit mit diesem unangenehmen Zeitgenossen zu haben. Der Körper der Kreatur maß an die vier Meter. Es wuchtete, mit seinen muskulösen Arm, eine Art Keule hinter sich her. Wie konnte man so einen Koloss übersehen? Als dieses Ding die beiden Reisenden sah, begann es wild zu grunzen. Sein Kopf war der eines Insekts nicht unähnlich. Stiele – gekrönt mit Facettenaugen, pendelten wirr in alle und jede Richtung. Grüner Schleim – wahrscheinlich Sabber, quoll aus einem kleinen, Stiel förmigen Maul, das über und über mit messerscharfen Zähnen bewährt war. Besonders auffällig war ein eigentümlicher Knochenkranz, der seinen Kopf einrahmte und der seinen Ursprung auf seinem steinigen Rücken fand. Auf jeder dieser Knochenspitzen, die seinen winzigen Kopf überragten, steckte eine schauerliche Trophäe. Jeweils ein abgehackter Menschenkopf. Die körperlosen Häupter waren aschfahl und ihre Augen sorgfältig zugenäht. So konnte ihr innewohnender Geist nicht entfliehen und bestärkte, angeblich, seinen Träger. Elamorsa fiel bei diesem erschütternden Anblick auf die Knie. Sie erstarrte. Ihr Blick folgte hypnotisiert dem Spiel der Nagel bewährten Keule, die sich jetzt langsam erhob und einen langen, bedrohlichen Schatten über sie warf. Die Pferde reagierten panisch. Die Wallache bäumten sich auf und wieherten schrill. Mit ihrem Tumult erregten sie die volle Aufmerksamkeit des Monsters. Der Regen prasselte von neuem hinab und trübte noch zusätzlich den Blick. Vivan sah prüfend an seiner schmalen und zudem kümmerlich wirkenden Klinge hinauf.
"Ich glaube wir haben ein Problem." Er hob entschuldigend seine Achseln.
Elamorsa sah plötzlich ihren Vater vor sich, in diesem bangen Moment zwischen Leben und Tod. Ein gebrochener Mann. Eingepfercht in einer Rüstung, die sein Leben bestimmte und ihn langsam in den Wahnsinn trieb. In einem Anflug von ungeahntem Mut stand Elamorsa auf und schritt wortlos auf das Wesen zu. Die Pferde waren außer Kontrolle. Im wilden Galopp sprengten sie davon, hinaus aus dem Wald, woher sie gekommen waren. Vivan sah ihnen nach. Ihr Gepäck wurde in alle Winde verstreut. Von da an wurde die Situation mehr als unübersichtlich. Ein Hecheln eilte vorbei. Eine weitere Gestalt von ungeheurer Größe brach aus dem Unterholz. Es roch scharf irgendwie – vergoren. Für einen kurzen Moment sah er graue Tatzen die sich, körperschwer direkt neben ihn, tief in den aufgelösten Waldboden bohrten. Tatzen, er zählte vier – ein Schlag in die Seite ließ Vivan atemlos taumeln. Keuchend ging er zu Boden. Er hielt sich den Rippenbogen, der höllisch schmerzte. Er beobachtete Elamorsa wie sie aufstand und beherzt auf die Kreatur zuging. Der Wolf war hier. Er sprang an der Frau vorbei, versetzte auch ihr einen Tritt und schleuderte sie so, ganz unvermutet, aus der Kampflinie. Der Riese zischte aggressiv und reckte herausfordernd seinen Kopf nach vorn. Er schwang mit Leichtigkeit seine zentnerschwere Keule, die bösartig zischend über den Kopf des Werwolfs hinweg fegte und um ein Haar seinen Schädel zertrümmerte. Es war haarsträubend anzusehen wie Elamorsa nur knapp einem zweiten Hieb entging. Sie stolperte ins Unterholz und krachte irgendwo gegen einen Baumstumpf, dabei verlor sie ihr Gleichgewicht. Vivan hörte noch ein Keuchen, dann folgte ein atemloses Wimmern.
Der Wolf übernahm. Noch immer hielt Vivan sein Schwert mit zittriger Hand beschützend vor sich. George Mondseele der Werwolf wich geschickt aus. Donnernd krachte die Keule gegen einen Baum, dessen Stamm auch gleich kreischend splitterte. Für den Moment regnete es Holz. Unzählige spitze Splitter flogen durch die Luft. Der Wolf verbiss sich in einen der klobigen Oberschenkel und riss mit spitzen Zähnen, einen beachtlichen Brocken Muskelfleisch heraus. Die namenlose Kreatur brüllte vor Schmerz. Mit einem stechenden Blick erfasste es die gegenwärtige Situation. Die Keule war zersplittert und unbrauchbar geworden. Wütend warf es den Stummel, welcher in seiner Faust ruhte, von sich. Es begann unablässig mit bloßen Händen nach dem Werwolf zu schlagen. Geschickt wich George dem Fausthagel seines Widersachers aus. Immer wieder versetzte er dem Wesen, ganz beiläufig, einen Biss. Noch ehe es zu spät war, pflückte das Monster einzelne Köpfe von den Dornen und warf, diese furchteinflößenden Geschosse, seinem Widersacher hektisch entgegen. Der so entblößte Dornenkranz überragten seinen Kopf. Bedrohlich senkte das Monstrum seinen Oberkörper ab und richtete die Spitzen aus. Das Wesen humpelte auf den Wolf zu und versuchte ihn, in dieser kauernden Haltung, glatt aufspießen. Aber vergeblich, es war zu spät. Es hatte bereits seinen Vorteil verspielt. Der Wolf huschte wie aufgezogen um in herum, gleich einem entfesselten Derwisch und verbiss sich in der Kniekehle des rechten Beines. Wimmernd und fluchend ging die Kreatur zu Boden. Der Wolf zögerte nicht einen Moment. Er sprang elegant auf den Rücken des Monsters und versenkte seine Zähne tief in seinem Hals. Mit einem ruckartigen Schwenk, seines dreieckigen Kopfes, riss er ein faustgroßes Stück Fleisch heraus und spie es vor die Füße Elamorsas, die ganz bleich und zittrig vor der blutigen Aufführung stand und nicht in der Lage war sich zu rühren. Die intensiven Farben des Blutbades ängstigten sie. Ihr Puls raste und sie schien kurz davor ihr Bewusstsein zu verlieren.
Vivan war der erste, der sich aus seiner Starre löste und sich beschützend vor Elamorsa aufbaute. Der Wolf knurrte erregt. Blut lief in Strömen aus der geöffneten Halsschlagader. Der Werwolf schien das Bad, im rotem Lebenssaft seines Gegners, zu genießen. Wie zur Bezeugung, nahm er einen kräftigen Schluck aus der Blutfontäne, schüttelte sich und versprühte dabei das Blut in alle Himmelsrichtungen. Elamorsa war wie hypnotisiert von dieser, zur Schaustellung schierer Gewalt.
"Komm nicht näher!" Vivan fand seine Worte in dem Moment lächerlich, als er sie aussprach. Er hatte den Werwolf bereits eine paar Nächte zuvor bei der Arbeit beobachtet. Diese Kreatur aufzuhalten war ein unmögliches Unterfangen – jedenfalls für ihn. Wo verdammt war die Schwarzelfin geblieben? Vivan leckte sich nervös die Lippen. Er packte Elamorsa grob und zog sie hinter sich her.
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