„Unsinn“, Gott, der Herr, wurde barsch. „Blanker Unsinn. Er ist ein Mensch und kein Vogel. Wenn ich gewollt hätte, dass er fliegt, dann hätte ich ihn entsprechend ausgestattet. Er wird dir also keine Konkurrenz sein.“
Dann drehte er sich abrupt um. „Und nun geh mir aus den Augen.“ Plötzlich wirkte er müde. „Ich muss mich ausruhen. Es war doch wohl alles ein bisschen viel in diesen Tagen.“
„Nichts für ungut“, Lucifer neigte demütig sein Haupt. „Ich habe dich nicht erzürnen wollen.“ Aber Gott hörte ihm schon nicht mehr zu.
„Der Alte Herr wird auch immer seltsamer“, dachte Lucifer bei sich. „Krone der Schöpfung, das ich nicht lache. Was kann schon ordentliches dabei herauskommen, wenn man samstags Überstunden macht? Obwohl“, er startete mit einem Affenzahn, der Begriff ‚Höllentempo‘ war noch nicht Sprachgebrauch, „die Idee mit dem Menschen ist so schlecht nicht. Man muss ihn unbedingt im Auge behalten.“
„Ein respektloser Kerl dieser Lucifer“, dachte Gottvater bei sich. „Nicht unintelligent, einige seiner Anregungen sind durchaus brauchbar. Trotzdem, er wird immer aufsässiger und leider ist er eine Spur zu eitel. Man muss ihn unbedingt im Auge behalten.“
Aller Anfang ist schwer – deshalb fangen viele erst gar nicht an.
Unbekannter Neo-Realist
Der erfolgreiche Schriftsteller - oder: Wie finde ich eine Lobby?
Die erfolgreichste Schrift aller Zeiten ist die Bibel. Allerdings hatten die Verfasser den unbestreitbaren Vorteil, dass ihnen der himmlische Vater selbst die Feder führte. Welchen Autoren der Gegenwart wird dieses Privileg schon zuteil?
Hieße ich Bernhard Shaw, Kurt Tucholsky, Ephraim Kishon oder Helmut Seehofer, ich dürfte sicher sein, dass dieser kleine Band Beachtung fände. Wohlgemerkt, es ist kein Neid, der aus mir spricht, zumal ich die erwähnten Herren – gleich ob lebend oder bereits verblichen – ob ihrer satirischen Meisterleistungen außerordentlich schätze.
Aber als literarischer Frischling, und der bin ich nun einmal, braucht man zunächst die richtige Lobby. Das sind einerseits die Verleger, natürlich auch die Kritiker, und da ist andererseits die geneigte Leserschaft, die das Ganze letztlich auch finanziert – oder auch nicht.
Frage 1: Wie kommt man an einen Verleger und, so man ihn findet, wie bringt man ihn dazu, das zu tun, was sein Beruf ist, nämlich zu verlegen? Wobei ich zu meinen Gunsten annehme, dass dieser Ausdruck nicht wortwörtlich zu verstehen ist.
Frage 2: Wie erreicht der Verlag (und damit dieses Büchlein) die Leser (also Sie)?
Frage 3: Wie überzeugt man die Kritiker (oder muss man das überhaupt)?
Frage 4: Was und wie muss man schreiben, damit man Interesse in der Lesergemeinde findet?
Zur ersten Frage (Wie kommt man an einen Verleger?) kann ich sehr konkret antworten. Das Manuskript wird – auszugsweise – an verschiedene Verlage geschickt. Und dann? Abwarten!
Man muss natürlich realistisch sein und Geduld aufbringen. Außer mir gibt es noch genügend Verrückte, die ihre gestammelten Werke einsenden, in der Hoffnung oder gar in dem festen Glauben, dass sie irgendwer veröffentlichen wird. Mir tun jedenfalls die Lektoren leid, deren ermüdende Aufgabe darin besteht, tagein tagaus die untaugliche Spreu vom mehr oder weniger literarischen Weizen zu trennen. Doch sollten sie, lieber Leser, diese Zeilen jemals erblicken, dann dürfen sie gewiss sein, dass sie (die Zeilen meine ich) nicht durch das Sieb gefallen sind.
Es wäre allerdings auch denkbar, dass der Lektor total überarbeitet oder Legastheniker ist oder dass er einen Sehfehler hat.
Die zweite Frage (Wie erreicht der Verlag die Leser?) interessiert mich zum Zeitpunkt des Schreibens nur peripher, weil ich keine Vorstellung davon habe, wie ein Verlag das überhaupt bewerkstelligt. Ich gehe in meiner Einfalt davon aus, dass ein Verleger schon wissen wird, wie man Bücher zu vermarkten hat, seien sie nun von hohem Anspruch oder von mir.
Zur dritten Frage (Wie überzeugt man die Kritiker) nur eine kurze Anmerkung: Kritiker sind nicht wichtig, aber sie können nützlich sein. Ideal wäre es, wenn sie mein Machwerk öffentlich in der Luft zerreißen. Eine bessere Reklame und kostenlos noch dazu, kann ich mir schlechterdings nicht wünschen.
Die Beantwortung der vierten Frage (Was und wie muss man schreiben?) fällt ausgesprochen leicht: Ich es weiß nicht. Es gibt ihn nämlich nicht ‚den typischen deutschen Leser‘. Was jemand liest, ist geschmacks-, bildungs-, milieu- und geschlechterabhängig und wird womöglich sogar durch das Wetter, die Spritpreise oder den japanischen Aktienindex beeinflusst. Offenbar, aufgehorcht, spielt Humor hier keine nennenswerte Rolle, das würde nämlich eindeutig den gängigen Klischees widersprechen, die im Ausland über uns kursieren. Danach ist der Deutsche (Zitat „Süddeutsche Zeitung“): pflichtbewusst, diszipliniert, humorlos und biertrinkend. Bedauerlicherweise hat man bei dieser Aufzählung unseren Hang zur Gründlichkeit , zum Sauerkrautessen sowie unsere Vorliebe für Lederhosen und Schwarzwälder Kuckucksuhren unterschlagen. Sei’s drum, da ich es, wie erwähnt, nicht besser weiß, setze ich unter anderem auf diese Vorurteile.
Es wird zu beweisen sein, dass Gottes Ebenbild auf Erden, der Mensch, zumal der deutsche, sich weitaus komischer verhält, als uns die ausländischen Vorurteile glauben machen wollen. Insofern steht meiner steilen Karriere als Lästermaul nichts mehr im Wege. Allenfalls der Verleger (oder seine Lektoren) und selbstverständlich sie, verehrtes Publikum.
Aber was, um alles in der Welt, mache ich bloß, wenn die Kritik Gefallen an meinen satirischen Geh- und Stehversuchen finden sollte? Wer wird dann noch meine Bücher kaufen? Bliebe mir noch die Möglichkeit, in die Politik zu gehen, aber dazu bin ich nun wirklich nicht unbegabt genug.
Im Garten Eden bekam man einen Vornamen verpasst, etwa Adam, Eva, Schlange, Kamel, Rotbarsch et cetera. und das war’s und dabei blieb's. Heutzutage braucht man zusätzlich einen Hausnamen. Außerdem gibt es Doppel- und Dreifach-Namen, sowohl vorne wie hinten. Wem seine Namen nicht oder nicht mehr zusagen, der geht einfach zum Amt und lässt sie ändern oder ergänzen. Und wem auch dies noch nicht reicht, der legt sich ein Pseudonym zu – oder gleich mehrere.
‚Namen sind Schall und Rauch‘, so lautet eine alte Spruchweisheit. Und sie stimmt, sofern man nicht Eiertanz, Pferdemist, Müller, Kurpfuscher oder Brczykowarczsky heißt - oder nicht gerade von der Polizei gesucht wird. Wobei Brczykowarczsky eine gute Chance hätte, durch die Maschen der Fahndung zu schlüpfen (welcher Beamte im mittleren Dienst kann das schon buchstabieren, schreiben oder gar behalten?).
Ernsthaft. Ich habe überlegt, mir ein Pseudonym zuzulegen. Nicht, weil mir mein Hausname nicht gefällt (es gibt schlimmere), sondern weil sonst jeder sofort weiß, welche Person dahinter steckt. Das ist eben der Vorteil eines Pseudonyms, man kann sich, zumindest für eine gewisse Zeit, quasi unsichtbar machen. Sehr wichtig, wenn man einmal einen Flop landet oder jemand keine Lust auf Öffentlichkeit hat. Außerdem hat schon manch seltsamer oder unglücklicher Familienname dem Misserfolg einer Künstlerkarriere geradezu Vorschub geleistet; die Herren Eiertanz, Pferdemist, Müller, Kurpfuscher oder Brczykowarczsky werden wissen, worüber ich rede. Deshalb auch die vielen Künstlernamen.
Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber: der Name bleibt. Es gibt schließlich nichts, was zu verbergen wäre. Allerdings habe ich an anderer Stelle einige Korrekturen vorgenommen, insbesondere bei den Menschen, über die ich berichte. Immerhin muss ich mir die Gewogenheit meiner Verwandten, Freunde, Bekannten und Nachbarn erhalten, sonst versiegen möglicherweise meine Quellen.
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