Demonstrativ zeigte er auf den Aufdruck, der sein Kleidungsstück zierte.
Sollte ich ihm wirklich meine Geschichte präsentieren? Aus Verlegenheit musste ich schmunzeln. Ich hatte das Problem „Heinz“ zwar schon des Öfteren mit Freundinnen durchdiskutiert, einem anderen Mann hatte ich mich aber noch nie anvertraut.
„Also gut“, fing ich an, „meine Ehe mit Heinz war schon lange nur durchschnittlich gewesen. Ich hatte ihn zwar einst aus Liebe geheiratet, wie man so schön sagt. Aber Heinz ist leider kein monogam veranlagter Mann. Es gab immer wieder Affären, die ich ihm mehr halbherzig denn aus Überzeugung verzieh. Als er dann aber ein Verhältnis mit seiner Sprechstundenhilfe begann und sich nicht einmal mehr Mühe gab, es vor mir geheim zu halten, fühlte ich mich so kompromittiert, dass ich die Konsequenzen zog.“
Jetzt rührte ich aus Verlegenheit mit gesenktem Blick in meiner halbleeren Tasse.
„Und nun will er diese Tussi auch noch heiraten“, fügte ich meinen Ausführungen ein wenig nachdenklich hinzu.
„Ist das dieselbe Frau, die noch immer im Vorzimmer der Praxis arbeitet? Diese affektierte Puppe mit den roten Lippen, dem schwarzen Outfit und den Neon-Schuhen?“ forschte der Rollmops nach.
Ich nickte.
„Das müssen Sie unbedingt verhindern! Die Frau ist ja nicht zurechnungsfähig. Und strohdumm ist sie noch dazu“, steigerte er sich jetzt in die Sache hinein.
„Das ist doch egal“, sagte ich matt. „Ich glaube zwar auch nicht, dass er glücklich mit ihr wird, aber das ist jetzt wirklich nicht mehr meine Angelegenheit.“
„Sie schadet der Arztpraxis! Wissen Sie das? Wenn ihr jemand nicht zu Gesicht steht, kann sie richtig despektierlich sein. Mich hat sie zum Beispiel zehn Minuten warten lassen, als ich mich anmelden wollte. Und das nur, weil sie mit einer Freundin telefonierte und dabei ihre Nägel manikürte. Dann hat sie meine Daten eine halbe Ewigkeit in der Kartei gesucht. Und als ich schließlich einwarf, wenn ich denn in der Kartei nicht zu finden sei, so möge sie doch im Computer nach mir suchen, hat sie so laut, dass ich jedes Wort verstehen konnte, vor sich hingemurmelt: >Es geht dich einen feuchten Kehricht an, wo ich suche, du kleiner, fetter Scheißer< . Ich habe wahrlich Humor und weiß, dass ich rund bin. Ich kann auch durchaus damit leben, dass es Menschen gibt, die über Dicke witzeln. Aber wenn jemand derart überheblich beleidigt, fällt es mir schwer, die Contenance zu wahren.“
„Tja, so ist sie, die liebe Frau Si’arsch“, stimmte ich ihm zu. (Der Knacklaut musste einfach sein!)
Der Rollmops schien aber mit der Sache noch nicht fertig zu sein:
„Eine ältere Dame, die ein wenig Angst vor dem Arztbesuch hatte, hat sie auch beleidigt, müssen Sie wissen. Das habe ich selbst gehört. >Nun regen Sie sich nicht so auf, Muttchen! Wenn Sie hier einen Herzinfarkt bekommen, haben wir die Scherereien< hat sie gesagt. Diese Frau gehört weg! Sie gehört weg aus der Arztpraxis und sie gehört weg aus dem Leben des Doktors! Sie müssen etwas unternehmen! Nein: Wir müssen etwas unternehmen! Ich habe sogar schon eine vage Idee!“
Seine Stimme überschlug sich fast vor Begeisterung. Aber ich winkte ab:
„Lassen Sie das lieber bleiben!“
Und nachdem ich mich vergewissert hatte, dass meine Tasse leer war, verlautbarte ich bestimmt: „Ich denke, es ist jetzt Zeit für mich, nachhause zu gehen.“
Ich wollte schon aufstehen und meinen Blazer, den ich wieder einmal einer gehörigen Wallung wegen abgelegt hatte, anziehen, da räusperte sich der Rollmops und ergriff abermals das Wort:
„Da wäre noch etwas.“
Ich sah ihn fragend an.
„Wie Sie wissen, heiraten meine Freunde Max und Herbert demnächst. Ich habe Ihnen doch vergangene Woche von den beiden erzählt. Der Termin ist bereits fixiert worden. Das große Fest findet am fünften Juli statt. Jetzt ist es aber so, müssen Sie wissen, dass sie Gäste nur in Begleitung erwarten. Ich habe aber niemanden, mit dem ich dort hingehen könnte. Da habe ich mir gedacht, vielleicht würden Sie so liebenswürdig sein und mit mir dieser Veranstaltung beiwohnen. Ich will Ihnen mit dieser Bitte natürlich nicht zu nahe treten, müssen Sie wissen. Aber möglicherweise könnten Sie wenigstens darüber nachdenken. Es wäre mir eine große Freude, wenn ich Sie als meine Gesellschaft mitnehmen könnte. Es sei denn, Sie haben an diesem Tag schon etwas anderes vor.“
Er sah mich so erwartungsvoll an, dass ich es nicht über das Herz brachte, ihm einen Korb zu geben. Deshalb versprach ich ihm:
„Gut, ich denke darüber nach. Aber jetzt muss ich wirklich gehen. Wir sehen uns nächsten Montag in meiner Praxis. Und vergessen Sie nicht, Ihrer Schwiegertochter noch einmal auf den Zahn zu fühlen. Vielleicht stellt sich ja heraus, dass alles nur ein großes Missverständnis war und das, was Ihnen Lydia erzählt hat, nur auf einem Verdacht beruht.“
Ich schnappte meinen Blazer und verließ das Lokal so rasch, als ob ich auf der Flucht wäre.
„ Er ist schon ein komischer Kauz, der Herr Apotheker“, dachte ich, als ich über die Straße zurück zum Parkplatz vor der Praxis eilte, um meinen Smart zu holen. Aber irgendwie war er mir sympathisch. Sehr sogar.
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