Die blasierte Miene des Jünglings blieb unbewegt. Er zündete sich seine Zigarette an und blies den Rauch zwischen den beiden Männern über den Tisch.
Peter verspürte einen übermächtigen Drang, aufzuspringen und diesem qualmenden Piefke mit der Faust Pietät beizubringen. Doch dann würde er unverrichteter Dinge abziehen müssen.
Dabei hatte das Gespräch mit Beaulieu gerade einen so vielversprechenden Verlauf genommen. Wenn er daran anknüpfen wollte, musste er besonnen bleiben.
Vor allem gegenüber diesem Lustknaben, der gestern mit seiner Eifersucht weitere Fotos von Robert und Beaulieu verhindert hatte. Verbarg sich hinter der Gleichgültigkeit dieses Knaben womöglich Genugtuung? Kannte er vielleicht sogar das Bild vom weißen Fasching, auf dem Beaulieu und Robert so vertraut wirkten? Wusste er mehr über dieses Verhältnis?
Konnte es sein, dass die Verbindung zwischen Beaulieu und Robert fortbestanden hatte? Wenn dem so war, musste Beaulieus Lustknabe in Robert einen höchst gefährlichen Rivalen gesehen haben.
Plötzlich sah Peter die Umstände von Roberts Tod unter einem völlig neuen Blickwinkel. Diesem blasierten Jüngling hier traute er alles zu.
„Was hat dieser Unfall mit uns zu tun?”, fragte der Lustknabe mit betont gleichmütiger Stimme und blies die nächste Rauchwolke über den Tisch.
Peter musste erneut tief durchatmen, um seinen Zorn im Zaum zu halten. Beaulieu konnte nachempfinden, was in Peter vorging und versuchte, die Situation zu entschärfen. „Robert stand bei dem Unfall unter Drogen“, erklärte er, „Herr Prock möchte gerne wissen, was sein Freund genommen hat.”
Der Lustknabe sah Peter misstrauisch an. Attraktive junge Männer, die wie aus dem Nichts auftauchten und von Beaulieu getätschelt wurden, ließen bei ihm alle Alarmglocken klingen. Schließlich hatte seine eigene Karriere beim Hausherrn ganz ähnlich begonnen. Wenn er weiteren Ärger vermeiden wollte, musste er den ungebetenen Gast möglichst schnell wieder los werden.
„Du bist nur wegen der Drogen hier?", fragte er lauernd.
Peter nickte.
Der Knabe überlegte kurz. „Und wenn ich dir etwas von dem Zeug gebe, gehst du dann wieder?"
„Ja."
Der Knabe zögerte einen Moment, dann ging er zu dem Tisch mit den Geschenken und kramte zwischen den bunten Paketen. Als er zurückkam, hielt er eine silbrig glänzende Stanniolverpackung in der Hand.
Er ließ sie vor Peter auf den Tisch fallen. „Da hast du was. Und jetzt verschwinde!“
Peter nahm die Verpackung in die Hand und betrachtete sie. In dem Stanniol steckten sechs große Tabletten. Das Ganze sah aus wie ein Medikament aus der Apotheke. „Das sollen Drogen sein?", fragte er. Da er dem Knaben misstraute, wandte er sich Beaulieu zu. Der sah Peter bedauernd an. „Ich habe mich gestern an den Champagner gehalten.”
Peters Blick ging zurück zu dem Blonden. „Wo kommt dieser Stoff her?”
„Keine Ahnung!" antwortete der Knabe gereizt. Er hatte seinen Teil der Abmachung erfüllt und wollte, dass Peter jetzt verschwand.
„Ganz ruhig“, schaltete sich Beaulieu ein. Sein Blick ging von dem Knaben zu Peter. „Es gibt für Drogen eine Regel. Jeder darf Stoff mitbringen, aber niemand fragt, wo er herkommt. Die einzige Bedingung besteht darin, dass der Stoff absolut sauber sein muss. Daran haben sich bisher alle gehalten und damit sind wir immer gut gefahren.“
Beaulieus Miene verriet, dass das Thema damit für ihn erledigt war. Peter erkannte, dass er unter den gegebenen Umständen nicht mehr erfahren konnte und stand auf.
Dann fiel ihm noch etwas ein. Er hielt dem Blonden die Tabletten entgegen. „Eine letzte Frage“, sagte Peter, „wie nimmt man das Zeug ein?"
„Das sind Brausetabletten”, entgegnete der Knabe unwirsch, „sie lösen sich in jeder Flüssigkeit auf.” Er blies eine Rauchwolke an Peters Kopf vorbei und nahm demonstrativ neben Beaulieu Platz.
Der Hausherr wirkte etwas hilflos. Auf seiner Miene lag stummes Bedauern.
Peter wusste nicht, ob es Roberts Tod galt oder der Störung durch seinen Liebhaber.
Doch das spielte jetzt auch keine Rolle mehr.
Er holte Roberts Mantel aus der Garderobe und ging.
10 Den Drogen auf der Spur
Auf der Rückfahrt nach München musste Peter immer wieder die Stanniolverpackung mit den sechs Tabletten betrachten, die neben ihm auf dem Beifahrersitz lag. Das war es also, was er neben dem Mantel von seinem Besuch bei Beaulieu mitbrachte. Sechs lausige Tabletten. Der professionellen Verpackung nach handelte es sich wahrscheinlich um ein irgendein stinknormales Medikament und Beaulieus Lustknabe lachte sich ins Fäustchen, dass er den Eindringling mit einem so billigen Trick losgeworden war.
Wenn er nicht wie ein Idiot vor Husoll treten wollte, musste er herausfinden, was diese Tabletten tatsächlich enthielten.
Er fuhr rechts ran und wählte Günthers Nummer. Verena meldete sich und teilte ihm mit, dass Günther noch im Bett lag. Als Peter ihr von den Tabletten erzählte, erklärte sie sich sofort bereit, eine entsprechende Analyse für ihn durchzuführen.
Peter wollte gerade weiterfahren, als sich Ulli meldete. Das Wrack von Roberts Porsche war inzwischen kriminaltechnisch untersucht worden und man hatte keinen Hinweis auf irgendwelche Manipulationen gefunden. Damit hatte die Polizei Roberts Unfall endgültig zu den Akten gelegt.
Peter erzählte Ulli rasch von seinem Besuch bei Beaulieu und dass er jetzt zur Analyse der Tabletten in Günthers Institut fuhr.
Als Peter dort ankam, war Günther inzwischen aufgestanden und saß am Frühstückstisch. Er berichtete, dass er seine Eltern erreicht und mit ihnen telefoniert hatte. Sie hatten eine Weile gebraucht, die Nachricht von Roberts Tod zu verdauen. Aber dann hatten sie mit der Reiseleitung Rücksprache genommen und da es praktisch unmöglich war, einen vorzeitigen Rückflug zu organisieren, wollten sie planmäßig am Samstag zurückkommen. Günther sollte die Beerdigung seines Bruders für den folgenden Montag planen.
Peter berichtete, dass die kriminaltechnische Untersuchung von Roberts Wagen keinen Anhalt für Manipulationen ergeben und die Polizei damit Roberts Akte offiziell geschlossen hatte. Günther schien darüber sichtlich erleichtert.
Dann zeigte Peter die Tabletten, die er bei Beaulieu bekommen hatte. Günther nahm sie interessiert in die Hand. „Die Größe passt zu einer handelsüblichen Brausetablette“, meinte er und reichte die Packung Verena.
Die fackelte nicht lange und nahm eine der Tabletten aus der Verpackung. „Gleich wissen wir mehr“, sagte sie und verschwand Richtung Labor.
Günther schenkte Peter einen Kaffee ein und ließ ihn von dem Besuch bei Beaulieu erzählen. Peter hatte seinen Bericht gerade beendet, als Verena zurückkam. Mit vielsagender Miene reichte sie Günther ein zweispaltig bedrucktes Blatt.
Der überflog das Gedruckte und legte dann das Papier vor Peter auf den Tisch. Er deutete auf die linke Spalte. „Hier stehen die Substanzen, die wir in Roberts Blut gefunden haben.“ Dann wanderte sein Finger nach rechts. „Und das sind die Inhaltsstoffe der Tablette, die du mitgebracht hast."
„Und?“
„Die Substanzen sind absolut identisch. Beaulieus Lustknabe hat dir genau das Crystal Meth gegeben, das wir auch in Roberts Blut gefunden haben.“
Peter fühlte sich mächtig erleichtert. Er sah Günther und Verena dankbar an. Also war sein Besuch bei Beaulieu doch nicht umsonst gewesen.
„Es gibt allerdings einen kleinen Unterschied“, erklärte Günther und deutete auf die rechte Spalte.
„Nämlich?", fragte Peter überrascht.
„Die Substanz Natriumhydrogenkarbonat kommt nur in der Tablette vor."
„Und was bedeutet das?", fragte Peter irritiert.
„Natriumhydrogenkarbonat ist ein Bestandteil von Brausetabletten", ergriff Verena das Wort, „sozusagen der Treibsatz, der die Tablette beim Kontakt mit einer Flüssigkeit auflöst und zum Perlen bringt.“
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