Frank Solberg
EIN ZACKEN AUS DER KRONE
Gottes Ebenbild auf Erden. Eine satirische Bestandsaufnahme.
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Inhaltsverzeichnis
Titel Frank Solberg EIN ZACKEN AUS DER KRONE Gottes Ebenbild auf Erden. Eine satirische Bestandsaufnahme. Dieses ebook wurde erstellt bei
Zitat Zitat Am Anfang waren nur Dunkelheit, Leere und Stille. Dann kam Homo sapiens, und es wurde heller, voller und lebhafter.
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Am Anfang waren nur Dunkelheit, Leere und Stille. Dann kam Homo sapiens, und es wurde heller, voller und lebhafter.
Gott, der Herr, muss einen rabenschwarzen Tag erwischt haben, als er den Menschen erschuf. Es war an einem Freitag, womöglich einem 13., nach Dienstende, als ihm siedendheiß einfiel: „Du lieber Himmel (oder so ähnlich), da hätte ich doch beinahe die Krone der Schöpfung vergessen.“ Und vorbei war's mit der Wochenendstimmung.
Der Herr erhob sich von seinem Liegestuhl unter einer schattigen Palme und wanderte grübelnd im Garten Eden umher. Aber so sehr er sein Hirn auch marterte, die rechte Idee wollte ihm nicht kommen, hatte er doch fünf harte Arbeitstage hinter sich. Er fühlte sich etwas ausgebrannt.
„Es muss etwas außergewöhnliches sein“, sinnierte er, „etwas, das mir so leicht keiner nach macht.“ Er überlegte lange. Der Abend kam, die Nacht ging vorüber, und er schritt immer noch rastlos im Paradies auf und ab.
Doch plötzlich, in der Morgendämmerung, kam ihm die Erleuchtung. „Halleluja! Ich mache ein Abbild von mir.“ Und so nahm das Unheil seinen Lauf.
Er holte Lehm, Wasser, und was man sonst noch so braucht, und begab sich ans Werk. Er mischte, knetete, formte und glättete. Dann blies er der irdenen Figur, die unter seinen Händen entstanden war, den Odem des Lebens in die Nase und fertig war der Mensch. Wohlgefällig betrachtete er das Ergebnis, das schlafend vor ihm auf dem Boden lag, und er befand es gut geraten.
Just in diesem Augenblick rauschte eine hell leuchtende Gestalt mit irrsinnigem Flügelschlag vorbei. Es war Lucifer, erst wenige Jahrtausende zuvor zum Erzengel avanciert. Er galt als der beste und gleichzeitig verwegenste Flieger der Sonder-einsatzstaffel der himmlischen Heerscharen. Obendrein war er als Wortführer einer kritischen Minderheit bekannt und gefürchtet.
„Halte ein“, rief der Allmächtige dem Engel zu. „Wie oft schon habe ich dich gebeten, diese Tiefflüge zu unterlassen. Das schadet der Umwelt. Komm her zu mir und sieh, was ich erdacht und vollendet habe.“
Lucifer unterbrach seine Flugübung, drehte elegant noch eine Platzrunde und gab dann eine seiner berühmten Punktlandungen zum Besten.
„Es ist Adam“, erklärte Gott der Herr und ein Unterton von Stolz schwang mit, als er fortfuhr. „Er ist der Mensch, das Nonplusultra dessen, was ich in dieser Woche geleistet habe.“
Der Erzengel begutachtete das angepriesene Wesen neugierig und ausgiebig von allen Seiten. „Ein Prototyp“, stellte er dann sachkundig fest. „Ganz hübsch soweit, aber wo ist der Clou?“
Der Herr runzelte die Stirne. „Immerhin“, entgegnete er, „er ist ein Bild, das mir gleicht.“
„Gewiss, gewiss“, beeilte sich Lucifer zu versichern, „eine Ähnlichkeit ist durchaus vorhanden. Aber er trägt keinen Bart.“
„Der wird ihm schon noch wachsen“, brummte der Schöpfer. „Sonst fällt dir nichts auf?“
Lucifer dachte nach. „Er bewegt sich nicht“, konstatierte er.
Die Stimme des Herren klang eine Spur ungeduldiger: „Natürlich, ich habe ihn ja gerade erst hergestellt, er befindet sich noch in der Narkose.“
„In was befindet er sich?“, fragte Lucifer erstaunt.
„Ja, ja, schon gut“, der Herr winkte ab, „das kannst du nicht wissen. Es handelt sich um eine Betäubung, eine Art künstliche Bewusstlosigkeit.“
„Sehr interessant“, bemerkte Lucifer, „und wie hast du das angestellt?“
Der Herr wurde ungehalten. „Das, mein Lieber, bleibt mein Geheimnis, es ist auch nicht so wichtig. Entscheidend ist allein, was er kann, und was ich mit ihm vorhabe.“
„Und was wäre das, oh Herr?“, fragte der Erzengel artig, während seine Gedanken noch um den künstlichen Tiefschlaf und die damit verbundenen Möglichkeiten kreisten.
Jetzt war der Allvater in seinem Element. „Er wird sehen, hören und reden können. Außerdem“, er machte eine künstliche Pause, um die Wirkung der nun folgenden Worte zu unterstreichen, „außerdem, und das wird ihn auszeichnen, ist ihm die Gabe des Denkens verliehen.“
Lucifer, der Engel des Lichts, schwieg. „Es hat ihm glatt die Sprache verschlagen“, mutmaßte der Allwissende und wie, um noch eins drauf zu setzen, fügte er hinzu. „Ich werde ihm die Erde untertan machen und gebe das Paradies in seine Obhut.“
Der Erzengel reagierte. „Endlich jemand, der den Garten in Ordnung hält“, bemerkte er trocken und ein Anflug von Ironie war unüberhörbar.
„Na, und?“, Gott, der Herr, war gekränkt. „Was ist so verkehrt daran? Es sieht ohnehin alles etwas verwildert aus. Er wird den Rasen mähen, die Büsche schneiden, die Bäume stutzen, na, ja, was eben so anfällt.“
„Und er könnte auch das Obst ernten“, ergänzte Lucifer, scheinbar arglos. „Vor allem die Äpfel müssten dringend gepflückt werden.“
„Nichts da“, donnerte der Herrgott, „diese Früchte sind und bleiben verboten. Wenn er vom Baum der Erkenntnis nascht, wird er gefeuert.“
Der Erzengel hob besänftigend die Hände. „Verzeih, oh Herr, die Sache mit den Äpfeln hatte ich vergessen.“ Er überlegte einen Moment. „Glaubst du nicht“, fragte er dann, „dass er sich vielleicht einsam fühlen könnte? So ganz allein. Er ist schließlich der einzige seiner Sorte.“
„Mhm“, der Herr strich nachdenklich über seinen Bart. „Da ist was dran, aber warten wir's ab. Vielleicht, wenn er sich bewährt, mache ich noch ein zweites Exemplar.“
Lucifer's Wissensdurst war noch nicht gestillt. „Sage mir bitte noch eines, mein Schöpfer“, und dabei strich er liebevoll über seine prächtigen weißen Flügel. „Kann er auch fliegen?“
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