Das Licht im Flur geht nicht an, aber durch den Schein der Leuchtreklame, die durchs Flurfenster dringt, erkenne ich eine dunkle Gestalt, die augenscheinlich ertappt stehengeblieben ist. Der Zeitungsdieb! Verdammt , jetzt hab ich ihn erwischt, bevor er die Tat begehen konnte. Egal.
„ Hey! “, rufe ich ihm entgegen, „Ich habs genau gesehen, dass du die Zeitung klauen wolltest!“ Eigentlich hab ich nichts gesehen, aber es dient der Theatralik und schreckt den Wiederholungstäter hoffentlich ab oder bestärkt ihn dabei, sich ein anderes Opfer zu suchen.
Bei den Worten nimmt er Reißaus. Ich nehme die Verfolgung auf und sprinte hektorschwingend hinterher.
Am Ende des Flurs schaffe ich es, ihm das Teil über die Rübe zu ziehen, da dreht er sich um und stößt mich brutal von sich.
Mit einem dumpfen Laut lande ich auf dem Rücken. Autsch. Kurz bin ich wie benommen, aber erkenne, dass seine in Schwarz gehüllte Gestalt über mir stehengeblieben ist und auf mich runtersieht.
Einer der Nachbarn reißt in dem Moment die Tür auf und erhellt den Gang. „Was ist denn das für ein Lärm? Es ist vier Uhr morgens, verdammt nochmal“, zetert er. Ja, ich weiß.
Der Täter ist schon weg, als mein Blick vom Nachbarn abgelenkt zurück an die Stelle schwenkt, an der der potenzielle Dieb vor Kurzem noch stand.
Ich konnte aber das Tattoo an seinem Handrücken genau erkennen. Damit lässt sich sicher herausfinden, wer der Idiot ist. Sieht so aus, als würde ich morgen mal eine Vorstellungsrunde in der Nachbarschaft drehen.
Anstatt mir zu helfen, knallt der verärgerte Pyjamaträger die Tür zu und hüllt mich wieder in Dunkelheit.
„Danke für die Hilfe, Sie vorbildlicher Mitmensch. Nein, mir geht’s gut. Stanley Ipkiss vermisst übrigens seinen Pyjama“, raune ich und rapple mich schwerfällig hoch.
Mit der Hand an meinem pochenden Kreuz humple ich zurück zur Kanzlei, in der scheinbar Ruhe eingekehrt ist. Wow, ich hab wohl das Grande Finale überhört – ich Glückspilz.
In der Toilette finde ich die Putzfrau in einer Ecke schnarchend vor. Oh, die ist wohl vor Erschöpfung zusammengeklappt und einfach dort liegengeblieben, wo sie grad noch geputzt hat. Sie hat aber ganze Arbeit geleistet. Alles ist blitzblank sauber. Deshalb wecke ich sie und entlasse sie in die Freiheit.
Vorher hat sie mir aber noch in gebrochenem Englisch mit mexikanischem Akzent klargemacht, dass sie kündigt. Toll, wieso gibt’s eigentlich Meister Proper nicht in echt?
Egal, ich habe ein Ziel: Aus diesem Ort eine Wellnessoase zu machen. Ich weiß, da hab ich mir ganz schön was vorgenommen, aber unrealistische Pläne sind voll mein Ding.
Dafür hab ich Duftkerzen, Raumspray, Klosteine, die an der Toilette klebenbleiben, bunte Handtücher, wohlriechende Seife, Mottenkugeln, Imprägnierspray, Knisterbadesalz und Gummihandschuhe für den Kühlschrank im Gepäck. Wenn ich hier fertig bin, hab ich vor, den Eingangsbereich aufzupeppen.
Immerhin will ich von diesem Detektivimage runter – hin zu einem seriösen Unternehmen. Naja, zumindest soll es so aussehen.
Gefühlte Stunden später lasse ich mich erschöpft auf den Stuhl sinken. Respekt – beim Kühlschrank musste ich nur zweimal beinahe kotzen.
Mit der Wäscheklammer an der Nase gings ganz gut – naja, zumindest war ein Sinn ausgeschaltet.
In manchen Situationen wünscht man sich aber, Teile des Gehirns temporär abschalten zu können, die die Vorstellung des Geruchs erzeugen, wenn man den Käse mit dem Schimmelbefall sechsten Grades von einer Plastikschale krümelt.
Naja, zumindest weiß ich jetzt, wie viele unterschiedliche Arten von Pilzen auf einem Lebensmittel wuchern können. Mir war auch nicht klar, dass es behaarten Schimmel gibt. Echt eklig sowas.
Pünktlich um zwei Uhr nachmittags wecke ich – wie befohlen – den Großmeister. Leider hab ich irgendwie vergessen, dass er ja nicht allein ist.
Da ich die Tür mit extra viel Schmackes aufgestemmt habe, hab ich seine Nutte aus dem Schlaf gerissen, die nackt neben ihm hochgeschossen ist.
Mir steht der Mund offen, denn sie ist total hübsch, hat blonde Wahnsinnslocken und Naturbrüste, mit denen man Werbung für Transplantationen machen könnte. Dagegen sind die meinen schlabbrige Furzkissen mit hängenden Blasnippeln dran.
Bei meinem Anblick kreischt sie auf und schlägt ein paar Mal mädchenmäßig auf Valentin ein, der auf dem Bauch liegend ein „Blas mir noch einen, bevor du gehst“ verlangt. Erst jetzt erkenne ich, dass er ebenfalls splitterfasernackt ist. Wieder mal.
„Wer ist das?“, fordert sie genervt und zeigt auf mich.
Das lässt Valentin den Kopf schwerfällig zur Seite drehen und kurz die Augen aufmachen. „Darf ich vorstellen: Ruby, meine Assistentin. Ruby, das ist eine richtige Frau.“ Das macht er mit voller Absicht und nur, um mich zu ärgern. Er soll mich doch nicht seiner Prostituierten vorstellen.
„Amanda“, erinnert sie ihn an ihren richtigen Namen. Aber nicht patzig, sondern so als hätte sie bereits damit gerechnet. „Nach der Nacht kannst du mich aber nennen, wie du willst, und ich nenne dich weiterhin ‚ Oh Gott ‘“, klingt so, als hätte sie es einstudiert.
„Und ich nenne Sie einfach weiterhin Old Shatterhand“, ergänze ich. „Nein, warten Sie, so heißt mein Plüsch-Rüsseltier. Das erinnert mich nur immer so an Sie. Echt gespenstisch.“
Amanda macht eine genervt abschätzend Bewegung mit ihrer Hand und befiehlt: „Ähm, Frühstück.“ Er sagte Assistentin, nicht Sklavin.
„Oh, ich hatte noch keinen Tropfen. Aber es wär noch Flüssignahrung in Form von Kotze von gestern übrig. Stammt von unserer Ex-Putzfrau, die heute Morgen den Lappen geworfen hat. Sagen wir mal so, die kehrt nie wieder.
Sie hatte wohl Angst, sich beim Saubermachen einen Tripper einzufangen. Aber den haben Sie ja schon gefunden. Da hätt ich Entwarnung geben können. Tja, dafür ist es jetzt zu spät.
Vielleicht grab ich noch das bisschen Schimmelkäse vom Mülleimer raus, der Pelz getragen hat, wenn ihn die Müllabfuhr noch nicht mitgehen hat lassen. Geschätztes Ablaufdatum von vor sieben Jahren.“
Ich knalle meinem Boss den Kaffee auf seine Seite des Nachtkästchens und verlasse mit extra lautem Stöckelschuhklappern das Zimmer.
Das „Komm, vögeln wir noch eine Runde“ aus seinem Mund hab ich genau gehört. Ja, ignoriert mich einfach.
Er hat echt schon wieder gesoffen. Erst gestern hat die Putzfrau containerweise Flaschen entsorgt. Der Aschenbecher platzt auch schon wieder aus allen Nähten und diesmal sind es tatsächlich Kippen.
Mann, wie gemein ist das denn? Wär er eine Frau, würde man ihm das Lasterleben in seinem Alter total ansehen und er hätte bereits Tränensäcke so groß wie Schamlippen.
Ich habe das Gefühl, die Tussi schreit extralaut, nur um mir eins reinzuwürgen. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, ihren völlig übertriebenen Dirty Talk nachzusprechen, den sie wie eine Endlosschleife eines Tonbandes wiederholt, während ich Rechnungen der letzten Jahrzehnte sortiere.
„Ja, fester. Uhh. Komm für mich, Baby. Besorgs mir, du wilder Hengst. Ohh, ist der groß. Ja, fester …“ Sind das echt die Dinge, die Männer beim Sex hören wollen? Ich dachte, wir sollen die Klappe halten.
Ein „Ruby“ lässt mich erschrocken hochfahren. Pater Andrew steht vor mir, da nimmt ihr Treiben so richtig Fahrt auf.
Wir sehen einander an, da kündigt ein „Gib mir deinen Saft, ja – du Tier“ das Ende ihres Treibens an.
„Pater Andrew, wie geht’s – wie stehts?“, grüße ich ihn mit hochrotem Schädel. Gerade bemerke ich, dass man das auch in den falschen Hals kriegen könnte. Vor allem, weil Amanda in dem Augenblick „Ja, ramm mir deinen harten Riesenprügel nochmal rein“ ruft.
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