Manuel Biener
Darwins Prophezeiung
Wissenschaftskrimi
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Inhaltsverzeichnis
Titel Manuel Biener Darwins Prophezeiung Wissenschaftskrimi Dieses ebook wurde erstellt bei
PROLOG PROLOG Manila, Philippinen
Dienstag, 24. Oktober
TEIL EINS
Mittwoch, 22. Februar
Donnerstag, 23. Februar
TEIL ZWEI
Mittwoch, 12. April
Donnerstag, 13. April
Freitag, 14. April
Samstag, 15. April
Sonntag, 16. April
Montag, 17. April
Dienstag, 18. April
Mittwoch, 19. April
Donnerstag, 20. April
Freitag, 21. April
Samstag, 22. April
Sonntag, 23. April
Montag, 24. April
Dienstag, 25. April
Mittwoch, 26. April
TEIL DREI
Samstag, 29. April
Montag, 1. Mai
Dienstag, 2. Mai
Mittwoch, 3. Mai
Freitag, 5. Mai
Samstag, 6. Mai
EPILOG
Mittwoch, 25. Oktober
Anmerkungen
Impressum neobooks
Manila, Philippinen
Sie können mir glauben, dass ich auf diese Episode der ganzen Ereignisse gerne verzichtet hätte. Aber nun gehört sie auch zu dieser Geschichte, und ich muss damit beginnen.
Ich heiße Manuel Biener und befinde mich jetzt schon den zweiten Tag in Haft. Hier auf den Philippinen, in Manila. Ich bin in keinem richtigen Gefängnis oder so, sondern meinem Eindruck nach in einer Art Polizeikaserne, irgendwo in dieser Megacity. Ich wurde gleich bei meiner Ankunft festgenommen, an der Passkontrolle im Flughafen. Mein Name hatte einen Treffer im Computer gelandet. Die Handschellen klickten in aller Öffentlichkeit. Entsetzen und Ohnmacht überfielen mich wie aus dem Nichts. Das musste doch ein Irrtum sein!
„What is the problem?“, stieß ich immer wieder fassungslos hervor. „What is the problem?“ Die Beamten am Flughafen übergaben mich an zwei andere Polizisten, die mich hierher brachten. Auch von ihnen bekam ich keine Antwort.
Mir dämmerte dennoch ziemlich rasch, dass es wohl leider kein Irrtum war. Denn es gab durchaus eine Erklärung. Es hatte mit der Sache von damals zu tun. Aber was, um Himmels willen, war inzwischen passiert? Nach ein paar Stunden in einer Verwahrungszelle wurde ich in einen Verhörraum geführt. Als ich es dort erfuhr, stockte mir das Blut in den Adern. Ich wurde verdächtigt, jemanden umgebracht zu haben. Bei meinem letzten Besuch in diesem Land. Sie hielten meine Erklärung in den Händen, die ich vor rund einem halben Jahr zu den Umständen des Todes eines Bekannten (ich nenne ihn jetzt mal so) abgegeben hatte. Und das Problem war jetzt, dass sie mir nicht glaubten. Mit Recht, muss ich allerdings zugeben. Diese Erklärung entsprach nämlich nicht der Wahrheit.
„Warum haben sie ihn getötet?“ fragte der vernehmende Beamte nach dieser Eröffnung. Sachlich und ruhig, als wäre nur noch dieser Punkt zu klären. Der Vollständigkeit halber. Sie erwarteten wohl nicht wirklich gleich ein Geständnis. Sie wollten sehen, wie ich reagiere. Ob ich in Tränen ausbreche oder laut werde. Welche Taktik sie bei mir am besten anwenden.
Die Schockstarre hielt mich äußerlich stabil. Es war so, wie es da steht, entgegnete ich mit belegter Stimme. Ich hätte einen Schluck Wasser gebraucht. Bei der nächsten Frage, nach dem Grund meiner jetzigen Reise, stotterte ich etwas von Urlaub machen und Leute besuchen. Das war nicht so gut, merkte ich. Der Beamte hegte Argwohn und bohrte nach. Er machte sich Notizen. Tatsächlich war ich gekommen, um Kitty zu sehen. Kitty ist die Frau, die ich damals kennengelernt habe. Ich muss sie aber aus dieser Sache hier auf jeden Fall heraushalten.
Ich hätte das Recht, Angehörige oder die Deutsche Botschaft anzurufen und mir einen Anwalt zu nehmen, teilte man mir mit. – Nein, überlegte ich. Besser nicht. Noch abwarten. Sonst könnten womöglich noch andere Dinge ans Licht kommen.
Dann brachten sie mich ein Stockwerk höher, in eine Einzelzelle. Hellgraue Fließen, Betonbett, offenes Stehklo. Alles recht sauber und ordentlich, muss ich sagen. Kein Gestank, keine Kakerlaken und solche Sachen. Ich war wirklich überrascht. Auch das Essen ist übrigens relativ okay, immer Reis natürlich, mit etwas dazu, Gemüse oder Fisch, einmal auch eine Banane. Ich habe auch ohne Probleme Schreibzeug bekommen.
Inzwischen habe ich mich auch wieder einigermaßen gefangen, wie Sie vielleicht merken. Bei meiner zweiten Vernehmung heute Morgen hatte ich nämlich kaum noch Zweifel, dass sie nur im Nebel stocherten. Sie stellten wieder tausend Fragen zu unbedeutenden Details, die sie wohl mit meinen vorigen Antworten verglichen, um Widersprüche oder Ungereimtheiten zu entdecken. Aber es gab nichts, was mich außer der tropischen Schwüle ins Schwitzen gebracht hätte. Sie ahnten wohl, dass an meiner Version etwas nicht stimmte, konnten sie aber nicht widerlegen. Denn dafür fehlte ihnen etwas ganz Entscheidendes. Und zwar die Leiche. Es war auch äußerst unwahrscheinlich, dass man sie je finden würde. Ich wusste schließlich, wo sie war.
So. Jetzt hoffe ich nur noch, dass ich schnellstens hier raus komme und endlich Kitty wiedersehen kann. Und dann erfahren Sie die ganze Geschichte, die vor acht Monaten ihren Anfang nahm. Mit der ganzen Wahrheit.
– Ach ja, ein Punkt noch. Ich heiße nicht Manuel Biener, und das Land, in dem ich mich momentan wieder befinde, sind nicht die Philippinen. Sondern ein anderes Land in Südostasien. So viel kann ich immerhin verraten. Aus Gründen, die Sie noch verstehen werden, musste ich die Orte des Geschehens sowie die Identität verschiedener Personen leider abändern. Sonst könnte ich Ihnen das alles nämlich gar nicht erzählen.
Stuttgart-Hohenheim
„... es sei denn, er stirbt.“
Der Präsident der Universität Hohenheim lehnte sich in seinen komfortablen Bürosessel zurück und ließ seine Worte wirken. Mit dem Blick eines Forschers, der den Ausgang eines spannenden Experiments beobachtet, erwartete er meine Reaktion.
Sie folgte wie auf einen Schlag ins Genick. Meine gestraffen Schultern, die Souveränität und Selbstsicherheit ausstrahlen sollten, fielen nach vorne. Ich sackte auf meinem Stuhl zusammen und starrte mit geweiteten Augen ins Leere. Das Unfassbare war eingetreten. Keine Forschung mehr, keine Stelle, kein Geld.
Aber das war noch nicht alles. Nun drohte auch die Vollendung meines großen wissenschaftlichen Werkes zu scheitern. Das Buch mit meiner neuen Theorie, die in Synthese mit Darwins Evolutionstheorie nichts Geringeres als ein neues biologisches Weltbild begründen würde.
Und jetzt versank alles in einem tiefen, schwarzen Loch.
Alle reden von mehr Bildung, aber zu viel Bildung ist auch nicht gut. Denn damit kann man sich seine Zukunft genauso verbauen wie ohne einen Abschluss. Diese Einsicht kam für mich allerdings zu spät, nach bald zwanzig Jahren an der Uni – mit Studium, Promotion und schließlich Habilitation auf einer Forschungsstelle am Institut für Tropenökologie. Ist doch eine solide Laufbahn in der Wissenschaft, denken Sie jetzt. Aber nicht im richtigen Leben. Dort bewegte ich mich auf einem schmalen Grat mit Blick in den Abgrund. Mit meinen 39 Jahren zählte ich nämlich zum akademischen Prekariat, wie man das neuerdings nannte. Eine Wortschöpfung findiger Soziologen, die fies an „Proletariat“ erinnerte, aber dennoch politisch korrekt klingen sollte. Prekariat kommt von prekär, was soviel heißt wie „ungewiss, bedenklich“. Und das traf meine Situation auf den Punkt. Mein Arbeitsvertrag war auf zwölf Jahre befristet, und mehr als elf davon waren bereits vergangen. Eine Verlängerung war nicht möglich, da meine Stelle dem wissenschaftlichen Nachwuchs vorbehalten war und entsprechend neu besetzt werden musste. Außerhalb der Uni war mein Wissen und Können – mein Fachgebiet sind übrigens die evolutionsgeschichtlichen Anpassungsprozesse zwischen Pflanzen und Insekten – nicht gefragt. Ich denke, damit ist der Kern meines Problems klar genug umrissen.
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