„Na ja, alles kann ja auch nicht an ihr perfekt sein, das wäre ja unfair, sie lispelt auch irgendwie!“, gackerte Katrin zurück.
Die beiden tratschten über Sandy am laufenden Band wie zwei alte Waschweiber. Es machte ihnen richtig Spaß, und es tat ihnen mal wieder gut, so zu lästern; dabei hatten sie fast eine Flasche Sekt geleert. Katrin zog ihre hohen Schuhe aus, ehe sie sich noch den Fuß brach, sie konnte das Gleichgewicht bei diesem Alkoholpegel nicht mehr so gut halten. Lars und Sandy saßen auf der Terrasse mit einem Caipirinha im Strandkorb und unterhielten sich über alte Zeiten. Das gefiel Tatjana, die ziemlich angeheitert war, überhaupt gar nicht. Katrin unterhielt sich mit den drei süßen Jungs, die zu ihrem Bedauern schwul waren, über die neuesten Trends in der Mode und flirtete sogar ein wenig mit Dennis, obwohl sie wusste, dass sie absolut keine Chance bei ihm hatte. Tatjana ging übel gelaunt in die Küche zurück, schenkte sich noch ein Glas Sekt ein und schob die Pizzableche in den Ofen, danach drehte sie „We’ll never speak again“ von Morten so laut auf, dass auch ihre Nachbarn etwas davon hatten, ob sie wollten oder nicht. Sie sang munter mit, während sie die Salatsoße mixte.
… and all of us are broken
and all of us in pain
though some of us have spoken
WE’LL NEVER SPEAK AGAIN
Irgendwann kam Lars in die Küche und umarmte Tatjana von hinten. „Hey, lass das, geh lieber wieder raus und kümmere dich um deinen Gast!“, schnauzte Tatjana Lars an.
„Ist da jemand etwa eifersüchtig?“, grinste Lars.
Das reizte Tatjana aber noch mehr, sie drehte sich ruckartig um, warf ihren Kopf in den Nacken und stolzierte extrem hüftwackelnd mit ihrem kurzen schwarzen Rock und den schwarzen Pumps, in die sie schnell wieder hineingeschlüpft war, nach draußen, Richtung Terrasse.
„Ich liebe dich, besonders wenn du so böse guckst!“, rief ihr Lars hinterher, und das stimmte! Lars war absolut verrückt nach Tatjana, wenn er merkte, dass sie eifersüchtig wurde. Doch nun musste er aufpassen, dass Tatjana nicht noch explodierte, denn das könnte böse ausgehen, sie hatte sehr viel Temperament, besonders, wenn sie jemanden verteidigen wollte, den sie sehr liebte.
Also versuchte Lars einzulenken und hielt eine kleine Geburtstagsrede für seine Frau. „Liebe Freunde und Geburtstagsgäste, ich möchte keinen langen Vortrag halten. Ich wollte einfach nur etwas Wichtiges loswerden. Für mich ist Tatjana die absolute Traumfrau, auch wenn sie total ein Chaotenweib ist, aber sie ist wunderbar, ich liebe sie und all ihre Macken auch. Danke, Tatjana, dass du damals vor acht Jahren angerufen hast, um dich mit mir zu treffen!“ Er küsste Tatjana nach der romantischen kleinen Rede und schenkte ihr noch einen wunderschönen Ring mit einem türkisfarbenen Stein. Den hatte Tatjana vor einem halben Jahr in Sizilien an einem Promenadenstand entdeckt, doch sie war damals zu geizig gewesen, 100 Euro dafür auszugeben. Lars war am nächsten Tag noch einmal dort vorbeigegangen und hatte ihn gekauft, aber er wollte ihr den Ring erst am Geburtstag schenken. Die Geburtstagsgäste klatschten und freuten sich mit Tatjana zusammen über die tolle Rede und das entzückende Geschenk. Tatjana hatte nun ein schlechtes Gewissen, weil sie Lars eben noch so vorwurfsvoll angezickt hatte.
Sie ging zu ihm, umarmte ihn stürmisch und flüsterte „Entschuldigung, Bärchen“ in sein Ohr. Lars hatte ihr schon längst verziehen, eigentlich fand er es auch gar nicht so schlimm, dass Tatjana ein bisschen eifersüchtig war, denn sonst war er eher derjenige, der auf Tatjana aufpassen musste.
Sie war schließlich eine gut aussehende Frau mit viel Charme und Esprit. Sie konnte sich fast mit jedem unterhalten und hatte einen besonderen Witz, in dem was und wie sie es sagte. Sandy musste sich urplötzlich ganz schnell verabschieden, was Tatjana natürlich sehr bedauerte. Chris und seine zwei gut aussehenden Jungs wollten Sandy begleiten. Sie waren noch bei einer wichtigen Theaterparty eingeladen, bei der Herr von und zu und Frau so und so anwesend waren. „Ganz wichtige Menschen, die man unbedingt treffen musste als Frau von Welt“, meinte Chris zu Tatjana, als er sich theatralisch verabschiedete. „Tschüssi, meine Liebe, es war entzückend und es hat lecker geschmeckt. Du musst mir unbedingt das Rezept von deiner Salatsoßenmixtur geben!“
Tatjana war froh, dass sie jetzt nur noch zu dritt waren. Katrin war seit einem Jahr solo und öfters mal abends bei Sandbergs zum Essen eingeladen. Lars machte das nichts aus, wenn die beiden von früheren Zeiten schnackten und meistens eine Flasche Sekt oder Rotwein dabei leerten.
Die Tage vergingen wie im Flug, und Tatjanas Geburtstag war jetzt schon wieder vier Wochen her.
Katrin und Tatjana gingen seit einigen Tagen abends walken, um eine bessere Figur machen zu können bei dem wichtigem Termin in Oslo. Tatjana fing nach ihrem Geburtstag sogar eine Diät an, sie wollte unbedingt zehn Kilo abnehmen, weil sie schließlich in ihre absoluten Lieblingsjeans passen wollte. Sie hatte sie zum letzten Mal vor acht Jahren angezogen, als sie Lars kennengelernt hatte. Er meinte damals, dass sie darin einen unheimlich „sexy Knackarsch“ hätte.
Sie fieberte dem Konzerttermin immer mehr entgegen und freute sich wie ein kleines Mädchen über die Backstage-Karten. Lars empfand diese Sache mittlerweile als ziemlich nervend und fühlte sich auch ein wenig zurückgesetzt von seiner Frau. Es fing leicht an zu kriseln bei den beiden, ohne dass Lars und Tatjana es sich bewusst waren. An einem Abend kam es zu einem heftigen Streit, und Tatjana schlief für eine Nacht bei Katrin. Sie rief abends ihre Freundin an. „Hi Kati, bin total fertig! Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?“ Tatjana weinte in den Hörer hinein.
Als sie 20 Minuten später an Katis Haustür klingelte, bedankte sie sich mit einer Flasche Rotwein aus St. Emilion bei ihr. Katrin machte leise „Hunting high and low“ an, holte die riesengroßen, bauchigen Rotweingläser aus der Vitrine und schenkte den Wein ein.
„So, jetzt trink erst mal einen guten Schluck und erzähl!“, versuchte Katrin, ihre weinende Freundin zu beruhigen.
Tatjana berichtete, dass Lars sehr gereizt an diesem Abend von der Arbeit nach Hause gekommen war, gerade als sie in der Küche das Essen vorbereitete. Dabei hatte sie laut die neue CD von ihrem Lieblingsnorweger gehört und eifrig mitgeträllert. Das Erste, was Lars in den Sinn gekommen war, als er in die Küche gekommen war, war es gewesen, die Stereoanlage leise zu drehen.
„Was soll das denn?“, schnauzte Tatjana ihn daraufhin an.
„Ich bin genervt, außerdem kann ich diese CD bald nicht mehr hören!“, fluchte Lars.
Es gab plötzlich einen richtigen Vulkanausbruch aus Vorwürfen und hässlichen Beschimpfungen.
Lars war überhaupt nicht begeistert davon, dass Tatjana nur noch an diese Wohnmobil-Tour und das Konzert dachte. Er wollte seine Tatjana für sich haben und sie nicht mit einem norwegischen Sänger teilen. Er hatte Angst, seine Frau zu verlieren. Sie war nur noch mit sich selbst beschäftigt, und beide unternahmen in den letzten Wochen fast nichts mehr gemeinsam. Lars war ratlos und konnte sich diese Verwandlung seiner Frau nicht wirklich erklären.
„Was ist denn nur los mit dir?“, hatte er sie angeschrien.
„Nichts Schlimmes, ich entfalte mich einfach nur, ich will mal wieder raus aus meinem grauen Alltag, verstehst du das denn nicht?“, fauchte Tatjana ihn vorwurfsvoll an.
„Du bist wie eine pubertierende Göre! Da hab ich keine Lust drauf, werd endlich mal wieder du selbst!“, herrschte Lars sie an.
Tatjana nahm reflexartig eine große Tomate, die sie gerade für den Salat schneiden wollte und knallte sie auf den Boden, der Tomatensaft spritzte überall herum.
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