Promis, die sich mit Robert unterhielten oder mit ihm für die Kamera posierten.
Als Peter ins Archiv kam, saß Bärbel mit dem Rücken zu ihm vor einem Monitor. Sie trug ein einteiliges Wollkleid und in ihrem Haarknoten steckte die übliche Hornspange. Behutsam legte Peter seine Hände auf ihre Schultern. „Hallo Bärbel”, sagte er leise.
Bärbel blieb einen Moment wie erstarrt sitzen, dann stand sie ganz langsam auf und fiel Peter in die Arme. Er spürte, wie ihr die Tränen die Wangen hinunter liefen.
Einen Augenblick hielten sie sich gegenseitig fest. Dann setzte sie sich wieder und Peter nahm neben ihr Platz.
Sie sah den Freund aus geröteten Augen an. „Erzähl mir, was passiert ist!“
Peter musste ganz genau berichten, was in der vergangenen Nacht geschehen war.
Als er seinen Bericht beendet hatte, schüttelte Bärbel in stiller Verzweiflung den Kopf. „Und wie geht es jetzt weiter?“
„Ulli ist zur Polizei gefahren, um zu erfahren, was bei der kriminaltechnischen Untersuchung von Roberts Wagen herausgekommen ist. Ich fahre jetzt zu Beaulieu, sehe nach Roberts Mantel und versuche, irgendeinen Hinweis auf die Drogen zu finden.“ Peter deutete auf den Monitor. „Husoll sagte, dass du Infos über diesen Beaulieu für mich hast.“
Bärbel wischte sich über die Augen und nickte. „Dieser Beaulieu ist eine schillernde Figur. Ich habe ein paar Infos für dich ausgedruckt. Aber es ist fast immer dasselbe.“
Sie griff zu einem Stapel ausgedruckter Blätter und reichte Peter den obersten Bogen. Es handelte sich um einen Ausschnitt aus Roberts Klatschspalte und zeigte Beaulieu bei der Eröffnung einer Vernissage. Auch die weiteren Blätter stammten aus Roberts Spalte und drehten sich um öffentliche Auftritte von Beaulieu.
„Diese Berichte sind sich alle sehr ähnlich”, sagte Bärbel, „jede Menge Schickimicki, Feste, Vernissagen. Beaulieu der Bonvivant, der Mäzen und der Schwule.“ Dann griff sie zu einem Blatt, das sie zur Seite gelegt hatte. „Doch das hier hat mich überrascht.“ Mit bedeutungsvoller Geste reichte sie es Peter.
Als Peter das Blatt betrachtete, konnte er seine Überraschung nicht verbergen. „Wow!“, sagte er, „wann war das denn?“
„Vor etwa dreieinhalb Jahren”, sagte Bärbel.
Der Ausdruck stammte aus der Klatschspalte der Abendzeitung und betraf den Weißen Fasching , das populäre Karnevalsfest der Max Emanuel Brauerei, bei dem alle Gäste ganz in Weiß erscheinen. Das dazugehörige Foto zeigte zwei Männer in einem identischen weißen Kaftan, auf der Brusttasche ein goldenes “B” auf einer stilisierten Säule, das Logo von Beaulieus Softwareschmiede. Die Position, in der die beiden Männer nebeneinander standen, wirkte sehr vertraut. Sie hatten ihre Kapuzen zurückgeschlagen und lächelten in die Kamera. Der eine Mann war Beaulieu, der andere Robert.
9 Peter und der schwule Millionär
Als Peter sich kurz darauf auf dem Weg zu Beaulieus Anwesen befand, ging ihm das Bild von Robert und dem Software-Unternehmer nicht mehr aus dem Kopf. Warum trugen die beiden ein identisches Kostüm und gingen so vertraut miteinander um? Wollten sie für ein Pärchen gehalten werden? Beaulieu als bekennender Schwuler schmückte sich gern mit attraktiven Männern, das gehörte zu seinem Image. Aber warum sollte Robert als stadtbekannter Hetero ein solches Spielchen mitmachen? Hatte es womöglich doch eine Beziehung zwischen den beiden gegeben? War Robert vielleicht so von weiblichen Reizen übersättigt gewesen, dass er einmal die Variante bi probieren wollte?
Welche Beziehung hatte zwischen Robert und Beaulieu bestanden? Hatte Roberts Tod am Ende womöglich etwas mit dem Software-Unternehmer zu tun? Immerhin war er von Beaulieus Fest aus in den Tod gerast.
Peter war so in seine Gedanken versunken, dass er den Hauch von Indian Summer gar nicht bemerkte, der über den Bäumen lag.
Erst der Anblick der Unfallstelle holte ihn in die Realität zurück. Fast automatisch fuhr er rechts ran und stieg aus. Im Gegensatz zu der Hektik der vergangenen Nacht lag jetzt eine eigenartige Ruhe über diesem Ort.
Peter musste an die Stille eines Friedhofs denken, denn hier hatte Robert sein Leben gelassen. Wie ein stummer Zeuge erinnerte der gewaltige Alleebaum an das entsetzliche Geschehen der vergangenen Nacht. Kurz über dem Boden war das nackte Holz des Stammes freigelegt, um die helle Wunde sah man gesplittertes Holz und Fetzen von Rinde. Alle anderen Spuren des Unfalls waren beseitigt worden.
Peter betrachtete den Asphalt an der Unfallstelle. Die Polizisten hatten Recht. Es gab keinerlei Bremsspuren. Robert schien nicht einmal den Versuch unternommen zu haben, den Aufprall zu verhindern.
Mit ungläubiger Miene sah sich Peter noch einmal um. Aber außer dem verletzten Baum gab es nichts Auffälliges mehr zu sehen. Ratlos stieg Peter wieder in seinen Wagen und fuhr weiter.
Je näher er Beaulieus Anwesen kam, umso mehr verstärkte sich bei Peter die Vermutung, dass nur dort der Schlüssel zu Roberts rätselhaftem Tod liegen konnte. Denn nur hier konnte Robert die Drogen zu sich genommen haben und hier hatte seine Todesfahrt ihren Ausgang genommen.
Und plötzlich fühlte Peter Zorn in sich aufsteigen. Zorn gegen Greg Beaulieu, den einzigen Menschen, den er bisher mit dem Tod des Freundes in Zusammenhang bringen konnte. Vielleicht würde Robert ohne diesen schwulen Software-Unternehmer noch leben?
Peter überlegte, wie er dem Mann gegenübertreten sollte. Wusste Beaulieu überhaupt schon von Roberts Tod? Wahrscheinlich nicht. Dann würde Peter ihm die Nachricht überbringen und konnte vielleicht aus Beaulieus Reaktion einen Hinweis darauf erhalten, was für ein Verhältnis zwischen dem Software-Unternehmer und Robert bestanden hatte.
Dann hatte er Beaulieus Anwesen erreicht.
Das große schmiedeeiserne Tor stand offen und Peter parkte auf dem Hof neben einem Lieferwagen des Partyservice Wurm. Zwei junge Männer waren gerade dabei, Geschirr und Reste des Buffets in das Auto zu laden.
Peter wunderte sich nicht, dass die Firma Wurm Beaulieus Fest ausgerichtet hatte. Denn der aufstrebende Partyservice Wurm versuchte seit einiger Zeit, sich mit spektakulären Aktionen neben der alteingesessenen Firma Käfer zu etablieren. Eine der Marketingstrategien der Firma Wurm bestand darin, Feste mit hoher Promidichte zu Dumpingpreisen auszurichten. Selbst wenn Wurm dabei Miese machte, rechnete es sich. Denn der Name Wurm erschien anschließend werbewirksam in den Klatschspalten und die Firma hatte wieder etwas für ihr Image als Partyservice der Reichen und Schönen getan.
Peter ging mit einem kurzen Gruß an den beiden Mitarbeitern von Wurm vorbei und betrat den großzügigen Eingangsbereich. Rechts befand sich die Garderobe, die man durch eine Reihe fahrbarer Kleiderständer erweitert hatte. Hier hingen noch mindestens zwei Dutzend Kleidungsstücke. Durchweg teure Teile. Zwischen einem Nerz und einem Seidencape entdeckte Peter Roberts blauen Kaschmirmantel.
Damit war wenigstens diese Frage geklärt.
Aber warum hatten noch so viele andere Gäste ihre Garderobe vergessen? War Robert möglicherweise nicht der Einzige, der an diesem Abend unter dem Einfluss von Drogen die Orientierung verloren hatte? War etwas dran an dem Gerücht, dass die Schickeria inzwischen Drogen genauso selbstverständlich konsumierte wie Alkohol? Wenn dem so war, gehörte vermutlich auch der Gastgeber zu den Konsumenten und war noch nicht ansprechbar.
Peter musste sich ein eigenes Bild machen.
Er ließ Roberts Mantel hängen und ging in den großen Saal, an dessen Kopfende eine Bühne errichtet worden war. Links davon sah er eine Reihe weißgedeckter Tische mit Resten des Buffets. Weiter hinten standen zwei massive Holztische, auf denen sich Berge farbenfroh verpackter und meist noch ungeöffneter Geschenke stapelten. Neben den Tischen mit den Präsenten führte eine breite Sandsteintreppe ins Obergeschoß.
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