Ihm scheint das Ganze hier genauso unangenehm zu sein wie mir. Er versucht es aber – relativ ungeschickt – zu überspielen.
„Sehr gut. Wie ich sehe, hat dieses Büro schon eine weibliche Note.“ Autsch, auch das könnte man falsch verstehen – im Kontext der Worte: „Hast du das nicht kleiner? Hunderter kann ich nicht wechseln. Haben wir eigentlich dreimal oder viermal gebumst?“, die aus dem Schlafzimmer dringen.
Unser unangenehmes Schweigen, währenddessen jeder krampfhaft versucht, das Thema zu wechseln, aber keine Ahnung hat, in welche Richtung es gehen soll, wird von meinem Boss unterbrochen, der mit nacktem Oberkörper und Anzughose heraustritt, seinen Freund begrüßt, der ihm etwas widerwillig die Hand schüttelt, und von mir im Befehlston verlangt: „Was ist das?“
Ohne ihn anzusehen, verkünde ich: „Wenn Sie es nicht essen oder besteigen können, pullern Sie einfach drauf.“
Erst jetzt erkenne ich den Becher Kaffee in seiner Hand, den ich vorhin auf seinem Nachtkästchen abgestellt hatte.
„Ein Heißgetränk, das aus gerösteten Samen der Kaffeepflanze hergestellt wird“, antworte ich emotionslos.
Genervt erklärt er: „Das ist mir klar, aber das Zeug ist widerlich. Was ist aus dem Moccacino geworden?“
„Sie haben nie etwas gesagt. Sich übrigens nicht mal für diese äußerst entgegenkommende Aufmerksamkeit meinerseits bedankt, also dachte ich, Sie sind eher der Maintream-Typ – in Sachen Kaffee, versteht sich. Alles andere ist ja – wie man so hört – recht stramm ausgeprägt. Allem voran Ihr Ego. Der Abnabelungsprozess von dieser Sorte dauert übrigens mindestens zwölf Monate an. Weiß ich aus eigener Erfahrung.“
Der Pater presst die Lippen aufeinander, um nicht loszuprusten. Valentin ignoriert mich mal wieder.
„Ich will wieder den anderen Kaffee. Ach, hier. Machen Sie den klein“, verlangt er, während er mir einen Hundertdollarschein entgegenwirft.
Ich fasse es nicht, dass er jetzt von mir verlangt, ihm Kleingeld für die Bezahlung seiner Prostituierten zu wechseln.
„Wie klein wollen Sie ihn denn?“, frage ich.
„Keine Ahnung. So klein wie möglich“, herrscht er mich genervt an.
Ich nicke, trete an meinen Schreibtisch heran und zücke die Schere, mit der ich vom Schein einen Mini-Teil abschneide. Dabei zwinkere ich und strecke konzentriert die Zunge zu einer Seite raus, damit das ein gerader Schnitt wird.
Meinem Boss steht der Mund offen. Pater Andrew büßt Teile seiner Selbstbeherrschung ein und bricht in schallendes Gelächter aus.
Sekunden später reagiert Valentin und entreißt mir die Schere. „ Sind Sie verrückt geworden? “, schnauzt er mich an.
Lass es gut sein, Ruby. Er ist es nicht wert – sage ich mir in Gedanken … bis ich alle Gedanken verwerfe, die dafür sprachen.
„Sie haben doch gesagt, ich soll die Klappe halten und nicht immer alles hinterfragen. Aber wenn Sie mir den Hinweis erlauben. Pater Andrew hat sicher die Kollekte einstecken und wechselt gerne – Wohltäter, wie er ist – ihren Geldschein, damit Sie Ihre Nutte bezahlen können.
Ich hoffe, das Geld ist abgezählt. Naja, schlimmstenfalls müssen Sie doch Trinkgeld geben, obwohl Sie bei Ihr ja ruhig mal eine Ausnahme machen könnten. Immerhin hat Sie sie Gott genannt. Wenn das kein Zeichen ist.
Ich lächle jetzt einfach mal, nicke in regelmäßigen Abständen und hoffe, dass keine Frage kommt.“ Schief grinsend erstarre ich und warte auf Anweisungen. Im Traum – ich verarsche ihn nach Strich und Faden – und es tut verdammt gut.
Valentin sieht echt zum Fürchten aus, als er sich an Pater Andrew wendet: „Bitte erlöse mich von meinen Qualen.“
„Nun nehmen Sie sich doch seiner Seele an, Pater“, stoße ich gespielt entrüstet aus. „Sehen Sie denn nicht, dass er verzweifelt ist. In seinem Zustand säuft sich sogar der Teufel Mut an, um ihn zu holen.
Ach, und wenn Sie bei seinen Qualen angelangt sind. Eine innere Reinigung würde ihm guttun. Räucherstäbchen, Gummihandschuhe, Trichter, Schlauch und die Grillzange finden Sie in der obersten Schreibtischschublade.“
Das Telefon klingelt. „Kanzlei von Valentin van Dhart“, melde ich mich. „Die bezaubernde Ruby am Apparat.“
Falsch verbunden. Der Typ hat bereits aufgelegt, aber ich erlaube mir einen Spaß und sage: „Oh, der bohnert gerade, aber gönnen wir ihm doch den Spaß. Ich stell Sie zum Anrufbeantworter durch. Bitte warten Sie nicht auf den Piepton und sprechen Sie Ihren Kummer ohne Hemmungen auf Band, wir lachen dann später darüber.” Daraufhin lege ich einfach auf.
Valentin steht der Mund offen. Andrew heult schon vor Belustigung. In dem Moment tritt Amanda heraus und schmiegt sich an Valentins Seite, der sie an sich zieht und mit ihren Haaren spielt.
Mit den Worten: „Ich lass Sie jetzt alleine, damit Sie Männergespräche führen können. Wenn Sie mich suchen, ich hole Ihnen Mittagessen. Sie müssen ja ganz ausgehungert sein, Sie Ärmster.
Dann stell ich ihren Beziehungsstatus bei Facebook um. Von ‚ Ich geh mit meiner Laterne ‘ auf ‚ Ich hab schon genug Stress mit meinen Haaren ‘. Durch die Recherche auf dieser einschlägigen Plattform weiß ich auch schon genau, was ich Ihnen zu Weihnachten schenken werde. Etwas zum Anziehen und ein Wörterbuch. Dann können Sie sich ja auf etwas freuen. Bis später“ bin ich auch schon aus der Kanzlei raus.
Bevor die Tür ins Schloss fällt, bemerke ich, dass ich die Schlüssel liegenlassen habe. Ich will nochmal zurück, da halte ich inne, weil ich meinen Namen vernehme. Reden die etwa über mich?
„Sag mir, dass du endlich jemand anderen gefunden hast“, stößt mein Boss verzweifelt aus.
„Ich brauche mehr Zeit. Es ist nicht so einfach jemanden zu finden, der auf deine Beschreibung passt, Valentin“, verteidigt sich Pater Andrew.
„Es kann doch nicht so schwer sein, eine hübsche Frau zu finden.“ Valentin.
„Hübsch sind viele, aber du willst eine Jungfrau, um die … ähm … Kerle rauszulocken.“ Amanda hört zu, deshalb vermeidet er das Wort Dämon.
Darum geht’s ihm also. Deshalb hat er auf die Frage, warum er mich als Verstärkung braucht, so zögerlich reagiert und die Antwort darauf auf später verschoben.
Warte mal. Verdammt, woher wusste der Pater, dass ich noch Jungfrau bin? Toll, sieht man mir das etwa an der Nasenspitze an?
Warte. Linda. Ich hab wohl ein Hühnchen mit ihr zu rupfen, wenn ich wieder zu Hause bin. Das erklärt auch Valentins Kommentar im Kontext mit meinen Männergeschichten. Er vermutet es nicht nur, er weiß es, wie unerfahren ich bin. Toll. Ganz toll.
„Finde mal eine hübsche, erwachsene Frau, die noch dazu unberührt ist. Außerdem, was hast du gegen Ruby? Sie ist doch perfekt für den Job und es gefällt mir, dass sie sich nicht alles gefallen lässt. Besonders, wenn du sie herumkommandierst.“ Pater Andrew.
„Sie ist nicht hübsch genug.“ Na hör mal. „Der Kerl ist nicht gerade auf sie angesprungen, wenn du verstehst, was ich meine.
Sie ist zickig wie sonst was. Eine richtige Kratzbürste. Launisch, ein Mädchen sondergleichen, überheblich, eine Prinzessin auf der Erbse. Wie nennt man das – ja eine Dramaqueen. Eine geldgierige Blutsaugerin.“ Autsch.
„Für die … Partys … brauche ich keine Heulsuse, sondern eine Femme fatale . So jemanden wie Amanda hier – nur mit Gehirn.“ Wie nett. „Darüber hinaus, ich bezahle Ruby, also kann ich sie behandeln wie ich will. So wie Amanda hier.“ Davon träumst du wohl. Und unglaublich, dass er mich mit einer seiner Nutten vergleicht. Schau sie an, schau mich an! Haaaallooooo?! DIFFERENZ!!!
Obwohl mir der Kerl egal sein könnte, treffen mich seine Worte dennoch. Das „Dramaqueen“ hat echt wehgetan. Enttäuscht wende ich mich ab.
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