„Was geschah dann?“ Die Geschichte begann Jessica zu faszinieren.
„Nun, ich nahm die Kiste und fuhr mit ihr nach Hause. Es…“
„Konntest du keinen Hinweis auf den Absender entdecken?“, unterbrach sie ihn.
„Nein. Es war eine schlichte Holzkiste, die in Packpapier eingewickelt war, etwa so gross“, er zeigte mit den Händen die ungefähren Masse. „In meinem Haus angekommen, habe ich die Kiste dann geöffnet.“ Er trank einen weiteren Schluck Kaffee.
„Und?“, fragte ihn Jessica ungeduldig.
„Wenn ich bis dahin schon gedacht hatte es sei mysteriös, musste ich jetzt feststellen, dass es erst begonnen hatte. In der Holzkiste steckte eine Art Metallkiste. Sonst nichts. Kein Brief, keine Erklärung, kein Hinweis auf den Absender, nur die Metallkiste.“
„Was meinst du mit eine Art Metallkiste ?“, fragte Jessica verwundert.
„Nun, es ist Metall, da bin ich mir sicher. Aber ich kenne es nicht.“ Er schaute sie an und schüttelte leicht den Kopf.
„Was heisst das, du kennst es nicht?“
„Die Kiste müsste für ihre Grösse viel schwerer sein.“
„Was willst du damit sagen?“, sie war vollkommen verwirrt.
Er schaute sie an und sagte mit einem gequälten Lächeln: „Ein solches Metall gibt es nicht.“
Sie lehnte sich zurück und starrte ihn an. Sie wusste, dass er sich in den zwanzig Jahren, die er bei der NASA gearbeitet hatte, viel mit Metallen beschäftigt hatte und damit beauftragt war neue Werkstoffe für die Raumfahrt zu entwickeln. Wenn ihr Vater ein Metall nicht kannte, dann musste es sich um etwas ganz Spezielles handeln. „Aber was ist es dann?“, fragte sie perplex.
„Ich wage nicht auszusprechen, was ich denke. Du hältst mich dann sicher für einen alten Trottel.“
„Vater!“, sagte Jessica mit gespielter Empörung. „Du weisst, dass ich das niemals von dir denken würde. Auch wenn ich mit einigen deiner Theorien nicht einverstanden bin.“
„Eben darum geht es. Ich glaube, dass die Kiste nicht von diesem Planeten stammt.“
„Was?“, sie starrte ihn ungläubig an. „Und wer hat sie dir dann geschickt? Ausserirdische?“, sagte sie mit einem ironischen Unterton. Jessica begann nun doch zu zweifeln. Obwohl es gar nicht die Art ihres Vaters war solche Geschichten zu erfinden.
„Siehst du“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Du glaubst mir nicht.“
„Entschuldige Papi, aber das ist unglaublich.“
„Ich weiss! Aber was soll ich denn machen? Ich habe die Kiste gestern Abend mit eigenen Augen gesehen und habe sie lange untersucht.“
„Wer sollte dir eine solche Kiste schicken?“
„Ich habe keine Ahnung. Ich weiss noch nicht einmal, woher sie gekommen ist. Bei meinen Projekten, an denen ich zurzeit arbeite, gibt es niemanden, der mir so etwas kommentarlos schicken würde.“
Jessica stand auf, machte zwei neue Kaffees und setzte sich dann wieder an den Tisch. „Vielleicht will dich jemand auf den Arm nehmen“, spekulierte sie, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte.
„Das glaube ich nicht. Wozu der ganze Aufwand? Und ich sage dir, das Metall gibt es hier nicht“, wiederholte er eindringlich. „Sicher, zuerst muss ich es genauer untersuchen, damit ich hundertprozentig sicher sein kann. Aber ich erkenne ein Metall, wenn ich es sehe und so etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Es müsste sich um eine völlig neue Legierung handeln. Die ganzen Umstände lassen mich einfach glauben, dass es sich hier um etwas ganz Spezielles handelt. Ob es nun von diesem Planeten stammt oder nicht. Es ist kein Metall, dass man hier findet.“
„Was ist denn überhaupt in der Kiste?“
„Keine Ahnung“, antwortete Oberhofer kopfschüttelnd. „Ich habe sie nicht öffnen können. Ich habe alles versucht, aber keinen Weg gefunden, sie zu öffnen.“
Jessica sah in fragend an und als sie nichts sagte, erklärte er: „Ich habe die Kiste gründlich untersucht - sicher zwei Stunden lang. Ich konnte nichts finden, um die Kiste zu öffnen. Es gibt keine Scharniere, keine Schlösser, keine Knöpfe, rein gar nichts. Nur ein paar Schriftzeichen auf einer Seite.“
„Was sagen die Schriftzeichen?“
„Keine Ahnung. Ich konnte sie nicht entziffern.“
„Was für Schriftzeichen könnten es denn sein?“ Jessicas Forscherdrang erwachte und sie war wieder völlig fasziniert. Eine solche Geschichte erfände ihr Vater niemals.
„Das kann ich dir nicht sagen. Im Zusammenhang mit dem Metall kann es für mich nur eine Erklärung geben. So fantastisch sie auch klingen mag.“
„Wo ist die Kiste jetzt?“, plötzlich fiel Jessica ein, dass ihr Vater nichts bei sich getragen hatte. Die Erzählung hatte sie so gefesselte, dass ihr das gar nicht aufgefallen war.
„Ich konnte sie nicht mitnehmen, es wäre zu gefährlich gewesen, wenn sie mich finden. Zudem konnte ich nicht mehr zum Haus zurück.“
„Wieso, wer soll dich finden?“
„Ich weiss nicht, wer es ist. Aber scheinbar haben sie etwas in meinem Haus gesucht. Ich nehme an, die Kiste.“
„In deinem Haus? Ist jemand eingebrochen? Wann? Musstest du deshalb fliehen?“, Jessica staunte. Die Geschichte wurde immer undurchsichtiger.
„Ja, gestern Nacht ist jemand eingebrochen.“ Er erzählte ihr, was in der der letzten Nacht vorgefallen war und was er beobachtet hatte.
„Ja, und so bin ich nun hier und weiss nicht, was ich weitermachen soll. Du bist der einzige Mensch dem ich vertrauen kann“, schloss Oberhofer seinen Bericht ab.
Jessica hatte die ganze Zeit gebannt zugehört. Wie konnte so etwas nur geschehen, dachte sie sich. Sie nahm die Hand ihres Vaters und hielt sie mit beiden Händen fest. Es gab für sie keine Zweifel mehr, dass es sich bei der Kiste um etwas sehr Bedeutendes handelte. „Wer könnte hinter den Einbrüchen stecken? Hast du irgendeine Idee?“, fragte sie nach einer längeren Pause.
„Ideen habe ich viele, aber es sind nur Spekulationen. Es gibt viele Gruppen und Organisationen, die alles unternehmen würden, um an einen solchen Gegenstand zu gelangen. Auch gewisse Regierungsorganisationen schrecken vor nichts zurück, um so etwas in ihren Besitz zu bringen.“
„Was sollen wir tun?“
„Wir?“, er schaute seine Tochter mit einem fragenden und flehenden Blick an.
„Sicher, ich werde dich mit dieser Sache nicht alleine lassen. Die Kinder sind über Weihnachten und Neujahr bei ihrem Vater, also muss ich mir um sie keine Sorgen machen.“
„Und hast du eine Idee, was wir als Nächstes unternehmen sollten?“
„Wir müssen noch jemanden einweihen“, schlug sie vor.
„Wie bitte?“, Oberhofer zog die Hand zurück und schaute seine Tochter überrascht an. „Wir dürfen niemandem etwas von der Kiste erzählen! Erst wenn wir alle Fakten kennen und wissen um was es sich handelt, dürfen wir an die Öffentlichkeit treten. Wir brauchen hieb- und stichfeste Beweise, die von niemandem widerlegt werden können. Die Gefahr ist zu gross, dass irgendetwas zu früh durchsickert und alles gefährdet.“
„Wir müssen aber davon ausgehen, dass wir überwacht werden. Nicht nur du, sondern mittlerweile auch ich. Wenn sie dich kennen, ist es nur ein Gedanke, der sie zu mir führt. Wir können keinen Schritt mehr machen ohne Gefahr zu laufen, dass wir observiert werden. Es ist nicht möglich auf diese Weise Nachforschungen zu betreiben.“
„Ja, da hast du Recht“, pflichtete Oberhofer nachdenklich bei. „Was unternehmen wir als Erstes?“
„Wir müssen herausfinden, wer dir die Kiste geschickt hat und wer gestern Nacht in dein Haus eingebrochen ist.“ Sie schaute ihren Vater an, der nickte. „Und um das herauszufinden, brauchen wir jemanden, dem wir vertrauen können und der uns hilft.“
„An wen hast du dabei gedacht?“
„Philipp Marthaler“, sagte sie entschlossen und schaute ihren Vater fragend an.
Читать дальше