.. auch wenn das manchmal witzig sein kann ... daran zu glauben, dass ein gefundener Cent oder das Erscheinen eines Schornsteinfegers Glück bringen. Im normalen Alltag ist das ja noch ziemlich egal ... aber wenn man sich damit den Anblick des Himmels verdirbt, kann das nicht gut sein. Und ich habe den Himmel sich mittlerweile schon wieder viele, viele Male wunderbar rot färben sehen, ohne dass sich danach etwas Schlimmes ereignet hätte ... so wie eben heute Morgen, als Tobi und Jörg uns zum Flughafen brachten ... wie schön, dieses Licht, über der ruhigen, noch dunklen Stadt. Aber ich muss immer erst einmal ein mulmiges Gefühl verdrängen ... ob es jemals wieder verschwindet? Ich wünsche es mir so sehr. Unser Kopf sucht immer Zeichen, um sie zu lesen, um sie zusammenzureimen ... wir hoffen, dass sich hinter den Zeichen ein höherer Sinn verbirgt ... oder wir zu etwas vordringen, wo noch niemand war. Das hat vielleicht manchmal sogar einen Sinn ... kann nützlich sein, wenn es um drohendes Unwetter geht. Aber manchmal stehen die Zeichen, die wir außen sehen, vielleicht nur für Vorgänge in unserem Inneren, für unsere Ängste oder für unsere Wünsche ... das darf man nicht vergessen ...

Salt Lake City, Utah, USA
Viele, viele Stunden später, im Hotel. Wir sind sehr spät in der Stadt angekommen. Es ist schon lange dunkel. Das Hotel gefällt mir richtig gut. Es heißt Little America ... und liegt direkt gegenüber vom vornehmen Grand America ... und ist wohl die Sparvariante der pompösen Schwester. Mir reicht das kleine Amerika völlig aus. Es ist wunderbar. Eine schöne Lobby, mit gemütlichen Sofas und Sesseln vor einem großen Kamin, es gibt kleine Geschäfte und zwei Restaurants und eine Bar. Und unser Zimmer ist auch schön, es liegt im so genannten Garten, der zwar seinen Namen nicht verdient, weil es sich vielmehr um den Parkplatz der Hotelanlage handelt, aber egal. Von unserem Fenster aus blickt man sogar tatsächlich auf ein paar blühende Bäume, glaube ich, im Dunkeln ist das nicht so richtig zu erkennen. Das Zimmer ist groß, hat einen schönen Schreibtisch und ein Badezimmer mit Wanne ... was will ich noch? Das ist doch schon fast mehr, als ich mir überhaupt wünschen kann. Ich fange an, mich zu entspannen. Da wir so spät kamen, hatte nur noch die Hotel-Bar geöffnet. Und wir hatten noch Hunger. Aber auch das war kein Problem ... denn in der Bar servieren sie leckere Sandwiches und auch andere einfache Gerichte ... und guten Wein ... und auch ein Bier für meinen Schatz. Und die Bedienung war sehr, sehr freundlich ... es war warm und gemütlich ... leise Musik spielte ... wir sind sozusagen gut gelandet ... morgen mehr ...
In Salt Lake City, am Schreibtisch unseres schönen großen Zimmers
Wenn ich aufblicke, sehe ich in einen großen Spiegel ... und da ich meine schwarze Lesebrille trage, sehe ich ein verschwommenes Bild einer älter werdenden Frau, die ein bisschen traurig aussieht. Sie trägt einen schwarzen Rollkragenpullover und darauf den altmodischen schwarzen Glasperlenschmuck ... vielleicht sieht das Spiegelbild sogar ein bisschen intellektuell aus ... aber vielleicht wünsche ich mir das auch nur. Bestimmt ...
Die Luft in dieser Stadt ist wahnsinnig frisch; das fällt mir wirklich jedes Mal ganz stark auf, wenn ich aus dem Gebäude trete. Und der Blick auf die Berge, viele davon noch schneebedeckt, ist natürlich grandios. Gestern sind wir sozusagen einfach aus der Stadt hinausspaziert und haben eine schöne Wanderung an einem Bach entlang gemacht. Die Wanderung folgte dem Bach hoch zu seinem Ursprung, aber bis dahin sind wir nicht ganz gelangt. Man nennt das Canyon. In diesem Tal eröffneten sich wunderschöne Aussichten auf verschiedene Berggruppen. Es beginnt hier, langsam grün zu werden, aber die meisten Bäume streckten noch grau ihre nackten Zweige aus. Also Frühlingsgrün im Hintergrund vor den Resten des Wintergraus. Flecken von hellgrünen dickblättrigen Pflanzen, ganze Placken davon ...

City Creek Canyon, Salt Lake City, Utah
Es sind sehr viele Leute unterwegs, wie im Frühlingserwachen ... Auf dem ersten Abschnitt unseres Weges, insbesondere in dem parkähnlichen, sehen wir viele Hundebesitzer. Als wir in den Park kommen, macht dort ein sehr schlanker, älterer Mann, ganz in irisches Grün gekleidet, seine Power-Gymnastik. Er hätte Jane Fonda blass aussehen lassen. Eigentlich sieht es ganz gut aus, wie er sich bewegt. Er hat das Gesicht eines Hippies – wieso schreibe ich das und was sagt das? Hat nun jeder, der das liest, eine Ahnung davon, wie dieser Mann aussah? Er hat längere Haare und in meiner Erinnerung trägt er ein irisch-grünes Stirnband, aber das kann meine Phantasie jetzt gerade dazu gedichtet haben, weil er mich einfach an einen Hippie denken lässt. Nein, ich mache nur Spaß, nutze meine Position als Autorin, um meine Wahrheiten zu verdeutlichen ... er träg wirklich dieses Stirnband, daran erinnere ich mich ganz genau ... oder?
In einem Hotel ist es tagsüber nie ruhig. Man hört immerzu die Zimmermädchen. Man hört sie klappern und plappern.
Wir treffen einen älteren Mann mit einem großen, schmutzig-gelben Pudel. Der Pudel verliebt sich in mich und schleckt mir die Hand ab – das ist ja etwas für mich. Wir treffen die beiden etwas später noch einmal wieder, als wir ein Stück zurückgehen, weil mir der Wanderweg auf der anderen Seite vom Bach zu schmal wird. Manche Stellen werden so schmal, dass ich Angst habe abzustürzen, wenn ich weiter gehe. Dass man aber auch wirklich sein Leben lang seine Ängste bekämpfen muss ... well , besser ich akzeptiere es ... sonst wird es noch schwerer.
Bei der zweiten Begegnung hat der Pudel sich dann intensiv an mir gerieben und ist durch meine Beine durch ... super, denke ich, und das ohne Waschmaschine und mit Notausstattung (hatte selten so wenige Klamotten dabei wie dieses Mal ...).
Der Typ mit dem Pudel sieht nicht richtig verwahrlost aus, aber vielleicht ein bisschen ungepflegt.
Die Zimmermädchen plappern übrigens fast nie in der Landessprache.
Also, der ungepflegte Typ ... er trug ein verwaschenes, ausgefranstes T-Shirt, dazu angeschmuddelte, ausgebeulte Shorts sowie ausgelatschte, an den Rändern abgestoßene Segelschuhe und eine Wasserflasche, die ein bisschen klebrig aussieht. Aber wenn ich es mir genau überlege, laufen unsere Freunde Bob oder Dwight manchmal auch nicht viel anders herum ... Lieblings-T-Shirts, die am Hals schon ein bisschen aufribbeln ... ausgebeulte und verknitterte Hosen ... das ist nicht ungewöhnlich ... ein Bügeleisen kennen sie nicht. Die Amerikaner können so unterschiedlich sein ... manche sehen in ihrer Freizeit schon richtig schlunzig aus, besonders Männer. Aber vielleicht denke ich das auch nur, weil ich mich vor ungepflegten Männern mehr ekle als vor ungepflegten Frauen ... na ja ...
Auf dem Weg weiter oben ist weniger los. Etliche Leute joggen auf der parallel zum Wanderweg verlaufenden Straße den Berg hinauf ... und einige machen sich auf dem Fahrrad den Berg hoch ... das sind die sportlichen Amis, die es oft auch ein bisschen übertreiben können. Und dann gibt es die, die sich langsam den Berg hoch schaukeln, weil ihre Körperfülle einen normalen Gang nicht mehr zulässt, und manchmal haben diese Menschen jegliches Empfinden für Körperästhetik verloren und stopfen sich noch die Wasserflasche in den ausladenden Brustausschnitt. Da schaukelt sie dann zwischen den wabernden Brüsten.
Читать дальше